Nach einem Jahr endete am Donnerstag (12.12.) der Fall Mouhamed Dramé am Landgericht Dortmund mit fünf Freisprüchen für die fünf angeklagten Polizeibeamten. Doch offenbar will sich die Staatsanwaltschaft mit diesem Ausgang nicht zufriedengeben. Wie der WDR berichtet, hat sie am Montag (16.12.) Revision gegen das Urteil eingelegt. Das heißt, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wird das Urteil auf mögliche Rechtsverletzungen untersuchen.
Henner Kruse, Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft, bestätigte die Revision am Montagabend (16.12.) auf Anfrage unserer Redaktion. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Überprüfung hinsichtlich des Freispruchs für den Einsatzleiter Thorsten H. Oberstaatsanwalt Carsten Dombert hatte für diesen eine zehnmonatige Haftstrafe auf Bewährung gefordert.
Der Freispruch für den Schützen, der am 8. August 2022 die tödlichen Schüsse auf den 16-jährigen Geflüchteten abgegeben hatte, bleibt davon unangetastet. Auch die Freisprüche für die Polizistinnen und den Polizisten, die Pfefferspray und Taser eingesetzt haben, beanstandet die Staatsanwaltschaft nicht. Sie entsprechen der Forderung im Plädoyer.
„Machen wir ihm zum Vorwurf“
Schon nach dem Urteil hatte Dombert angekündigt, das Urteil sorgfältig prüfen zu wollen und dann über eine Revision zu entscheiden. „Nach unserer Auffassung hat er [der Dienstgruppenleiter] sich schuldig gemacht und dieses fatale Geschehen rechtswidrig in Gang gesetzt. Das war ihm aus unserer Sicht strafrechtlich vorzuwerfen“, hatte Dombert am Donnerstag im Landgericht gesagt.
„Diese zehn Monate, die wir beantragt haben, halten wir für angemessen.“ Ohne sich einen genauen Überblick über die Situation gemacht zu haben, habe der Einsatzleiter angeordnet, das Pfefferspray einzusetzen. „Das machen wir ihm zum Vorwurf“, sagte Dombert.
Mouhamed Dramé hatte am 8. August 2022 mit einem Messer vor dem Bauch im Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gesessen – offenbar in suizidaler Absicht. Auf Anordnung des Einsatzleiters hatte eine Beamtin Mouhamed Dramé mit Pfefferspray eingesprüht, in der Hoffnung, er lasse das Messer fallen.
Nebenklage will auch in Revision gehen
Als sich der 16-Jährige daraufhin schnellen Schrittes in die einzige Richtung, die für ihn offen war, auf die Beamten zu bewegte, schossen diese mit Tasern und fast zeitgleich mit einer MP5 auf den Jugendlichen. Er starb im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. Das Schwurgericht sah den Einsatz des Pfeffersprays und die Anordnung dessen als rechtmäßig an.
Bei den Taser- und MP5-Schützen gingen die Richter davon aus, dass Mouhamed Dramé die Polizisten nicht angreifen wollte, dass sie aber irrtümlich von einem Angriff ausgehen konnten, da der Jugendliche noch das Messer in der Hand hielt. Dieser Irrtum sei nicht zu bestrafen.
Auch die Anwältin der Familie, Lisa Grüter, hatte nach dem Urteil angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Bis Donnerstag hat sie dafür noch Zeit. Lisa Grüter hatte in ihrem Plädoyer gefordert, dass neben dem Einsatzleiter auch zwei weitere Angeklagte verurteilt werden. „Mouhamed wurde mit dem Pfefferspray förmlich ins Schussfeld der Maschinenpistole hineingetrieben“, sagte sie und forderte für den Taserschützen Markus B. und die Beamtin Jeannine B., die Pfefferspray eingesetzt hatte, ebenfalls eine Verurteilung.
Nachdem nun Revision eingereicht worden ist, muss abgewartet werden, bis die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. In diesem Moment startet eine neue Frist von einem Monat. Innerhalb dieses Zeitraums muss die Revision dann begründet werden.
Im Anschluss gehen die Akten dann an den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe, wo das Urteil auf mögliche Rechtsfehler überprüft wird. Bis zu einer Entscheidung dort dürfte mindestens ein Jahr vergehen.
Am Samstag (14.12.) waren in Dortmund rund 1500 Menschen als Reaktion auf das Urteil auf die Straße gegangen und hatten ihr Unverständnis und ihre Wut über die Entscheidung des Gerichts artikuliert.
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