Halterin kassierte 3000 Euro von Versicherung, Tier wurde aber nicht operiert

Bulldogge wurde mit Trümmerbruch ausgesetzt

Die Bulldogge Emma wurde in Dortmund verletzt ausgesetzt, nachdem sie eine Odyssee durch süddeutsche Tierkliniken erlebte. Obwohl die Halterin 3000 Euro von der Versicherung kam, wurde Emma aber nicht operiert. Hinter der Verletzung verbirgt sich ein böser Verdacht.

DORTMUND

, 23.02.2018, 16:51 Uhr / Lesedauer: 3 min
Emma, die früher Fanta hieß, hat nach der Operation ihres Trümmerbruchs Schrauben und Nägel im linken Vorderbein, um die Knochen zu stabilisieren.

Emma, die früher Fanta hieß, hat nach der Operation ihres Trümmerbruchs Schrauben und Nägel im linken Vorderbein, um die Knochen zu stabilisieren.

Emma humpelt zwar auf drei Beinen, doch das Martyrium, das die französische Bulldogge hinter sich hat, merkt man der freundlichen Hündin nicht an. Sie war am 29. Dezember mit einem komplizierten Trümmerbruch im Vorderlauf in Hacheney ausgesetzt worden. Die Schmerzen, die sie vier Wochen lang gehabt haben muss, kann man nur erahnen. Nach und nach kommt ans Licht, wer und was dahinterstecken könnte.

Ende Januar berichtete diese Zeitung über Emma, verbunden mit einem Zeugenaufruf der Dortmunder Tierschutzorganisation Arche90. Die Online-Version des Artikels erreichte die Tierärztliche Klinik Gessertshausen in Augsburg. Dort schrillten die Alarmglocken. Tierarzt Markus Krause erinnert sich gut an den verletzten Hund und den Mann, der Emma – damals hieß sie Fanta – vorgeführt hatte mit der Bitte um einen Kostenvoranschlag für die Behandlung. Er wolle ihn bei der Versicherung einreichen.

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Da man die OP dort nicht machen konnte, wurde der Mann an eine tierärztliche Fachklinik in Augsburg überwiesen. Kurz drauf erhielt Krause einen Anruf von dieser Klinik, die ihn warnte, er solle „vorsichtig sein“. Tierärztliche Kollegen hätten den Mann schon vor zwei Jahren wegen eines sehr ähnlichen Falls angezeigt, berichtet Krause. Nach Informationen dieser Zeitung handelte es sich dabei ebenfalls um einen Trümmerbruch bei einem Retriever-Welpen.

Für Bulldogge Emma gab es sogar einen OP-Termin

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der Mann mit Emma mindestens vier Tierkliniken im süddeutschen Raum wegen eines Kostenvoranschlags aufgesucht hat. Krause: „Der hat ziemlich alle Kliniken im Umfeld abgeklappert.“ Wo er nicht bekam, was er wollte, soll er laut geworden sein. Und er habe immer wieder etwas anderes zur Ursache des Trümmerbruchs erzählt. Einmal sei Fanta die Treppe heruntergefallen, ein anderes Mal habe sie ihre Pfote in der Terrassentür eingeklemmt. Einmal habe der Vorfall drei Tage zurückgelegen, dann wieder eine Woche.

An der Tierklinik Haar in München soll bereits ein OP-Termin anberaumt gewesen sein. Zu dem ist der Mann aber nicht erschienen. Einen Tag später soll er am Telefon sinngemäß Folgendes erklärt haben: Es gebe so viel Elend auf der Welt, und es sei seine Entscheidung, den Hund operieren zu lassen oder nicht.

Halterin erhielt 3000 Euro von Versicherung für Bulldogge

Dr. Stefan Scharvogel von der Tierklinik Haar verweist auf seine Schweigepflicht, erklärt aber zur Frage, ob der Fall ihm etwas sage: „Ja.“ Emma hatte zur Identifizierung einen Mikrochip unter der Haut implantiert. Der wurde in einer der Tierkliniken ausgelesen. Über ein zentrales Haustierregister konnte so ihre Halterin ermittelt werden¨– eine junge Frau aus Königsbrunn.

Gegenüber dieser Zeitung erklärte diese Frau vergangene Woche, bei dem Mann handle es sich um ihren Freund. Die Hündin sei auf der vereisten Treppe zu seiner Souterrainwohnung „ausgerutscht“ und habe sich die Pfote gebrochen. Mithilfe eines Kostenvoranschlags habe sie 3000 Euro von der Versicherung ihres Freundes bekommen.

Da sie sich nicht selbst habe kümmern können, habe sie ihrem Freund das Geld gegeben und ihn gebeten, für die Behandlung zu sorgen. Sie sei „baff“, sagte sie – zwei Monate nach dem „Ausrutscher“ –, dass das nicht geschehen sei. Sie wolle sich jetzt kümmern.

„Irgendetwas vorgefallen“

Bei nochmaliger Nachfrage sagte sie am Donnerstag zunächst, sie habe ihren Freund nicht erreicht, erklärte dann, das Telefonat sei abgebrochen und räumte schließlich ein: „Er war selbst in Dortmund, dort soll irgendwas vorgefallen sein. Mehr weiß ich nicht.“

Arche90 hat Anzeige erstattet wegen Aussetzens eines Tieres. Ob die Polizei ermittelt, entscheidet die Staatsanwaltschaft. Dort war der Fall bis Freitag noch nicht angekommen. „Der Tatort ist entscheidend“, erläutert Staatsanwalt Henner Kruse. Die Aussetzung allein erfülle noch keinen Straftatbestand.

Bußgeld bis zu 25.000 Euro für Aussetzen eines Hundes

Das sieht Peer Fiesel, Dortmunder Rechtsanwalt und Präsident des Landestierschutzverbandes NRW, anders. Einen Hund auszusetzen, sei ein „strafbarer Akt. Das würde ich verfolgen“. Laut Bußgeldkatalog kann allein für diese Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld bis zu 25.000 Euro fällig werden.

Arche90 will Privatklage gegen die Halterin und ihren Freund erheben. Zudem steht der böse Verdacht im Raum, dass Emma – und möglicherweise nicht nur ihr – für einen Versicherungsbetrug der Knochen zertrümmert wurde.

Für die Behandlungskosten von Emma haben viele Dortmunder gespendet. Sie ist in einer Pflegestelle untergebracht, wo sie wohl dauerhaft bleiben wird, und macht nach ihrer Operation Fortschritte. Trotzdem sei die Tierärztin nur verhalten optimistisch, sagt Sabine Keller von Arche90. Noch bestehe die Gefahr einer weiteren Operation, bei der Emmas Vorderbein versteift werden müsste.

Die Frage, ob bei geschädigten Tieren die Haftpflichtversicherung zahlt, lässt sich laut Claus Rehse, Pressesprecher der Signal-Iduna, nicht pauschal beantworten. Generell gilt aber, dass sowohl die Privat- als auch die Kfz-Haftpflichtversicherung prinzipiell für die notwendigen Heilbehandlungskosten für verletzte Tiere aufkommen. Bei diesen Schadensfällen sind aber immer auch die Umstände zu berücksichtigen.

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