Mehr Dortmunder gehen ins Pfandhaus Maurice Schuhmacher bekommt längst nicht mehr nur Schmuck

Dortmunder setzten auf Pfandhäuser: „Es gibt spürbar mehr Neukunden.“
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Die Inflation sowie steigende Energie- und Heizkosten zwingen auch Dortmunder zunehmend dazu, ihr Hab und Gut in die Leih- und Pfandhäuser zu bringen. Zumindest spüren sie dort einen gestiegenen Andrang, wie es auf Nachfrage der Redaktion heißt: „Der Zulauf ist erhöht“, sagt Maurice Schumachers vom gleichnamigen Pfandhaus an der Reinoldistraße. „Es gibt spürbar mehr Neukunden.“

Zwar könne Schumachers keine Zahlen nennen, die den erhöhten Zulauf verdeutlichen. Doch eine steigende Geldnot ließe sich auch an den Wertgegenständen ausmachen, die die Kunden in die Leihhäuser bringen. Denn bisher sei es vor allem Schmuck und Gold gewesen, das die Menschen verpfändeten.

Fahrräder statt Schmuck

Mittlerweile gehe es aber auch um Technik oder Vehikel, welche eingereicht werden: Notebooks, Konsolen oder Smartphones, aber auch E-Roller oder Fahrräder. „Es steigt in jedem Bereich“, sagt Schumachers.

Ein Problem dabei ist, dass insbesondere technische Geräte wie Smartphones anders als etwa Gold einem Wertverlust ausgesetzt sind: Sobald ein neues Modell auf den Markt kommt, sinkt der Wert für ältere Apparate. „Der Goldkurs kann sich zwar auch ändern, ist aber stabil geblieben“, erklärt Schuhmachers.

Dreimonatige Frist

Es sei aber so geblieben, dass die Kunden in der Regel ihre verpfändeten Wertgegenstände wieder abholen, so Schumachers: „Es ist immer noch eine sehr hohe Abholquote.“ Die gesetzliche Frist der Pfandabholung liegt bei drei Monaten. Frühestens nach sechs Monaten wird das Pfandgut versteigert, wenn der Besitzer es nicht auslöst.

Im Pfandhaus Schuhmachers haben sie es so geregelt, dass die Kunden zum Teil bis zu zehn Monate Zeit haben, um ihr Hab und Gut wieder abzuholen. „Wir versuchen es so zu machen, dass die Kunden die Möglichkeit haben, es am Ende wieder abzuholen“, sagt Schumachers.

Offen ist allerdings, ob vor dem Hintergrund der weiter steigenden Inflation sowie stagnierenden Reallöhnen auch in diesem Zeitfenster alle Kunden das Geld für die Abholung aufbringen können. „Wenn die Leute am Ende nicht mehr das Geld haben, ist das zu befürchten“, meint Schuhmachers.

Wie nach Finanzkrise 2008

Ähnlich sieht es Manuel Alonso, der ein Pfandhaus an der Brückstraße betreibt. Zwar beziffert er die Auslösesquote in seinem Haus bei 90 bis 94 Prozent, sodass nur fünf bis sechs Prozent der Wertgegenstände am Ende versteigert werden.

Doch in seinem Pfandhaus haben die Kunden vier Monate Zeit, um ihre Wertgegenstände wieder abzuholen. „Die Auswirkungen sieht man also erst später.“ Sie könnten in diesem Winter stärker ausfallen, da mehr Menschen in sein Pfandhaus kommen, so Alonso: „Wir spüren, dass neue Kunden zu uns kommen.“

Er vergleicht die aktuelle Situation in seinem Pfandhaus mit den Auswirkungen der Finanz- und Bankenkrise von 2008 bis 2010: „Wir erleben derzeit eine gleiche Dynamik wie damals“, so Alonso. „Es war auch damals eine Zeit, in der die Leihhäuser eine Hochkonjunktur hatten.“

„Das spielt uns in die Hände“

Alonsos Einschätzung zufolge habe sich seit dem Frühjahr der Kundenandrang um 15 bis 25 Prozent erhöht. Der Pfandleiher nennt auch die Erhöhung des Leitzinses um zuletzt 2 Prozent als Grund für den stärkeren Andrang in seinem Haus.

Denn die Maßnahme der EZB wirkt sich auch auf die Zinsen von Dispokrediten aus. Will heißen: überziehen Bankkunden ihr Konto, so kommen deutlich höhere Zinskosten auf sie zu. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich viele für das Leihhaus, so Alonso: „Das spielt uns in die Hände, da sind wir attraktiver.“

Eine ähnliche Einschätzung hört man in dieser Hinsicht auch von Schumachers: „Es sind keine richtigen Schulden, die man bei uns macht.“ Denn, so Schumachers: „Es entsteht kein Druck, dass man etwas zurückzahlen muss oder dass ein negativer Schufa-Eintrag folgt.“ Im schlimmsten Fall drohe eben einer Versteigerung der verpfändeten Wertgegenstände.

Trotzdem mehr Dispokredite

Trotzdem greifen viele auf Dispokredite zurück, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Sparkasse erkennt bei der „Nutzung von Dispositionskrediten einen leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr“, so Sophie Donat von der Sparkasse Dortmund, die zugleich betont: „Grundsätzlich ist eine Kontoüberziehung keine Lösung, um den täglichen Bedarf zu finanzieren.“

Auch bei der Verbraucherzentrale hat man auf dem Schirm, dass sich wegen der Inflation vermehrt Menschen durch Dispokredite über Wasser zu halten versuchen. Das Problem: Schuldnerberatungen konsultierten die Menschen erst deutlich später, wie Kolja Ofenhammer, Referent für Kredit und Entschuldung bei der Verbraucherzentrale NRW erklärt: „In der Regel kommen die Menschen erst später zur Schuldnerberatung.“

Grundsätzlich sei es aus seiner Sicht ohnehin nicht der richtige Weg, über Dispokredite den Lebensunterhalt zu bestreiten – vor allem mit Blick auf die steigenden Zinsen: „Es kann zu einer dauerhaften Verschuldung führen.“

Maurice Schumachers: „Der Zulauf ist erhöht“
Maurice Schumachers: „Der Zulauf ist erhöht“ © Benjamin Trilling

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