KI-Experte, Gynäkologe, Philosoph, Juristin Zwölf Experten im „geheimen“ Ethikgremium der Stadt Dortmund

Geheimes Gremium? 8 Männer und 4 Frauen sollen über wichtige Themen beraten
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Ein KI-Experte. Ein Gynäkologe und Oberarzt. Ein Philosoph, der früher katholischer Priester war. Eine Juristin, die im Vorstand der „Stiftung Aufmüpfige Frauen“ sitzt. Das sind vier der zwölf Menschen, die über die ganz großen Fragen in Dortmund beraten sollen – im Auftrag der Stadt und der Politiker.

Der sachliche Name des Gremiums: „Ethik-Kommission“. Und um die gibt es schon seit Jahren Streit zwischen einigen Politikern und Oberbürgermeister Thomas Westphal. Dabei ging es um fünf Fragen:

  • Wann tagt die Kommission endlich?
  • Wieso tagt sie nicht öfter?
  • Womit beschäftigt sie sich außer mit der Messe „Jagd und Hund“?
  • Zu welchem Schluss kommt sie dabei und wann?
  • Und warum sind die Namen der Mitglieder eigentlich nicht öffentlich?

Empfehlungen, keine Entscheidungen

Zumindest die letzte Frage muss jetzt nicht mehr beantwortet werden. Auf Anfrage unserer Redaktion hat die Stadt Dortmund nun eine Liste mit Namen genannt. Acht Männer und vier Frauen gehören demnach dem Gremium an, eine 13. Person solle noch hinzukommen.

Die Ethik-Kommission kann keine Entscheidungen treffen, aber beraten und eine Empfehlung aussprechen. Dabei gehe es um die „Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft und den Einzelnen oder die Einzelne“, heißt es aus dem Büro des Oberbürgermeisters, von wo aus die Ethik-Kommission koordiniert wird. Mit welchen Fragen man sich befassen solle, das wünsche sich entweder der Rat der Stadt oder OB Westphal.

Zwölf statt zehn Mitglieder

Dass öffentliches Interesse an der Zusammensetzung des Gremiums besteht, hatte auch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW gezeigt, über die das Online-Portal „Ruhr24“ kürzlich berichtete. Das Gesetz gewährt Bürgern das Recht, Informationen von öffentlichen Stellen zu erhalten – zumindest, sofern das nicht schutzwürdige Interessen oder die öffentliche Sicherheit gefährden könnte.

In der Antwort der Stadt darauf sollen zehn Namen gestanden haben, hieß es. In der Liste, die unsere Redaktion nun erhielt, stehen drei weitere, dafür fehlt eine Person. Ein Grund war zunächst nicht zu erfahren.

Das sind die zwölf Mitglieder

Hubert Jung war 20 Jahre lang Verkehrsvorstand von DSW21, also zuständig für Busse und Bahnen in Dortmund, und ist seit 2022 im Ruhestand. Er engagiert sich aber auch ehrenamtlich, etwa bei der Caritas.

Karola Pohlhausen ist Rechtsanwältin aus Dortmund und Fachfrau für Familienrecht. Zudem gehört sie zum Vorstand in der von Sigrid Metz-Göckel gegründeten „Stiftung Aufmüpfige Frauen“, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt.

Michael Rasche trägt vor dem Namen die Titel „PD Dr. phil. habil., Dr. theol.“. Er war katholischer Priester, heiratete dann aber eine Frau. Der Theologe ist heute noch Privatdozent für Philosophie an der Katholischen Universität Eichstätt, zudem Unternehmens- und Organisationsberater. Der Wahl-Niederländer lebte zeitweise in Dortmund.

Michael Quante ist Professor für praktische Philosophie in Münster. Zu den Forschungsschwerpunkten des Münsterländers gehören auch biomedizinische Ethik sowie Rechts- und Sozialphilosophie.

Heike Proske im Porträtfoto
Heike Proske ist seit 2018 Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund. © EKK/ Lotte Ostermann

Heike Proske ist seit 2018 Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund, also deren leitende Theologin. Die gebürtige Westfälin blickte beruflich auch mehrere Jahre aus Westafrika auf die Welt; sie war in Togo.

Jakob Rehof ist Informatik-Professor an der TU Dortmund. Der Inhaber des Lehrstuhls für Software Engineering forscht auch zur Optimierung von maschinellem Lernen und zu „Verifikation und vertrauenswürdige KI“.

Barbara Welzel ist Professorin für Kulturgeschichte und kulturelle Bildung an der TU Dortmund. Sie engagiert sich unter anderem „für die Erforschung und die Vermittlung von Kirchbauten als kulturelles Erbe sowie vor allem auch für deren Erhalt“, wie zuletzt bei einer großen Auszeichnung hieß.

Zwi Rappoport ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe und Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund.

Vertreter der jüdischen Gemeinden und der Stadt Dortmund bei der Kranzniederlegung zum Gedenken an die Reichspogromnacht.
Die Kranzniederlegung am Mahnmal für die Alte Synagoge ist traditioneller Abschluss der Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht. Zwi Rappaport (2.v.l.) und Oberbürgermeister Thomas Westphal (3.v.l.) waren 2024 dabei. © Oliver Schaper

Simone Horstmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund. Sie befasst sich nicht nur mit katholischer Ethik allgemein, sondern interessiert sich auch für die „dogmatische Ausarbeitung einer Tiertheologie“ und zu „ökologischer Gewalt“.

Bernd Hanswille ist Leitender Oberarzt am Klinikum Dortmund. Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sorgte sich unlängst: „Ärztliche Entscheidungen dürfen nicht allein den Regeln der Marktwirtschaft unterliegen.“

Darjusch Bartsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Islamische Theologie und Religionspädagogik der Universität Münster. Als seine Fachgebiete gelten „die gegenwartsbezogene Islamforschung und der interreligöse Dialog“.

Christian Neuhäuser ist Philosophie-Professor an der TU Dortmund, beschäftigt sich unter anderem mit Aspekten von Verantwortung, Eigentum und Wirtschaft. Aktuell forscht er auch zur Ethik staatlicher Massenüberwachung.

Jagdreisen sind ein Thema

Dortmund könne sich „glücklich schätzen, derart versierte Persönlichkeiten für die Ethikkommission gewonnen zu haben“, sagt Oberbürgermeister Westphal. Einziges Thema bisher für das Gremium sei allerdings die Westfalenhallen-Messe „Jagd und Hund“ gewesen.

Ärger hatte es dort vor allem um Jagdreisen nach Afrika gegeben. Auch deshalb hatte es aus den Reihen der Politik immer wieder Nachfragen gegeben, wie oft sich die Ethik-Kommission treffe und wann mit einer Empfehlung zu rechnen sei.

2024 gab es nur ein Treffen

In der aktuellen Ratssitzung gab die Stadt nun die Antwort: 2023 habe sich das Gremium zweimal getroffen, 2024 leider nur einmal online – aus Krankheitsgründen. Jüngst habe es dann den Termin am 24.2.2025 gegeben – und man wolle sich jetzt wirklich alle drei Monate treffen.

Halb amüsiert, halb ernst fragte FDP-Fraktionschef Michael Kauch daraufhin OB Westphal: Die Einladung zu der aktuellen Sitzung sei ja direkt gekommen, nachdem die FDP und Die Linke zwei eigene Nachfragen zur Ethik-Kommission auf die Tagesordnung des Rats gepackt hätten – sei das Zufall?

Die Antwort von OB Westphal: Nein, da gebe es keinen Zusammenhang, nur einen „zeitlichen Zufall“. Die Diskussion zur „Jagd und Hund“ laufe noch. „Zu den Inhalten können keine Aussagen getroffen werden“, teilt die Stadt Dortmund den Politikern mit: „Dies dient auch dem Schutz der Integrität des Gremiums und seiner Mitglieder.“