Letzte Ausschuss-Sitzung, letzter Gestaltungsbeirat, letztes Forum Stadtbaukultur – Planungsdezernent Ludger Wilde ist gewissermaßen auf Abschiedstour und kassiert überall viel Lob für seine Arbeit. Bis zum 14. Februar ist sein Terminkalender voll. Dann geht er nach 37 Jahren in Diensten der Stadt, davon acht als Dezernent, in den Ruhestand.
2017 sind Sie mit dem Cityring ausgezeichnet worden. Ein hohes Zeichen der Anerkennung. Dabei waren Sie da als Dezernent erst zwei Jahre im Amt. Jetzt sind es acht Jahre. Hat die Zeit gereicht, um eigene Zeichen zu setzen?
Die Arbeit begann ja nicht erst 2015, ich habe ja schon als Planungsamtsleiter viele Projekte betreut, die in die Zeit als Dezernent hineinliefen. Ein Aushängeschild ist da natürlich der Phoenix-See zusammen mit Phoenix-West und dem Zentrum Hörde. Weiteres Schwerpunktprojekt war der Komplex Westfalenhütte mit dem gewerblichen Bereich, mit dem Wohnungsbau an der Stahlwerkstraße und dem Grünen Ring, der dann ab 2024/25 realisiert wird.
Wichtig sind natürlich auch die Wohnbauprojekte wie im Kronprinzen-Viertel und im Umweltbereich das Handlungskonzept zum Thema Klima-Luft. Das reicht vom Dachflächen-Begrünungsprogramm bis zum Ausbau regenerativer Energien.

Aber – wenn wir jetzt nochmal an den Cityring denken – auch die City spielte ja mit dem City-Konzept eine wichtige Rolle. Wie ist das aus ihrer Sicht vorangekommen?
Das City-Konzept trägt nach wie vor. Was wunderbar umgesetzt wurde, ist das Projekt Emissionsfreie Innenstadt mit vielen Einzelmaßnahmen vom Radwall über Fahrrad-Stellplätze bis zu Begrünungsmaßnahmen. Da ist vieles passiert. Was noch zu tun ist, ist die Umgestaltung der Kampstraße.
Was wehgetan hat, sind die Folgen der Corona-Zeit in der City mit der Wahrnehmung der City als leere befestigte Fläche. Hier sind wir daran, auch mit temporären Formaten die Flächen wieder zu beleben.
Die Umgestaltung des Marienkirchplatzes ist eine weitere wichtige Aufgabe in der City-Entwicklung.
Das Umweltamt hat unter Klimaaspekten interessante Vorschläge für mehr Grün in der City gemacht. Welche Chancen auf Realisierung hat das?
Die City ist heute bei stabilen Hochdruckwetterlagen eine Hitzeinsel. Das muss sich ändern. Temporäre und schnell umsetzbare Formate wie der Paradiesgarten an Reinoldi können Abhilfe schaffen. In diesem Jahr soll es einen weiteren Paradiesgarten an der Petrikirche geben. Weitere Maßnahmen sind mit dem Fachbereich Grün in der Verwaltung verabredet.
Zur Internationalen Gartenausstellung IGA 2027 wollen wir ja nicht nur den Kernbereich rund um die Kokerei Hansa, sondern auch die City grün präsentieren. Auch die privaten Eigentümer sind aufgefordert, Dächer oder Fassaden zu begrünen.

Über die City hinaus gab es viele große Städtebau-Projekte. Sind Sie damit zufrieden?
Ja. Wenn ich auf 37 Jahre zurückblicke. Angefangen hat es für mich mit dem sehr erfolgreichen Uni-Umland-Projekt. Ich habe in dieser Zeit einen historischen Wandel der Stadt vom Industriestandort zur Dienstleistungs- und Wissenschaftsstadt miterlebt. Die Entwicklung alter Bergbau-Flächen wie Gneisenau oder Minister Stein, die ehemalige Stahlwerksfläche Phoenix, die Stadtkrone-Ost, das Areal der Westfalenhütte und die Speicherstraße am Hafen zeugen davon.
Bislang lagen die großen Leuchtturm-Projekte im Süden der Stadt. Viele im Norden fühlten sich da zurückgesetzt. Hat das Projekt „Nordwärts“ da etwas bewegt?
Ja, das hat es. Das Projekt „Nordwärts“ ist nach wie vor richtig und wichtig als Bekenntnis zu Schwerpunktsetzung im Norden der Stadt. Es gibt viele Entwicklungen im Norden von der IGA über die HSP-Fläche, die Westfalenhütte und den Hafenbereich, die Stadterneuerungsmaßnahmen in der Nordstadt und Westerfilde. Den Norden der Stadt haben wir ausdrücklich im Fokus.
Ein für Sie wichtiges Anliegen ist der Wohnungsbau. Sie haben das Ziel von 2000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben. Das ist – was die Genehmigungen angeht – wohl auch zwei Jahre hintereinander erreicht. Wie zufrieden sind Sie da?
Wer die aktuelle Situation kennt, weiß, dass wir einen angespannten Wohnungsmarkt haben, dass wir einen hohen, bislang nicht ausreichend gedeckten Bedarf an preiswertem Wohnraum haben. Da kann man nicht zufrieden sein.
Im Augenblick gibt es beim Wohnungsbau eine deutliche Delle aufgrund der Zins- und Materialsituation. Da wird die Umsetzung des 2000er-Ziels für 2023 schwierig werden. Aber an dem Ziel muss die Stadt festhalten und nach Lösungen suchen. Eine ist, zu sagen: Wir bauen als Stadt jetzt selbst. Mit der neugegründeten Stadtentwicklungsgesellschaft wird das aktuell verfolgt.
Vieles dauert dem Gefühl nach sehr lange. Ich denke da an die Bebauungspläne etwa für die Fläche DSW oder Sckellstraße. Wo hakt es da?
Es gibt schnelle und langsame Bebauungsplanverfahren. Das hängt immer sehr davon ab, wie komplex die Regelungsbedarfe bei solchen Vorhaben sind.
Das Gleiche gilt für Verkehrsprojekte. Es geht zu langsam, sagen etwa die Radler. Von der Verwaltung heißt es immer, wir haben zu wenig Personal. Hätte man da nicht eher vorsorgen müssen?
Ja. Der Personalbedarf insbesondere für die Umsetzung ist weiterhin groß. Inzwischen ist es gelungen, weiteres Personal zu gewinnen. Der Umsetzungstakt ist jetzt schneller geworden. Und in diesem Jahr wird sich da einiges tun.
Die Stadt hat sich immer gegen Popup-Radwege gesperrt. Jetzt soll es sie am Wall geben. Warum nicht auch anderswo?
Wir haben immer gesagt, die begrenzten Personalkapazitäten sind in die Projekte zu investieren, die endgültig fertigzustellen sind und nicht in Pop-up-Formate. Am Wall wird es mehr als nur Pop-up geben. Der Wall ist ein Schlüsselelement im Radverkehrsnetz. Da kommen die Velorouten aus den Stadtbezirken an. Damit ist er ein Verteilerring für den Radverkehr in der City.
Im östlichen Teil haben wir jetzt ein gutes Format mit dem Radwall, im westlichen Bereich haben wir es noch nicht. Da jetzt in einer ersten Stufe ranzugehen, ist sehr richtig. Einfach wird das nicht.
Sie sind jüngst gescheitert, mit dem Anliegen Planungs- und Bauordnungsamt wieder zu trennen.
Ich halte es für richtig. Als scheidender Dezernent mit den Erfahrungen der letzten Jahre, bin ich sicher, dass die Teilung des Amtes gut wäre. Davon würde beide Bereiche profitieren. Das Thema wird meinen Nachfolger beschäftigten.

Gibt es sonst Tipps oder Ratschläge für Ihren Nachfolger?
Ich wünsche mir natürlich, dass an den Projekten und Konzepten, die an den Start gebracht wurden, weitergearbeitet wird. Das gilt etwa für das Programm Klima-Luft, die Stadterneuerungs- und Planungsprojekte. Ich hoffe, dass das Land in Sachen HSP-Entwicklung und FH-Umsiedlung eine schnelle Entscheidung trifft. Das wird sicherlich das neue zentrale Stadtquartier, das die Stadt in den nächsten zehn Jahre prägen wird. Wichtig ist auch, dass das nördliche Bahnhofsumfeld wie geplant entwickelt werden kann.
Und was kommt für Sie im Ruhestand?
Schauen wir mal. Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt nur die Füße hochzulegen oder Rasen zu mähen. Was ich sicherlich am meisten vermissen werde, ist das Team der Kolleginnen und Kollegen des Dezernats 6. Ich hatte das große Glück, immer tolle Leute um mich zu haben.
- Ludger Wilde, 1957 in Lüdinghausen geboren, hat an der Uni Dortmund Raumplanung studiert und kam nach einem Städtebau-Referendariat in Münster im September 1986 als Stadtplaner zur Stadt Dortmund.
- 2015 wurde er nach mehreren Jahren als Leiter des Planungs- und Bauordnungsamtes Dezernent für Planung, Umwelt und Wohnen. Er war damit zuständig für das Umweltamt, das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, das Vermessungs- und Katasteramt, das Amt für Wohnen und das Amt für Stadterneuerung.
Klimabeirat setzt Stadtverwaltung unter Druck: Wer sind Dortmunds neue Klima-Tempomacher?
Wechsel bei den Stadtspitzen: Dortmunds künftiger Chef-Stadtplaner steht nun fest
Ludger Wilde zur Wohnungssituation: „Weiter angespannte Lage in Dortmund“