Fünf Freisprüche im Fall Mouhamed Dramé Die Stimmen nach dem Urteil im Polizeiprozess

Fünf Freisprüche im Fall Mouhamed Dramé: Die Stimmen nach dem Urteil im Polizeiprozess
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Im Prozess gegen fünf Polizistinnen und Polizisten nach dem Tod von Mouhamed Dramé im Jahr 2022 sind am Donnerstag (12.12.) die Urteile am Landgericht Dortmund verlesen worden. Alle Angeklagten sind freigesprochen worden.

Das sind die Reaktionen auf das Urteil:

Carsten Dombert, Oberstaatsanwalt Dortmund:

Oberstaatsanwalt Carsten Dombert hatte eine Verurteilung des Einsatzleiters gefordert.
Oberstaatsanwalt Carsten Dombert hatte eine Verurteilung des Einsatzleiters gefordert. © Karsten Wickern

„Nach unserer Auffassung hat er [der Dienstgruppenleiter] sich schuldig gemacht und dieses fatale Geschehen rechtswidrig in Gang gesetzt. Das war ihm aus unserer Sicht strafrechtlich vorzuwerfen. Diese zehn Monate, die wir beantragt haben, halten wir für angemessen. Ohne, dass er sich großartig weitere Überblicke verschafft hatte, hat er angeordnet, dass das Pfefferspray eingesetzt hat. Das machen wir ihm zum Vorwurf.

Ich halte es für immanent wichtig, dass die tragischen Geschehnisse um den Tod von Mouhamed Dramé in einem öffentlichen Verfahren rechtsstaatlich aufgearbeitet wurden. Und das war hier der Fall. Ohne Frage. Wir werden das jetzt in Ruhe und mit der gebotenen Sorgfalt prüfen und dann werden wir mal schauen, wie wir auf das Urteil reagieren.“

William Dountio, Solidaritätskreis „Justice 4 Mouhamed“:

William Dountio ist Mitbegründer des Solidaritätskreises "Justice 4 Mouhamed".
William Dountio ist Mitbegründer des Solidaritätskreises "Justice 4 Mouhamed". © Karsten Wickern

„Ich schäme mich für dieses Urteil. Sidy hat vorhin gesagt, er schäme sich für diesen Richter, er schäme sich für dieses Urteil, dass nicht einmal die Empfehlung der Staatsanwaltschaft in Anspruch genommen wurde. Es ist eine Schande. Dass Mouhamed diese Polizisten niemals bedroht hat, ist ein Fakt. Dass er um Hilfe gerufen hat, ist ein Fakt.

Und dass er am Ende auf diese Art beschossen wird, dafür sollte jemand die Verantwortung tragen. Und was sagt dieses Urteil: Keiner ist verantwortlich. Der Richter berichtet vor den Brüdern ohne Empathie, jede Alternative sei Schwachsinn. Wie kann man so reden? Wie kann man dieses Urteil einer Mutter erklären? Wo ist hier die Gerechtigkeit für Mouhamed? Wo ist hier die Gerechtigkeit für schwarze Menschen?

Wenn du die Sprache nicht kannst, wenn du eine psychische Krise hast, wenn du eine geflüchtete Person bist, wenn du um Hilfe rufst und die Polizei kommt, ist die einzige Alternative, dich niederzuschießen. Ist das die Botschaft? Wo ist die Gerechtigkeit?“

Lisa Grüter, Anwältin der Familie Dramé:

Lisa Grüter hat die Familie Dramé im Prozess vertreten.
Lisa Grüter hat die Familie Dramé im Prozess vertreten. © Stephan Schütze

„Es ist ernüchternd und frustrierend, dass niemand zur Verantwortung gezogen worden ist, für die Tötung von Mouhamed. Ich war davon ausgegangen, dass zumindest der Einsatzleiter heute hier verurteilt wird. Ich denke, das ist auf jeden Fall ein Urteil, dass vom BGH [Bundesgerichtshof] überprüft werden sollte.

Dass es öffentlich verhandelt worden ist, war total wichtig. Solche Verfahren kommen ausgesprochen selten überhaupt zur Anklage und zur öffentlichen Verhandlung. Das Ergebnis ist dagegen fast sogar zweitrangig, weil es wenigstens mal in die Öffentlichkeit gekommen ist.

Für die [beiden Brüder] ist es unverständlich, dass niemand dafür zur Verantwortung gezogen wird, dass ihr Bruder erschossen wird, dass man ihm zugesteht, dass er niemanden angegriffen hat und trotzdem die Angeklagten mit Freisprüchen nach Hause gehen. Das ist kaum auszuhalten für sie.“

Christoph Krekeler, Anwalt des Polizeischützen Fabian S.:

Karsten Wickern
Christoph Krekeler, neben dem Polizeischützen Fabian S. – der Anwalt ist glücklich über den Freispruch seines Mandanten. © Karsten Wickern

„Die erste Reaktion war sicherlich, dass ein vorgestellter Steinhaufen von seinen Schultern fiel. Der Vorsitzende Richter hat am Ende den Angriff [Mouhamed Dramés] verneint, hat aber auch ganz klar formuliert, dass aus Sicht meines Mandanten, aus Sicht des Schützen, dieser sich nicht nur vorstellen durfte, sondern vorstellen musste, dass er angegriffen wird.

Ich meine, dass das Urteil sowohl in seinen tatsächlichen Feststellungen als auch in seinen rechtlichen Konsequenzen völlig richtig ist. Deswegen habe ich auch die Hoffnung, dass diejenigen Menschen, die die Polizeiarbeit kritischer sehen, von den Gründen dieses rechtlichen Urteils überzeugt werden könnten. Es ist schließlich Weihnachten.“

Michael Emde, Anwalt des Einsatzleiters Thorsten H.:

Rechtsanwalt Michael Emde (r.) mit seinem Mandanten, dem Einsatzleiter Thorsten H.
Rechtsanwalt Michael Emde (r.) mit seinem Mandanten, dem Einsatzleiter Thorsten H. © Stephan Schuetze

„Ich habe genau dieses Ergebnis prognostiziert, ich bin natürlich froh, dass ich auch recht behalten habe. Das stärkt nicht die Polizei. Das bestätigt im Grunde nur das sinnvolle Vorgehen. An der Rechtslage hat sich durch dieses Urteil nicht das mindeste verändert.

Mein Mandant ist jetzt 61 und wird im Polizeidienst ohnehin nicht mehr lange verbleiben, weil die mit 62 pensioniert werden. Aber bis zu seiner Pensionierung wird er sicherlich weiter seinen Dienst verrichten. Wo und in welcher Funktion muss aber jetzt natürlich nach dem Freispruch von der Behörde bestimmt werden. Die Idee, mit einem Messer auf Polizeibeamte loszulaufen, ist angesichts der Ereignisse der letzten Monate und Jahre in keinem Fall eine gute Idee.“

Gregor Lange, Dortmunder Polizeipräsident:

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange äußerte sich nach dem Urteil zum Verfahren gegen fünf Dortmunder Beamte.
Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange äußerte sich nach dem Urteil zum Verfahren gegen fünf Dortmunder Beamte. © Kevin Kindel (Archiv)

„Der Einsatz am 8.8.2022 war und ist für alle Beteiligten, insbesondere für die Familie von Mouhamed Dramé, eine Tragödie, die meine Mitarbeitenden und mich stark belastet. Wir sind erleichtert, dass am Ende eines langen rechtsstaatlichen Verfahrens, nun das Urteil nach umfangreicher Beweiserhebung feststellt, dass alle fünf Angeklagten von den Strafvorwürfen freizusprechen sind. Es ist gut, dass die Entscheidung der unabhängigen Justiz jetzt vorliegt. Dieses Urteil ist für uns bindend.“

Markus Robert, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) NRW:

Markus Robert, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) NRW, verfolgte am Donnerstag das Urteil im Dortmunder Landgericht.
Markus Robert, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) NRW, verfolgte am Donnerstag das Urteil im Dortmunder Landgericht. © Lukas Wittland

„Wir sind natürlich als Gewerkschaft der Polizei sehr glücklich darüber, dass das Urteil so ausgegangen ist für die fünf Kolleginnen und Kollegen – nämlich mit einem Freispruch.

Grundsätzlich ruht das Disziplinarverfahren während des Strafverfahrens. Ich gehe davon aus und hoffe, dass bei den klaren Freisprüchen [...] die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt lange belastet waren, durch die Verfahrensdauer und natürlich durch die eigene Betroffenheit, unverzüglich wieder in den Dienst genommen werden.

Insbesondere mit Blick auf das Einsatztraining, die Fortbildung der Polizei sind Einsatztrainings angepasst worden und auch die Zeiten noch erhöht worden, insbesondere mit der Zielrichtung im Einsatztraining Menschen mit psychischen Erkrankungen in den Blick zu nehmen. Und eine zweite direkte Reaktion war, in Einsatzsituationen, wenn es möglich ist, Dolmetscher hinzuzuziehen.“