Vor dem Impfbus auf dem Ikea-Parkplatz hat sich am Montag (18.10.) eine lange Schlange gebildet. Die Menschen stehen für eine Impfung an, ihre Gründe dafür unterscheiden sich allerdings.

© Lukas Wittland

„Ich mach das nur wegen Disco“ – Warum sich manche erst jetzt impfen lassen

rnCorona-Impfung

Corona-Impfstoff ist schon lange zur Genüge verfügbar, warum lassen sich Menschen erst jetzt impfen? Wir haben mit Wartenden vor dem Dortmunder Impfbus über ihre Gründe gesprochen.

Dortmund

, 19.10.2021, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit dem 7. Juli hatten alle Dortmunder die Möglichkeit, sich im Impfzentrum der Stadt ohne Termin impfen zu lassen. Impfstoff, der vorher rar war, stand zur Genüge zur Verfügung. Trotzdem stockt das Impftempo. Mittlerweile sind 71,22 Prozent (Stand 15.10.) der Dortmunder vollständig geimpft. Warum haben sich viele Menschen erst so spät impfen lassen oder warum tun sie es erst jetzt?

Das haben wir die Menschen gefragt, die am Montagvormittag (18.10.) vor dem Impfbus auf dem Ikea-Parkplatz im Indupark in einer langen Schlange für die Vakzine von Biontech, Moderna und Johnson & Johnson anstanden.

„Bei der Arbeit haben sie uns die Impfung nahegelegt“

Eine von ihnen ist Marilyn Müller. Ihr Grund, sich nicht impfen zu lassen, liegt in der Baby-Trage, die sie auf dem Boden abgestellt hat. Vor drei Monaten ist die 30-Jährige Mutter geworden. Während ihrer Schwangerschaft gab es noch keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission für Schwangere. Auch die Stillzeit habe sie noch abwarten wollen. „Da die jetzt vorbei ist, lasse ich mich impfen.“

Weniger Sorgen wegen des Coronavirus machen sich zwei junge Männer, die in der Schlange warten. Impfen lassen will sich nur einer von beiden. „Ich würde es eigentlich nicht machen, aber bei der Arbeit haben sie uns nahegelegt, dass wir uns impfen lassen sollten“, sagt er. Dazu hing aus, wo man das kann. Jetzt mache er es halt. Sonst stünde er wohl nicht hier. „Wenn ich irgendwohin wollte, habe ich immer einen Test gemacht. So ist die Impfung ja nicht nötig“, findet er.

Jetzt lesen

Das sieht auch sein Freund Orkan Yilmaz so, der mit ihm wartet. „Ich brauche das nicht für die Arbeit“, sagt der 19-Jährige. „Meine Kumpels sind alle geimpft, meine Familie auch fast komplett.“ Er habe da seine Zweifel beim Impfstoff gehabt. Dabei habe sein Arzt ihm zu einer Impfung geraten, weil er Asthma habe. Jetzt sehe er einfach nicht die Notwendigkeit. „Ich werde ihn nicht dazu überreden“, sagt sein Freund.

Eine Wartende fühlt sich als „Mensch zweiter Klasse“

„Ich kann Ihnen auch etwas dazu sagen, warum ich hier stehe“, ruft eine Frau, die etwas weiter hinten wartet. „Ich lasse mich heute impfen, weil ich den Druck nicht mehr aushalte.“ Von Impffreiheit könne ihrer Meinung nach keine Rede sein. Sie fühle sich wie ein Mensch zweiter Klasse, sagt Marta G., weil sie für alles einen Impfnachweis brauche.

Jetzt lesen

Bei ihrem Urlaub in Timmendorf sei an vielen Orten 2G gewesen. Dort habe sie in manchen Restaurants nicht auf die Toilette gehen können. „Ich fühle mich ausgeschlossen und in meinem Leben eingeschränkt“, sagt die 64-Jährige.

Wegen des Coronavirus mache sie sich keine Sorgen. Sie habe schließlich ein starkes Immunsystem und nehme täglich Nahrungsergänzungsmittel, in denen unter anderem verschiedene Vitamine, Aminosäuren und Eisen enthalten seien. „Das ist alles, was ich brauche“, sagt die 64-Jährige. Impfen ließe sie sich wie ihr Partner, der mit ihr wartet, jetzt nur, weil der gesellschaftliche Druck so hoch sei.

Frau Gallmeister will vier Wochen Krankenhaus nicht wieder erleben

Frau Gallmeister hat für Menschen, die das Virus nicht ernst nehmen und sich deshalb nicht impfen lassen wollen, kein Verständnis. Sie habe lange darauf gewartet, sich impfen zu lassen, erzählt die 60-Jährige, die am Zelt vor dem Impfbus auf ihrem Rollator sitzt.

Die erste Impfung habe sie bereits im April erhalten, dann habe sie sich mit dem Coronavirus infiziert. Vier Wochen habe sie im Krankenhaus gelegen, zeitweise sei sie beatmet worden. Danach habe sie weitere vier Wochen zu Hause im Bett verbracht.

Jetzt lesen

Heute bekomme sie noch immer nur schwer Luft. Außerdem könne sie immer noch nicht wieder riechen und schmecken, sagt sie. „Das ist furchtbar. Ich wünsche das niemandem.“ Nach ihrer Ansteckung musste sie sechs Monate warten, bis sie wieder geimpft werden kann. „Ich habe Angst, wieder zu erkranken und bin froh, dass ich mich hier sofort ohne Termin impfen lassen kann.“

Ein anderer Wartender hatte es weniger eilig: „Vorher habe ich es immer aufgeschoben. Ich arbeite hier nebenan und jetzt mache ich es dann mal.“ Darüber, welchen Impfstoff er bekommen möchte, habe er sich noch keine Gedanken gemacht, sagt der Mann. Er wolle sich gleich beraten lassen.

Wartezeit führt zum Sinneswandel

Leon Stanczyk hat da aufgrund seines Alters weniger Auswahl beim Impfstoff. Für den 14-Jährigen ist bislang nur der Impfstoff von Biontech zugelassen. Sein Hausarzt impfe nicht, sagt seine Mutter Anna Stanczyk, die ihren Sohn begleitet. „Ich hatte vorher davon gelesen und finde gut, dass das so einfach möglich ist.“ Die Zweitimpfung werden sie wahrscheinlich wieder am Impfbus machen lassen, sagt die Mutter.

Leon Stanczyk wartet am Montag (18.10.) vor dem Impfbus auf seine Impfung. Seine Mutter Anna Stanczyk begleitet ihren Sohn.

Leon Stanczyk wartet am Montag (18.10.) vor dem Impfbus auf seine Impfung. Seine Mutter Anna Stanczyk begleitet ihren Sohn. © Lukas Wittland

Sie ist nicht die einzige Erwachsene, die ihr Kind begleitet. Andere Eltern berichten das Gleiche wie Anna Stanczyk. Es sei nicht so leicht, einen Hausarzt zu finden, der auch Jugendliche impfe, deshalb stünden sie nun am Impfbus, weil es unkomplizierter sei. Dafür nehmen sie auch längere Wartezeiten in Kauf.

Und offenbar kann die Wartezeit auch dazu beitragen, noch einmal über die Sinnhaftigkeit einer Impfung nachzudenken. Orkan Yilmaz, der ein paar Minuten zuvor die Impfung noch als nicht notwendig erachtet hat, hat nun eine Impfmappe in der Hand. Warum? „Wenn ich schon mal hier bin, kann ich ja auch. Aber ich mach das nur wegen Disco.“

Jetzt lesen

Stopps des Impfbusses

Der Impfbus ist auch weiterhin in Dortmund unterwegs. Interessierte können sich ohne Termin impfen lassen. Sie müssen dafür nur den Personalausweis mitbringen und (wenn vorhanden) den Impfpass. An diesen Orten hält der Impfbus unter anderem: Dienstag (19.10.): EWZ GmbH, Evinger Platz 11, 9 bis 15 Uhr Mittwoch (20.10.): Hansa Markt, Hansaplatz, 8 bis 15 Uhr Donnerstag (21.10.): Wochenmarkt Scharnhorst, Buschei, 8 bis 13.30 Uhr Montag (25.10.): Fußballmuseum, Platz der Deutschen Einheit, 10 bis 15.00 Uhr Dienstag (26.10.): Nordmarkt, 8 bis 13.30 Uhr Mittwoch (27.10.): Edeka Patzer, Eichwaldstr. 9, 8 bis 15 Uhr Donnerstag (28.10.): Lidl Kirchlinde, Kirchlinder Str. 1, 8 bis 15 Uhr Weitere Stopps des Impfbusses finden Sie auf der Seite der Stadt unter: dortmund.de
Lesen Sie jetzt