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Kirche und sexueller Missbrauch: „Wunsch nach ehrlicher Umkehr“
Krise der katholischen Kirche
Anstelle des Papstes offiziell antworten will er nicht. Trotzdem hat Dortmunds Stadtdechant Andreas Coersmeier mit einem Brief auf die öffentliche Kritik an der katholischen Kirche reagiert.
Unser Redakteur Ulrich Breulmann, studierter Theologe und eigentlich engagierter Katholik, ist entsetzt über das Ausmaß des sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche und den Umgang der Kirche damit. Er hat deshalb einen Brief an Papst Franziskus geschrieben, den wir veröffentlicht haben und der auf ein breites Echo gestoßen ist - auch in Dortmund.
Der Dortmunder Stadtdechant und Propst Andreas Coersmeier hat ebenfalls in Form eines Briefes auf die Kritik an der katholischen Amtskirche reagiert. Auch ihn dokumentieren wir hiermit:
„Lieber Herr Breulmann,
nein, dies ist keine Antwort auf Ihren ‚Brandbrief“ an Papst Franziskus. Da möchte ich dem Papst auch keinesfalls vorgreifen. Grundsätzlich bin ich Ihnen aber sehr dankbar, dass Sie sich um die Kirche sorgen und vieles von dem, was Sie dem Papst schreiben, treibt in diesen Tagen die katholischen Christen um.
Sehr viele Gläubige sind gleichermaßen entsetzt über die Ergebnisse der jüngsten Studien zu den Fällen von sexuellem Missbrauch, über mangelnde Aufarbeitung und Aufklärung über Unwahrheiten, Verletzungen und Enttäuschungen.
Opfern des Missbrauchs gerecht werden
Es darf aber nun nicht nur darum gehen, die Kirche zu retten, wie Sie es als Bitte an Papst Franziskus formulieren, sondern vielmehr auch darum, endlich den Opfern des Missbrauchs gerecht zu werden. Da gibt es noch viel zu tun, ebenso wie bei dem Wunsch nach Reformen und einer Erneuerung der Kirche.
Jene, die sich dafür einsetzen, sind aber keineswegs eine kleine Minderheit. Das kommt mir in Ihrem Brief zu kurz. Kirche, das sind auch Frauen und Männer, die Kinder auf die Erstkommunion vorbereiten, die ein Frühstück für Wohnungslose organisieren oder Kranke besuchen, Ehrenamtliche, Hauptamtliche und Priester, die engagiert für die Menschen in ihren Gemeinden da sind.
Sie leben nicht in Palästen, tragen keine Brokat-Gewänder und halten auch keine „moralisierenden Predigten voller theologischer Floskeln und salbungsvoller Ratschläge“, wie Sie schreiben. Ein wenig, so mein Eindruck, zeichnen Sie hier das Bild einer Kirche, die so zumindest teilweise längst Vergangenheit ist.
Aufbrüche innerhalb der Kirche
Vieles wird heute in der Kirche öffentlich gefordert, was lange nicht zur Sprache kam, und es gibt einen viel deutlicheren Wunsch nach Reformen und ehrlicher Umkehr als man es nach dem Lesen Ihres Briefes annehmen könnte. Ihren Pessimismus teile ich daher nicht und sehe vielmehr auch die Aufbrüche innerhalb der Kirche unter anderem beim Synodalen Weg.
Mit freundlichen Grüßen,
Propst Andreas Coersmeier
Stadtdechant
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
