Nachtlager von obdachloser Frau (72) in Dortmund angezündet Mordermittlungen eingestellt

Nachtlager von obdachloser Frau angezündet: Mordermittlungen eingestellt
Lesezeit

Dutzende obdachlose Menschen schlafen in Dortmund Nacht für Nacht schutzlos auf der Straße. Wie gefährlich dieses Leben ist, hat eine Tat vor gut einem Jahr verdeutlicht. Am 1. April 2024 hatte ein unbekannter Täter das Nachtlager einer 72-jährigen Frau angezündet, das sie am Musikgeschäft Andrä in der City aufgeschlagen hatte.

Die Frau bemerkte das Feuer noch rechtzeitig, sie konnte sich aus der lebensgefährlichen Situation retten und erlitt nur eine Brandblase an der Hand. Die Staatsanwaltschaft ging von versuchtem Mord aus Heimtücke aus. Eine Mordkommission wurde eingerichtet. Gut ein Jahr nach der Tat wollten wir wissen, was auf dem Fall geworden ist und haben bei der Staatsanwaltschaft Dortmund nachgefragt.

Doch die Suche nach dem Täter blieb ergebnislos. Das Verfahren sei bereits am 7. Juni eingestellt worden, teilt Staatsanwältin Maribel Anderson mit. Man merkt ihr an, dass sie nicht zufrieden mit diesem Ausgang ist.

„Hätten Täter gerne bekommen“

Einige Tage nach der Tat hatte die Staatsanwältin gesagt: „Wenn jemand das Nachtlager einer schlafenden Person anzündet, dann handelt er in dem Bewusstsein, dass die Schlafende das sich ausbreitende Feuer nicht bemerkt und der Lage schutzlos ausgeliefert ist.“ Ein Jahr sagt Anderson: „Wir hätten den Täter angesichts dieses rücksichtslosen Angriffs gerne bekommen.“

Doch es habe keine Ermittlungsansätze mehr gegeben. Die Videoaufnahme, die den mutmaßlichen Täter um 3.25 Uhr in der Nacht zeigt, sei in zu schlechter Auflösung gewesen. Eine Öffentlichkeitsfahndung sei damit nicht infrage gekommen. Auch eine Funkzellen-Auswertung sei ohne Ergebnis geblieben. „Das Jackenmodell auf der Aufnahme trägt jeder zweite“, sagt Anderson. Auch das sei deshalb kein Ansatz gewesen, dem man habe nachgehen können.

„Als ich wach wurde, brannte schon alles“, schildert die Frau der Bild-Zeitung die Ereignisse nach der Tat. Mit ihren Händen habe sie noch versucht, die Flammen auszuschlagen. Gesehen habe sie niemanden mehr. Der Bild sagte sie: „Ich weiß nicht, ob das gezielt gegen mich war.“

Unsicherheit bei Obdachlosen

Bei Menschen, die auf der Straße leben, hatte die Tat damals zusätzlich Unsicherheit ausgelöst. Kurz bevor die Tat bekannt geworden war, war ein obdachloser Mann bei einem Polizeieinsatz an der Reinoldikirche erschossen worden. Einen Tag später hatte ein 13-Jähriger einen Obdachlosen am Dortmunder Hafen mit mehreren Messerstichen getötet.

Tim Sonnenberg, der an der Fachhochschule Dortmund zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit forscht, sagte damals, dass Menschen, die auf der Straße leben, permanent mit Beleidigung und Abwertung konfrontiert seien. „Die extreme Gewalt ist die Spitze eines alltäglichen Eisbergs. Das ist jeden Tag psychisch belastend.“ Die alltägliche Bedrohung drücke sich auch bei der Wahl des Schlafplatzes aus: „Entweder so öffentlich, dass dich immer jemand schreien hört. Oder so versteckt, dass dich nie jemand findet.“

Versuchtes Tötungsdelikt in Dortmund: Nachtlager von wohnungsloser Frau (72) angezündet