Marodes Hallenbad mitten in Dortmund Mehrjährige Schließung droht - oder ein teurer Neubau

Marodes Hallenbad: Mehrjährige Schließung droht - oder ein teurer Neubau
Lesezeit

Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung. Sicher: Man sieht dem Nordbad in Dortmund an, dass es aus den 80er-Jahren stammt: die Farbkombinationen, die geschwungenen Formen im Nichtschwimmer-Bereich, die grünen Metallstreben unter der Decke, die eher an eine Sporthalle erinnern. Doch das Problem liegt weiter unten.

Der Beton, den man bis zur Eröffnung im Jahr 1982 verbaute, ist porös. Auch weil dem Wasser im Schwimmbecken - typisch 80er eben - ordentlich Salz beigemischt ist. André Knoche macht daraus keinen Hehl. Der Geschäftsführer Sport der städtischen Sport- und Freizeitbetriebe sitzt in seinem Büro, vor sich einen Din-A3-Ausdruck mit allerlei Zahlen.

Investitionsstau von 113 Millionen Euro

Genau aufgeschlüsselt ist darauf, wie teuer es wird, die 18 Hallen- und Freibäder in Dortmund zu erhalten. Auf 113 Millionen Euro summiert sich der Investitionsstau. Teuerstes Hallenbad in der Liste: das Nordbad.

Dabei stimmen die Zahlen längst schon nicht mehr. Die stammen aus dem Bäderleitplan, der 2021 veröffentlicht wurde - also vor Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, vor der großen Preissteigerung bei allen Bauvorhaben. Auf 10,4 Millionen Euro schätzten externe Bäderexperten damals die Kosten für eine Nordbad-Sanierung.

Bohrung könnte zum Aus führen

Knoche winkt ab. Die Summe liege längst „deutlich darüber“, bei mittlerweile 32,74 Millionen Euro. Doch vielleicht reiche auch das nicht. Denn die Experten hätten nur eine „Begehung und Aufnahme der infrastruktuellen Begebenheiten“ gemacht. Das wäre vergleichbar mit einem fachkundigen Blick auf Motor, Karosserie und Interieur vor dem Gebrauchtwarenkauf, aber nicht mit einer Inspektion in der Werkstatt.

Mehr noch: Die Fachleute hätten ausdrücklich gewarnt. Um den Zustand der Bausubstanz genau zu beschreiben, müssten sie eigentlich eine Bohrung machen. Aber dazu würden sie nicht raten. Vielleicht führe eine solche Bohrung zum sofortigen Aus für das Bad.

André Knoche ist Sportdirektor der Sport- und Freizeitbetriebe Dortmund.
André Knoche ist Sportdirektor der Sport- und Freizeitbetriebe. © Stadt Dortmund (Roland Gorecki)

In den Ferien mehrfach überfüllt

Was eine Nordbad-Schließung bedeuten würde? Eine mittelgroße Katastrophe für Schwimmvereine, für das Schulschwimmen in der Nordstadt, für viele tausend Menschen im Dortmunder Norden. 2023 zählte man mehr als 100.000 Schwimmgäste.

In den Sommerferien 2024 war das Nordbad mehrfach so überfüllt, dass es einen Einlassstopp geben musste. Ein Betrieb ohne Sicherheitsdienst? Mittlerweile undenkbar, unterstreicht André Knoche.

Freibäder im Norden geschlossen

Warum so viele Menschen ins Nordbad kommen? Das könne natürlich mit der gleichzeitigen Schließung der Freibäder Hardenberg in Deusen und Stockheide am Hoeschpark zu tun haben, überlegt Knoche. Zudem: Wer wenig Geld hat, bekommt über den „DO-Pass“ fast kostenlosen Zutritt zu den städtischen Bädern.

Das sind aber nur noch das Südbad an der Ruhrallee und eben das Nordbad neben dem Dietrich-Keuning-Haus. Alle anderen Hallen- und Freibäder werden mittlerweile geführt von der „Sportwelt“, dem Revierpark Wischlingen oder einem Schwimmverein.

„Rostiger Stahl im Keller“

Ist das Nordbad überhaupt zu retten? „Wir haben rostigen Stahl im Keller“, untermauert André Knoche. In den letzten Jahren habe es immer wieder Schließungen über Tage oder Wochen gegeben, heißt es aus Kreisen der Schwimmvereine. Der Beton sei einfach porös - und auch von der Decke des 42 Jahre alten Bades tropfe es immer mal wieder. Der Blick in die Etage unterhalb der Becken - grauselig, schon lange!

„Die Politik muss eine Richtungsentscheidung treffen“, verdeutlicht Knoche: Sanierung oder Neubau an anderer Stelle. Bis Ende 2024 wolle man endlich detailliert auflisten, welche Szenarien dann drohten.

Probleme: U-Bahn, Kitas, Technik

Das Problem bei einer Sanierung wären nicht nur die explodierten Kosten. Für etwa drei Jahre müsste man das Nordbad wohl schließen. Ausweich-Bäder gebe es nicht, erläutert Knoche - weder für die Vereine noch für die Schulen in der Nordstadt. Die Technik des Nordbads ist zudem mit der des benachbarten Keuning-Hauses verbunden.

Unter dem Bad verlaufen U-Bahn-Linien. In unmittelbarer Umgebung gebe es drei Kitas, die schon signalisiert hätten: Drei Jahre Baulärm? Von 12 bis 14 Uhr müssten dort doch die kleinen Kinder ihren Mittagsschlaf halten! Und letzten Endes könnte man noch nichts über Altlasten sagen, deute Knoche an. Gut möglich also, dass während einer Bauzeit unschöne Überraschungen auf dem Gelände auftauchen.

Das Nordbad am Dietrich-Keuning-Haus.
Das Nordbad am Dietrich-Keuning-Haus. © Oliver Volmerich

CDU und SPD für einen Neubau

Also doch ein Neubau? CDU und SPD signalisieren, sie wären eher für diese Variante. Das sei kostengünstiger, heißt es aus Reihen der SPD-Fraktion. 2023 hatte die Stadt einen Preis von 12 bis 15 Millionen Euro und eine Bauzeit von bis zu zweieinhalb Jahren geschätzt. Jetzt heißt es: 24 Millionen Euro netto. Doch auch das liegt noch unter den Kosten für eine Sanierung.

Man könne sich sehr gut den Standort Fredenbaum vorstellen, ergänzt die CDU. Im Gespräch waren zuletzt mehrere Flächen in der Nordstadt - entweder ebenfalls im Keuning-Park oder am Fredenbaum. Die CDU etwa könnte sich einen Neubau in der Nähe des Naturmuseums vorstellen.

Am Naturmuseum oder am Fredenbaum-Rand?

Dazu hieß es 2023 allerdings noch: Da sei nur noch Platz für eine bereits geplante Kita. Der Rest müsse unbebaut und Teil eines Grüngürtels bleiben, der bis zum umgestalteten Westfalenhütten-Geländes reichen solle. Dann blieben noch zwei Sportplätze - südlich des Fredenbaumparks an der Schützenstraße oder am nördlichen Rand zur Lindenhorster Straße hin.

Die Verkehrsanbindung mit Bahn oder Auto sei rund um den Fredenbaum ebenfalls gut, lautet eines der Argumente für den Neubau. Und man könne auf diese Weise eine lange Schließung vermeiden. Von den Grünen indes heißt es: „Unsere Präferenz ist, das Bad an diesem Standort zu erhalten“, so Bürgermeisterin Barbara Brunsing.

Was würde aus der Nordbad-Fläche?

Man werde sich aber „die Zahlen genau angucken“, wenn man sie denn endlich vorgelegt bekomme. Eigentlich hätten Details zu den Varianten nämlich schon bis Sommer 2024 in die politische Diskussion gesollt. „Irgendeine Kröte werden wir auf jeden Fall schlucken müssen“, ist sich Brunsing sicher.

Sollte es einen Bad-Neubau in der Nordstadt geben, stünde übrigens eine weitere große Frage im Raum: Was tun mit der zentralen Fläche? Eine weitere Bühne, weitere Räume für das Keuning-Haus im dann ehemaligen Nordbad? Platz für eine Kita oder gar Schule? Die Liste der Ideen ist schon im Vorfeld lang.

Auch Neubau würde Jahre dauern

Auch ein Neubau müsste aber erst einmal beschlossen werden. Bis zur möglichen Eröffnung würden einige Jahre ins Land ziehen. Während es unter dem Nordbad-Schwimmbecken weiter tropft, während die Rohre weiter rosten, während Verantwortliche wie Schwimmer weiterhin hoffen, dass es nicht irgendwann heißt: Aus, marode, sofortige Schließung.

Eine Mahnung könnte das Westbad in Dorstfeld sein. Das stammte ebenfalls aus den frühen 80er-Jahren. Es hatte - wie das Nordbad - eine 25-Meter-Bahn und eine geschwungen gestaltete Spiellandschaft. 2022 musste die Stadt es schließen, noch bevor der Neubau in Wischlingen fertig war. Das Gelände ist mittlerweile durch einen Bauzaun abgesperrt.

Die Lichter sind aus: Dieses Foto stammt von der Dorstfelder Ortsgruppe der DLRG. Sie hatte einen Tag nach der Eröffnung des neuen Sportbads Abschied von ihrer alten Trainingsstätte am Kortental genommen.
Die Lichter sind aus: Dieses Foto stammt von der Dorstfelder Ortsgruppe der DLRG. Sie hatte einen Tag nach der Eröffnung des neuen Sportbads Abschied von ihrer alten Trainingsstätte am Kortental genommen. © DLRG Dorstfeld

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 4. November 2024.