So könnten Gaspreisdeckel und Gaspreisbremse funktionieren

Nach Streit um Gasumlage

Die Gasumlage steht auf der Kippe, zugleich steigen die Preise bei Haushalten und Unternehmen immer weiter. Politiker der Ampel-Koalition zeigen sich offen für andere Vorhaben.

Frankfurt am Main/Hannover

von Frank-Thomas Wenzel und Christoph Höland

, 27.09.2022, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich Gas in Europa massiv verteuert – und mittlerweile wird immer häufiger davon gesprochen, den Gaspreis entweder zu deckeln oder zu bremsen. Zuletzt zeigte sich auch Finanzminister Christian Lindner für eine Gaspreisbremse offen, die Grünen sprachen hingegen von einem Gaspreisdeckel. Gemeint ist womöglich das Gleiche: Ein staatlicher Eingriff in den Gasmarkt, der für niedrigere Preise sorgt.

Wie könnten Gaspreisdeckel und Gaspreisbremse aussehen?

Schlussendlich kursieren mehrere Varianten: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) etwa will Gas so stark subventionieren, dass die Kilowattstunde Endverbraucher nur noch 8 Cent kostet. Dabei gäbe es wegen des niedrigen Preises kaum ökonomische Anreize, Gas zu sparen, warnen viele Fachleute. Die deutschstämmige US-Ökonomin Isabella Weber und IMK-Chef Sebastian Dullien plädieren hingegen für eine Kontingentlösung: „Wir wollen den Preis beim Grundverbrauch stabilisieren, darüber hinaus würde Gas den Marktpreis kosten“, erklärt Weber. Wer viel verbraucht, hätte dann hohe Mehrkosten, bei einem geringen Verbrauch würden hingegen nur die Ende 2021 üblichen 7,5 Cent pro Kilowattstunde fällig.

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Wer bekommt wie viel Gas?

Wie hoch der Grundverbrauch sein sollte, ist umstritten: Weber und Dullien wollen ein bundesweit einheitliches Kontingent in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße. Der Grundverbrauch soll nur so hoch sein, dass bei Geringverdienenden mit ihrem meist geringeren Verbrauch keine Mehrkosten entstehen. Wohlhabende mit oft höherem Gasverbrauch müssten hingegen ohne Einsparungen draufzahlen, wobei Dullien und Weber Härtefallregelungen wichtig sind. Andere Vorschläge sehen vor, sich bei der Größe des vergünstigten Grundverbrauchs am Vorjahresverbrauch zu orientieren und davon etwas abzuziehen, damit Deutschland seine Einsparziele erfüllt und die Gasspeicher den Winter überstehen.

Wie könnte das umgesetzt werden?

Im Grunde muss der Staat irgendwo im Gasmarkt eingreifen und Gasimporteuren, -Händlern oder -Versorgern Geld überweisen, damit diese den flüchtigen Brennstoff zu niedrigeren Kosten weitergeben können. Wo genau man ansetzen sollte, ist noch unklar – aber bislang war Konsens, möglichst weit vorn in der Wertschöpfungskette, etwa beim Großhandel, anzusetzen. Konkreter ist der Vorschlag einer Gruppe rund um den Ökonomen Rüdiger Bachmann (Universität Notre Dame in Indiana): Sie sprechen sich dafür aus, Versorger zu verpflichten, zwar die Preise zu erhöhen – aber gleichzeitig einen Teil des höheren Preises per Gutschrift auf der Rechnung zu erstatten. Bei dieser Variante fallen die Mehrkosten bei den meist regionalen Versorgern an, die für die Gutschriften teilweise wohl Zuschüsse des Staates bräuchten.

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Was würde das kosten?

Wird Gas pauschal bezuschusst, könnte das laut Bundesfinanzministerium 2,5 Milliarden Euro pro Cent Verbilligung kosten. Bei den angedachten 20 Cent Rabatt müsste der Staat also um die 50 Milliarden Euro jährlich mobilisieren. Günstiger wäre die Kontingentlösung, Dullien und Weber gehen entlang Schätzungen des IMK von etwa 20 Milliarden Euro Finanzierungsaufwand bei ihrem Modell aus. „Uns geht es nicht darum, weitere Kosten zu verursachen, sondern die durch geopolitische Verwerfungen entstandenen Kosten fair zu verteilen“, betont Weber.

Woher soll das Geld kommen?

Christian Lindner liebäugelt mittlerweile auch mit einer Gaspreisbremse: „Bis der Gaspreis wieder sinkt, muss der Staat den Verbrauchern eine Brücke durch die Krise bauen“, sagte der Finanzminister dem Handelsblatt. Zur Finanzierung hält sich Lindner bislang aber bedeckt, bislang schließt er höhere Steuern aus und will auch die Schuldenbremse 2023 einhalten. Naheliegend wäre, den eigentlich für Klimaschutz und Pandemiefolgen gedachten Energie- und Klimafonds (EKF) dafür einzusetzen, der nicht unter die Schuldenbremse fällt. Weber hält das für vertretbar: Ein Aussetzen der Schuldenbremse wäre ihr zufolge angesichts des „wirtschaftlichen Katastrophenfalls“ zwar richtig, „aber wichtiger ist es, jetzt schnell zu Lösungen zu kommen“.

Wer zahlt am Ende?

Kurzfristig laufen viele Vorschläge zum Gaspreisdeckel beziehungsweise zur Gaspreisbremse auf höhere Staatsschulden hinaus – die irgendwie abgezahlt werden müssen. In der Energiewirtschaft hat eine zeitversetzte Umlage viele Freunde, dabei würde eine Art Gasumlage dann starten, wenn die Weltmarktpreise wieder deutlich sinken. Bis dahin müsste der Staat nur eine Zwischenfinanzierung stemmen. „Wir können davon ausgehen, dass die Gaspreise im Großhandel wieder sinken werden. Es ist politisch und ökonomisch sinnvoll, die Umlage erst bei niedrigeren Preisen zu erheben“, sagte dazu jüngst Florian Bieberbach, der Chef der Münchener Stadtwerke.

Steigen wegen des Gaspreisdeckels die Steuern?

In Regierungskreisen wird derzeit über eine Art Energie-Soli diskutiert, um Entlastungen für Haushalte und Firmen zu finanzieren. In Anlehnung an den einstigen Solidaritätszuschlag liefe das auf eine Ergänzungsabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer hinaus. So ließen sich gegebenenfalls auch weitere Entlastungen finanzieren, sollte der Gaspreis gar nicht gedeckelt werden. Die finanzielle Belastungen würden auf sehr viele Schultern verteilt, zugleich könnten Freibeträge und Ähnliches für soziale Ausgewogenheit sorgen. Der Nachteil: Ein Energie-Soli ist derzeit in der Bundesregierung nicht durchsetzbar, da die FDP kategorisch Steuererhöhungen ablehnt.

RND

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