Forderung nach 8 Prozent mehr Lohn für 12.000 Arbeiter Verkraften Dortmunds Betriebe das?

Tarifkonflikt in der Metallindustrie: Betriebe vor 24 Stunden-Streiks?
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Acht Prozent mehr Lohn über eine Laufzeit von 12 Monaten, fordert die IG Metall im laufenden Tarifkonflikt. Die Arbeitgeber bieten eine Einmalzahlung von 3000 Euro netto über 30 Monate sowie eine bislang nicht bezifferte Erhöhung der Lohntabellen.

Betroffen sind in Dortmund und Umgebung rund 12.000 Beschäftigte in knapp 40 Betrieben. Ernst Peter Brasse, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung, streitet mit Ulrike Hölter, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Ruhrgebiet Mitte.

Warum acht Prozent Lohnplus?

„Bei einer Inflationsrate von zuletzt 10,4 Prozent mit enorm hohen Energiepreisen und deutlich steigenden Lebenshaltungskosten ist ein Plus von acht Prozent inzwischen mehr als angemessen“, argumentiert Hölter.

Schließlich habe sich die IG Metall während der Coronakrise mit Lohnforderungen sehr zurückgehalten.

„Es kann aber nicht Aufgabe der Unternehmen sein, für den Inflationsausgleich der Arbeitnehmer zu sorgen“, widerspricht Brasse. Dafür gebe es Unterstützungsleistungen des Staates, die bei den Tarifverhandlungen nicht außer Acht gelassen werden dürften.

Zumal auch die Unternehmen unter den Energiepreisen und steigenden Kosten beispielsweise für Vorprodukte zu leiden hätten. „Wir stehen am Fuß einer Rezession“, sagt Brasse. 2023 werde es kein Wachstum mehr geben.

Verkraften die Betriebe das?

Eine Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten habe gezeigt, dass die Auftragslage in 75 Prozent der Unternehmen „stabil“ sei, sagt Hölter. „Sicherlich gibt es einzelne Betriebe, die Schwierigkeiten haben“, räumt die Gewerkschafterin ein. Für die könne man aber Einzellösungen entwickeln. Insgesamt seien die „Prognosen eher gut.“

Die Umfrage stamme aus Mai 2022, kontert Brasse. Seitdem sei die Lage „eher schlechter“ geworden. Es sei eine deutliche Spreizung zwischen Unternehmen zu verzeichnen. Einem Teil gehe es gut, anderen dagegen zunehmend schlechter. Hohe Lohnforderungen führten dazu, dass immer mehr Betriebe die Tarifbindung verließen.

„Die Investitionen am Standort Dortmund gehen bereits zurück, das ist ein echtes Alarmzeichen“, warnt Brasse. Man müsse bedenken, dass unsere Industrie mit Staaten konkurriere, die keine Energiekrise haben.

Was ist mit Sonderzahlungen?

„Dass die Arbeitgeber das Urlaubs- und Weihnachtsgeld infrage stellen, finde ich gruselig“, sagt Hölter. Das sei mit der IG Metall nicht zu machen. Zudem solle es Einschnitte bei Sonderzahlungen wie dem tariflichen Zusatzgeld geben, wenn der Gewinn unter eine bestimmte Marge sinke.

In all diesen Fällen soll das automatisch und ohne Zustimmung der Gewerkschaft geschehen, kritisiert Hölter. Dagegen biete die IG Metall an, in einem Krisenfall gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

Genau das wollen die Arbeitgeber vermeiden. „Beim tariflichen Zusatzgeld benötigen wir eine dauerhafte und automatische Differenzierung“, bekräftigt Brasse. Ohne erst Gespräche mit der IG Metall führen zu müssen. Das tarifliche Zusatzgeld allein (360 Euro/Jahr) reiche nicht. Deshalb müsse auch über eine „Variabilisierung“ beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld gesprochen werden. „Zusatzleistungen müssen an die wirtschaftliche Entwicklung eines Betriebes gekoppelt werden“, sagt Brasse.

Der Tarifkonflikt spitzt sich zu: Ulrike Hölter (IG Metall) und Ernst-Peter Brasse (Unternehmensverband Metallindustrie) im Streitgespräch.
Der Tarifkonflikt spitzt sich zu: Ulrike Hölter (IG Metall) und Ernst-Peter Brasse (Unternehmensverband Metallindustrie) im Streitgespräch. © Schaper

Was wollen die Arbeitgeber?

Abgesehen von der Einmalzahlung von 3000 Euro habe die Arbeitgeberseite nach Verhandlungsrunden kein Angebot für eine tabellarische Lohnsteigerung gemacht und keine einzige Zahl vorgelegt, kritisiert Hölter. „Das ist fast schon Arbeitsverweigerung“, sagt die Gewerkschafterin.

3000 Euro für eine Laufzeit von 30 Monaten komme einem Plus von gerade mal zwei Prozent gleich.

Brasse widerspricht: Es sei zwar keine Prozentzahl genannt worden. Zuletzt sei vonseiten der Arbeitgeber aber signalisiert worden, für eine Erhöhung der Lohntabellen offen zu sein. „Damit ist die Tür doch geöffnet.“ Nun sei die IG Metall am Zug. Er könne nur an die Vernunft der Beteiligten appellieren, sich aufeinander zuzubewegen. „Aber“, sagt Brasse, „Inflation und Rezession ohne Reallohnverluste zu überstehen, das werden wir nicht hinkriegen.“

Gibt es weitere Streiks?

Am Donnerstag, 17.11., soll in Baden-Württemberg die fünfte Verhandlungsrunde stattfinden. Dort sind bereits häufiger Pilotabschlüsse erzielt worden. Flankierend kündigt die IG Metall für diesen Tag neue Warnstreiks an. Laut Hölter sollen „rund 1000 Beschäftigte“ um 11.15 Uhr vor das Haus der Unternehmerverbände an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße 14 ziehen und Druck machen.

Sollte es auch in der fünften Runde keine Ergebnisse geben, werde die Gewerkschaft mit 24-Stunden-Warnstreiks beginnen – und gegebenenfalls über unbefristete Streiks abstimmen lassen. Möglich sei auch „eine Kombination aus beidem“, so Hölter.

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