Familie Kubasik klagt gegen Thüringen

NSU-Terror

Es war eine kurze Verhandlung, die da am Dienstag vor dem Landgericht Erfurt stattfand: Nach gerade einmal 15 Minuten unterbrach der Vorsitzende Richter Christoph von Friesen die Verhandlung. Auf Schadensersatz und Schmerzensgeld hatten in dem Zivilprozess die Angehörigen von Mehmet Kubasik, der 2006 in seinem Kiosk an der Mallinckrodtstraße mutmaßlich vom NSU erschossen worden war, gegen den Freistaat Thüringen geklagt.

DORTMUND

von Tobias Großekemper

, 30.08.2017, 17:51 Uhr / Lesedauer: 2 min
Eine Gedenktafel in der Nordstadt erinnert an Mehmet Kubasik.

Eine Gedenktafel in der Nordstadt erinnert an Mehmet Kubasik. © Foto: Peter Bandermann

Mehmet Kubasik, der am 4. April 2006 zwischen 12 und 13 Uhr in seinem Kiosk in der Mallinckrodtstraße starb, war das mutmaßlich achte Opfer der Mordserie des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Vier Schüsse wurden abgefeuert, zwei trafen.

Wer die Täter waren, blieb jahrelang unklar. Erst, als sich der NSU 2011 selbst enttarnte, erfuhren die Kubasiks, wer für den Mord an ihrem Vater und Ehemann verantwortlich gemacht wurde.

Kausaler Zusammenhang zwischen Morden und Behördenversagen

Der einzigen Überlebenden des NSU-Kerntrios, Beate Zschäpe, wird vor dem Oberlandesgericht in München der Prozess gemacht, auch gab es in mehreren Bundesländern eigene NSU-Untersuchungsausschüsse, so zum Beispiel in NRW und in Thüringen.

Der Abschlussbericht des 1. Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses legte die Grundlage für die jetzt laufende Zivilklage der Familie Kubasik. In dem einstimmig verabschiedeten Bericht wurde festgestellt, dass durch die Vielzahl falscher oder nicht getroffener Entscheidungen der „Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen“ zugelassen wurde. Im Raum steht also die Frage, ob die Behörden in Thüringen durch ihr Fehlverhalten die Mordserie des NSU erst möglich gemacht hatten.

So gibt es heute unter anderem viele Fragen dazu, wie das NSU-Kerntrio in Thüringen untertauchen konnte. Und auch die sonst in Thüringen erfolgreichen Zielfahnder, die das Trio aufspüren sollten, beschwerten sich später über zu wenige und zurückgehaltene Informationen.

Suche nach Entschädigungsfond für alle NSU-Opfer

Thematisiert wurde all das in Erfurt im Gerichtssaal nicht, denn die Entschädigung aller NSU-Opfer ist in Thüringen aktuell auch ein politisches Thema. So plant die rot-rot-grüne Koalition einen Entschädigungsfond für die Angehörigen der Opfer des NSU. Wie hoch dieser Entschädigungsfond sein soll, steht noch nicht fest.

„Das Verfahren ruht“, befand dann der Richter in Erfurt. Jetzt soll zunächst abgewartet werden, in welche Richtung sich der geplante Entschädigungsfond entwickelt. Erst wenn das klar ist, ist abzusehen, ob das Verfahren Kubasik gegen Freistaat fortgesetzt wird.

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