Hohe Energiekosten

„Situation ist dramatisch“ - Gast-Haus-Chefin und Kollegen sehen Hilfsangebote in Gefahr

Stehen Dortmunds Hilfs- und Betreuungseinrichtungen wegen den hohen Energiekosten vor dem Aus? Viele Träger hoffen auf private Spenden und einen „Rettungsschirm“ - doch würde das reichen?

Dortmund

, 14.10.2022 / Lesedauer: 4 min

300 bis 350 Bedürftige sind es, die werktags zum Frühstück ins Gast-Haus an die Rheinische Straße kommen. Zum Abend sind es weitere 250 Obdachlose, die hier eine Verpflegung erhalten. Insgesamt sind es um die 120.000 Mahlzeiten, die bei der Ökumenischen Wohnungslosen-Initiative über das Jahr angeboten werden.

Entsprechend groß ist die Sorge vor dem, was der Einrichtung vor dem Hintergrund der explodierenden Gas- und Stromkosten droht: Um das Angebot aufrechterhalten zu können, muss natürlich der Betrieb der vielen Kühlschränke usw. weiterlaufen. „Wir haben enorm hohe Energiekosten“, sagt die Geschäftsführerin Katrin Lauterborn.

Und diese Energieausgaben werden im Winter weiter steigen – zum Teil um das drei- bis Fünffache. „Stand jetzt sind es 30.000 Euro an Mehrausgaben für Gas und Strom“, rechnet Lauterborn vor.

„Wir können hier keine Heizungen ausschalten.“

Einsparpotential sehe sie nicht: „Wenn wir unser Angebot zurückfahren, bedeutet es, dass unsere Gäste, nicht versorgt werden, das wäre eine Katastrophe“, so Lauterborn. „Wir haben da einfach keinen Spielraum, denn eine Kürzung führt zur Unterversorgung.“

Das gelte auch für den Gasverbrauch, der nicht heruntergefahren werden könne: „Wir können hier keine Heizungen ausschalten“, so Lauterborn mit Blick auf die Wohnungslosigkeit der Gäste: „Wenn man eine ganze Nacht draußen schlafen musste, ist es lebensnotwendig, den Körper wieder aufzuwärmen.“

Gast-Haus Geschäftsführerin hofft auf Spenden durch Bürger © Benjamin Trilling

Notwendig sei vielmehr, das Angebot auszubauen. Denn, so erklärt Lauterborn: „Wir erwarten mehr Bedürftige. Zwar können wir nicht das Ausmaß beziffern, aber wir erwarten, dass es passiert.“

Denn es sei absehbar, dass viele Bürger nicht mehr ihre Miet- und vor allem die horrenden Nebenkosten begleichen können. Die Folge: Räumungsklagen, von denen sie auch vermehrt im Gast-Haus hörten.

Dilemma: „Wir erhalten weniger Spenden, aber haben mehr Kosten“

Das Problem: Die Einrichtung kann nicht wie ein Unternehmen Rücklagen bilden, um sich auf die erhöhte Nachfrage von Bedürftigen zu wappnen. Finanzgrundlage sind vielmehr die Spenden – vor allem von der Mittelschicht. Doch selbst diese Bessergestellten spürten die Energiekrise sowie die Inflation. Folglich spenden sie weniger.

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Daher stehen sie im Gast-Haus vor einem Dilemma: „Wir erhalten weniger Spenden, aber haben mehr Kosten“, so Lauterborn über die Finanzierungslücke. „Wir hoffen, dass die Bürger uns weiter unterstützen. Denn unsere Arbeit darf nicht wegfallen.“

Sie unterstreicht damit die Warnungen des Diakonie-Präsidenten Lilie, der wegen den Energiekosten vor einem Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur sprach. Lauterborn: „Die Situation ist dramatisch.“

Ungewissheit herrscht auch bei der AWO und Caritas

Bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) teilen sie diese Ungewissheit: „Wir befinden uns im Moment in einer Phase, in der wir nicht wissen, was auf uns zukommt“, sagt Mirja Düwel, Geschäftsführerin des AWO-Unterbezirks in Dortmund.

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Einen Zusammenbruch der Sozialinfrastruktur befürchte sie jedoch nicht. Vielmehr gehe Düwel von einer Unterstützung durch Bund, Länder oder Kommunen aus: „Ich habe ein Vertrauen in den Sozialstaat, dass wir es schaffen können.“ Bisher sehe sie in dieser Hinsicht auch bereits große Anstrengungen der Stadt Dortmund.

Sobald die Energiekosten anfallen, sei aber mehr Hilfe nötig. Denn die AWO allein könne auf der laufenden Geschäftsgrundlage nicht die Mehrkosten stemmen, wie Düwel klarstellt: „Wenn finanziell nichts zur Verfügung gestellt wird, kriegen wir es nicht hin.“

Ähnlich äußert sich auch Ansgar Funcke, der Vorstandsvorsitzende der Caritas: Er befürchte zwar kein Aus der eigenen Sozialeinrichtungen und begrüße das jüngste Maßnahmenpaket der Politik, wie er auf Anfrage dieser Redaktion erklärt.

Gleichwohl seien langfristige Hilfen von Bund und Land notwendig, so Funcke: „Es gibt keine unmittelbare Bedrohung, aber langfristig brauchen wir einen Rettungsschirm für diese Branche.“

Insbesondere Einrichtungen wie das Sozialkaufhaus im Bernhard-März-Haus benötigten Finanzhilfen, sobald die ersten hohen Rechnungen kommen, so Funcke: „Diese Dienste stehen dann auf der Kippe, wenn die Kosten nicht von uns als Träger übernommen werden.“

Christian de Vries übernimmt die Kommunikation des Sozialen Zentrums © Benjamin Trilling

Soziales Zentrum: Sorge um eine Bevölkerungsgruppe

Auch beim Sozialen Zentrum befürchten sie Auswirkungen der Energiekosten auf die Sozialinfrastruktur. „Zumindest wird sie massiv in Mitleidenschaft gezogen“, befürchtet Christian de Vries, Pressesprecher der Einrichtung. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Die Situation wird erst noch dramatisch.“

Das liege auch an den Gaskosten, die von derzeit 40.000 auf 140.000 Euro im Jahr steigen. Und diese gelten nur für das Gebäude in der Westhoffstraße Ecke Nordmarkt, in der das Soziale Zentrum neben einer Beratungsstelle auch ein Wohnheim für Bedürftige mit insgesamt 60 Apartments betreibt.

Zwar gehören auch die Drogenberatung DROBS sowie das Pflegeteam Elfi zum Sozialen Zentrum. Die bangen Blicke der Verantwortlichen richten sich jedoch auf eine Bevölkerungsgruppe, wie de Vries ausführt: „Wir sorgen uns vor allem um die Rentner.“

Denn Rentner erhalten nicht nur eine geringe Pension und besitzen kein Guthaben. Sie sind zudem auf eine ausreichende Raumtemperatur angewiesen, wie de Vries klarstellt: „Wir können nicht einfach die Heizungen heruntergefahren, bei uns leben ältere Menschen.“

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