
Auch der teuerste Wein der Welt muss nicht unbedingt gut schmecken, findet Koch und Weinkenner Günther Overkamp. Er bricht eine Lanze für die deutschen Weine. © Dieter Menne (Archivbild)
Günther Overkamp: Auch der teuerste Wein kann nach Plörre schmecken
Kolumne „Overkamps Lecka-reien“
Deutsche Weine sind hervorragend. Glauben viele aber nicht und halten sich an Mode-Weinen fest. Der Dortmunder Koch Günther Overkamp räumt in seiner Kolumne auf mit Wein-Vorurteilen und -Irrtümern.
Mein prägendes Aha-Erlebnis in Sachen Wein hatte ich in einem Österreich-Urlaub. Aber nicht mit österreichischem Wein, sondern mit einem österreichischen Kellner. Ich blätterte die dicke Weinkarte durch und sagte: „Da fehlt eine Seite.“ Der Kellner: „Wieso? Welche?“ Ich: „Die mit den deutschen Weinen.“ Der Kellner: „Brauchen wir nicht!“
Und genau das sag ich jetzt auch immer, wenn die hartnäckigen Primitivo-, Pinot-Grigio-, Luganer- und Prosecco-Gläubigen suchend durch unsere Weinkarte blättern und mich fragend angucken: „Brauchen wir nicht!“
Overkamps Lecka-reien
Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber schreibt der Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“.Der österreichische Weinkellner hatte nämlich Recht. Wenn wir großartige Weine in unserem eigenen Land haben, die teilweise sogar viel besser sind als all das, was gerade so Mode ist und gehypt wird, dann sollten wir die auch trinken.
Der deutsche Wein gewinnt immer mehr an Qualität, weil wir in diesen Breitengraden die Nutznießer der Klima-Katastrophe sind. Bei uns wird er besser, da wo er gut ist, wird er leider schlechter.
Und Regionen wie Mosel und Franken, die von ihrer Lage her nicht gerade prädestiniert waren zu großen Weinen, werden heute international in höchstem Maße anerkannt. Und genossen. Nur wir Deutsche kapieren das sehr langsam. Wir denken immer, die anderen machen alles besser.
Sekt, der wie Champagner schmeckt
Der Italiener würde nie im Leben auf die Idee kommen, irgendwo einen Sekt zu bestellen, wo es Prosecco gibt. Und all die Prosecco-Schnösel bei uns könnten endlich mal merken, dass wir hervorragende Sekte haben.
Wir haben einen Winzersekt, der schmeckt wie Champagner, kostet aber nur halb so viel. Der wird bei Ingo Simon in Lößnich bei Bernkastel genauso hergestellt wie Champagner, flaschenvergoren, handgerüttelt und degorgiert.
Aber natürlich hat sich der deutsche Wein auch gewandelt. Erst seit 1986 dürfen ja internationale Reben angebaut werden: Chardonnay, Sauvignon blanc, Cabernet Sauvignon.
Und dann haben die Kinder der Winzer in Stellenbosch studiert und andere Weine kennengelernt und andere Verarbeitungen. Sie sind nach Hause gekommen, haben die Hälfte der Trauben abgeschnitten, damit die restlichen Trauben besser wurden. Und die Väter standen daneben und sagten: „Du machst uns kaputt.“ War aber richtig.
Für Overkamp macht ein Matthias Gaul aus der Pfalz unseren Lorenz. Da sind drin: Tempranillo, Cabernet Sauvignon und Merlot. Ich wollte mal gegen die Primitivo-Trinker anstinken. Und mit dem Lorenz müssen wir uns wirklich nicht dahinter verstecken.
Wenn der Chateau Petrus wie Rotwein-Plörre schmeckt
Aber natürlich ist beim Geschmack auch viel Psychologie. Ich hab mal, ohne es zu wissen, Chateau Petrus [einer der teuersten Weine der Welt, die Redaktion] getrunken. Da war ich in einer Gesellschaft, die das so trinkt. Gedacht habe ich: Rotwein-Plörre. Als ich dann wusste, was ich trinke, hat sich der Wein schlagartig in meinem Mund verändert. So ist das mit dem Geschmack und der Psychologie.
Und das Auge macht auch eine Menge aus: Probieren Sie mal verschiedene Weine in schwarzen Gläsern, in gleicher Kategorie, gleicher Temperatur. Sie können nicht mal unterscheiden, ob er rot oder weiß ist !
Bierstadt hat Weinkompetenz
Auch wenn wir in Dortmund einst Bierstadt Nr. 1 waren, haben wir heute Weinkompetenz. Wir haben heute viele Weinbars: z.B. Goodwineonly, Weinbarbar, Weingold, Weinkommissar, Stachelschwein, Kleiner Weinladen, Art of Wine- und bald die Weinschmiede am Ellberg.
Wir werden natürlich auch internationale Weine führen, so loyal sind wir. Aber die besten kommen von hier!
Bis denne!
In Fredeburg im schönen Hochsauerland 1968 geboren, wurde Günther Overkamp Wahl-Dortmunder durch die Liebe. Er ist Mitgeschäftsführer und Mitglied der in über 300-jähriger Tradition stehenden Gastro-Familie Overkamp. Kulinarisch bezeichnet er sich als „Westfälisches Trüffelschwein“. Er lebt mit Ehefrau Dina und drei Kindern auf dem Höchsten.