
Christian Rehtanz hat den Zwischenbericht er Expertenkommission Gas und Wäre im Interview eingeschätzt. © dpa, Schmale / Montage: Pietsch
Gaspreisdeckel: Wo Energie-Experte Prof. Rehtanz die größten Probleme sieht – und wo keine
Energiekrise
Ein Entwurf für einen Gaspreisdeckel soll Deutschland „sicher durch den Winter“ bringen. Effektiv? Unrealistisch? Christian Rehtanz, Professor für Energiewirtschaft und Energiesysteme an der TU Dortmund, ordnet ein.
Ein Expertenvorschlag für eine Kombination aus Einmal-Entlastung und Gaspreisdeckel soll Privatpersonen und Industrie in der Energiekrise unter die Arme greifen. Christian Rehtanz, Professor für Energiewirtschaft und Energiesysteme an der TU Dortmund, hat das Konzept analysiert.
Der Vorschlag sieht vor, dass der Staat einmalig den Gasabschlag im Dezember reduziert, um die Höhe des Abschlags von September. Ab März soll dann für Privathaushalte ein Gaspreisdeckel greifen, der für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs einen Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde festsetzt. Für die Industrie soll ab Januar ein Deckel für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs einen Preis von 7 Cent pro Kilowattstunde festlegen. In einen politischen Entwurf umgesetzt oder gar beschlossen ist das noch nicht.
Zwei Aspekte sind für Professor Christian Rehtanz bei dieser Umsetzung besonders wichtig: Zum einen müssen Sparanreize erhalten bleiben, zum anderen müsse die Entlastung auch umsetzbar sein.
Energiesparen vor allen in Privathaushalten möglich
„Wir müssen zwingend, unbedingt einsparen. Von daher ist dieses Konstrukt 70 beziehungsweise 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs mit einem Preisdeckel zu versehen, sehr sehr gut und sehr sehr wichtig“, so Christian Rehtanz. Es sei durchaus möglich, dass Verbraucher und Verbraucherinnen durch die Entlastung nun weniger einsparen, als sie es ohne getan hätten.
Möglichkeiten dafür sieht der Experte durchaus: „Ich glaube, in Privathaushalten wären wir durchaus in der Lage, die 20 Prozent einzusparen. Wenn man zum Beispiel die Heizung etwas runterregelt, kürzer duscht, wirklich achtsam mit der Energie umgeht.“ Schwieriger sei das in Industriebetrieben, die oft schon sehr auf eine effiziente Nutzung von Energie getrimmt seien.
„Wilo ist eigentlich ein sehr schönes Beispiel. Die haben durch den neuen Wilo Campus massiv auf Energieeffizienz gesetzt. Da wird kaum noch zusätzlich etwas drin sein.“
Eine andere Möglichkeit sei, energieintensive Prozesse, die auf Gas basieren, durch andere Energieträger abzuwickeln. Das sei aber nicht immer einfach. „Bei Thyssen Krupp laufen beispielsweise viele Prozesse mit Gas. Da ist die Frage, ob man Prozesse, die man aus Umweltgründen von Kohle oder Öl auf Gas umgestellt hat, wieder zurückstellen kann.“
Die Gasumlage als Negativbeispiel
Wie genau die Abrechnung der einmaligen Kostenübernahme und des Gaspreisdeckels zwischen Staat, Versorgern und Verbrauchern und Verbraucherinnen aussehen wird, ist noch unklar. „Bei der Umsetzung muss man aufpassen, dass man kein administratives Monster schafft“, betont Christian Rehtanz.
„Man muss sich anschauen, wie die Prozesse umzusetzen sind. Das wird einfach eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.“ Auch deshalb sei es sinnvoll, dass die Gaspreisbremse für Privathaushalte erst für März angesetzt ist - wenn ein Großteil der Heizsaison bereits vorbei ist.
„Wir hatten ja das Problem mit der Gasumlage, da haben die Versorger mit Riesenaufwand den Kunden neue Rechnungen geschickt, teilweise die Abschläge angepasst und jetzt wird das Ganze wieder rückabgewickelt“, so Christian Rehtanz.
Auch die lange Laufzeit der Gaspreisbremse bis Sommer 2024 (für Privathaushalte 14 Monate ab März 2023, für Industriebetriebe 16 Monate ab Januar 2023) hält Christian Rehtanz für sinnvoll. So entstehe eine Brücke für tiefergreifende Änderungen am Energiemarkt.
„Wir werden uns um die Preisbildungsmechanismen in den Märkten kümmern müssen, um Energieimporte und an allererster Stelle um den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland“, so Christian Rehtanz. Und auch der russische Krieg gegen die Ukraine werde wohl nicht in wenigen Monaten beendet sein.
Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
