Kinderklinik-Leiter sieht schwere Corona-Folgen von Mediensucht bis Gewalt
Coronavirus
Schlafentzug und schlechte Ernährung gehören noch zu den milderen Problemen, mit denen manche Dortmunder Kinder konfrontiert sind. Sie seien „viel stärker eingeschränkt als die meisten Erwachsenen“.

Der Chef der Dortmunder Kinderklinik sieht durchaus gesundheitliche Folgen des Lockdowns. © Stephan Schütze
Fast jeder Mensch hat aktuell mit den sozialen Folgen des Lockdowns zu kämpfen. Ganz besonders betroffen sind die Kinder, wie Prof. Dr. Dominik Schneider, Direktor der Dortmunder Kinderklinik, jetzt im Interview mit dem Deutschlandfunk erläutert hat.
Der Experte erklärt in dem Gespräch, dass sich Kinder in drei großen sozialen Räumen bewegen: Familie, Schule und Freunde/Hobbys. „Wir haben mit diesem harten Lockdown den Kindern zwei von diesen drei sozialen Räumen genommen“, so Schneider: „Das heißt, sie sind in ihrer Lebensrealität viel stärker eingeschränkt als die meisten Erwachsenen.“
Kinder und Eltern würden sich häufig beim Thema Homeschooling allein gelassen fühlen. Die psychische Belastung nehme zu, depressive Störungen und ungesunder Medienkonsum träten vermehrt auf. Schlechte Ernährung und Gewichtszunahme seien ebenfalls häufiger zu bemerken.

Prof. Dr. Dominik Schneider leitet die Kinderklinik in Dortmund. © Klinikum
„Wir sehen Kinder aus dem Dortmunder Süden, die bei uns in die Klinik kommen, weil sie über eine Woche kaum geschlafen haben, sondern nur kontinuierlich Computer gespielt haben“, so Schneider: „Mit zwei, drei Stunden Schlaf.“
Diese Beobachtung ziehe sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. In Extremfällen gebe es auch Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung, Gewalt oder sogar sexuellen Missbrauch in den Familien.
9 Prozent aller Corona-Fälle betreffen Unter-15-Jährige
Falls Kinder mit dem Coronavirus infiziert werden, erkranken sie nicht so schwer an Covid, wie Schneider unter Berufung auf deutsche wie internationale Studien berichtet.
Allerdings wurden durchaus auch Infektionen in Schulen gesehen: „Es gibt natürlich auch in Einzelfällen mal kleinere oder größere Ausbrüche in Schulen. Das ist aber insgesamt selten“, sagt der Klinik-Direktor. Rund 9 Prozent aller bekannten Corona-Fälle in Dortmund betreffen laut Robert-Koch-Institut Kinder unter 15 Jahren.
Schulen seien seiner Ansicht nach „nicht so der Treiber der Pandemie“. Gleichwohl wisse man noch nicht, wie sich die neue Mutante des Virus auswirken wird. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin habe „sehr früh Maßnahmen empfohlen, die einen sicheren Schulbetrieb ermöglichen sollen“. Wichtig sei es unter anderem, verlässliche feste Gruppen zu schaffen und auch den Schulweg sicher zu gestalten.
Schneiders Ansicht nach sei es richtig, Schulen und Kitas zum Ende des aktuellen Lockdowns „prioritär“ zu öffnen - also beispielsweise vor Geschäften des Einzelhandels.