Schon mehr als 20 Jahre alt sind die Pläne für den "Boulevard Kampstraße". Die sorgen gleich in mehrfacher Hinsicht für Ärger. © Bild Fritsch+Stahl/Grafik Klose
Meinung
Endlosbaustelle: Der „Boulevard Kampstraße“ ist Dortmunds BER
Die Stadt muss für den „Boulevard Kampstraße“ 2,3 Millionen Euro mehr zahlen als geplant - sie riss eine Fördermittel-Frist. Die Endlosbaustelle ähnelt immer dem Berliner BER. Ein Kommentar.
Berlin hat es gut. Die Dauerbaustelle BER ist beendet, der neue Großflughafen am Rande der Hauptstadt eröffnet. Dortmund aber wartet noch immer auf den groß angekündigten „Boulevard Kampstraße“.
Zugegeben: Ein wenig hinkt der Vergleich. Das Flughafen-Projekt ist wesentlich größer, war von peinlichen Baupannen begleitet und hat Milliarden verschlungen. Aber was die Zeitplanung angeht? Da ist der Vergleich durchaus angebracht.
Die Planungen für den BER stammen aus dem Jahr 1997, der Architekten-Wettbewerb für den „Boulevard Kampstraße“ fand 1998 statt. 2006 wurde mit dem Flughafen-Bau, 2009 mit dem Umbau der Westentorallee als erstem Boulevard-Abschnitt begonnen. In Berlin hat sich die Fertigstellung des BER dann um elf Jahre verzögert. Der Boulevard Kampstraße würde bis zur jetzt angekündigten Fertigstellung im Herbst 2025 gut sieben Jahre Verspätung haben.
Immer wieder Verschiebungen
Wenn er denn in viereinhalb Jahren tatsächlich fertig wird. Zweifel daran sind angebracht. Denn die Verschiebungen von Baustarts und Fertigstellungsterminen sind beim „Boulevard Kampstraße“ ebenso zahlreich wie beim BER.
Und nicht immer sind sie nachvollziehbar zu erklären: Im Jahresarbeitsprogramm des Tiefbauamtes, das jüngst in der Politik beraten wurde, wird als Fertigstellungstermin für den Boulevard der September 2024 genannt. Doch das war, als die Ratsausschüsse tagten, schon Makulatur.
Das Programm sei schon im September 2020 geschrieben worden, hieß es zur Begründung. Ich frage mich: Was ist in nur vier Monaten passiert, dass sich ein Bauprojekt um ein ganzes Jahr verzögert?
Der BER hat gut 7 Milliarden Euro an Mehrkosten verursacht. Wir Dortmunder sind da bescheidener. Hier wird der Boulevard bei geschätzten Gesamtkosten von 21 Millionen Euro für die Dortmunder Stadtkasse bislang „nur“ um 2,3 Millionen teurer. Weil keine Fördermittel des Landes mehr fließen. Die waren 2013 bewilligt worden – befristet bis Ende 2019.
Sechs Jahre sind eigentlich eine lange Zeit, um einen Straßenumbau zu planen und in Angriff zu nehmen. Doch die Planung ging nur im Schneckentempo voran. Allein die Abstimmung mit der Feuerwehr, die in Dortmund besonders strenge Maßstäbe anlegt, habe Jahre gedauert, heißt es.
Dann habe es Probleme gegeben, weil die Überdeckung des Stadtbahntunnels unter der Kampstraße nur sehr gering sei. Da frage ich mich: Seit wann weiß man eigentlich, dass unter der Kampstraße ein Stadtbahntunnel ist (den die Stadt selbst gebaut hat)?
Wenig ansehnlich ist der Herzstück der Kampstraße zurzeit. Der Umbau lässt sich vielen Jahren auf sich warten. © Werner
2018 hieß es, die Planungen seien abgeschlossen, man könne eigentlich bald starten. Aber wegen des bevorstehenden Evangelischen Kirchentages im Sommer 2019 wolle man noch abwarten. Das Warten dauerte bis Februar 2020. Erst dann wurde die Ausschreibung für den ersten Abschnitt des Weiterbaus auf den Weg gebracht.
Später Ausschreibungs-Start
Dass man bei der Ausschreibung drei Anläufe brauchte, um überhaupt eine Baufirma zu finden, sorgte für weitere Verspätung. Es war für den Ablauf der Fördermittel aber unerheblich. Denn die Frist endete schon Ende 2019. Warum hat man die Ausschreibung nicht schon vor dem Kirchentag auf den Weg gebracht?
So soll der „Boulevard Kampstraße“ nach den Plänen des Architekturbüros Fritschi und Stahl in Höhe Reinoldikirche einmal aussehen. © Fritschi und Stahl
Ein Bauunternehmen müsse davon ausgehen, mit den Arbeiten kurzfristig starten zu können, heißt es zur Begründung aus der Verwaltung. Ja. Das wäre auch im Herbst 2019 möglich gewesen. Denn der kleine Abschnitt am Reinoldipylon, mit dem die Arbeiten starten sollen, hätte auch den Dortmunder Weihnachtsmarkt, auf den man immer Rücksicht nehmen will, nicht aus der Bahn geworfen.
Ein symbolischer Spatenstich hätte die Fördermillionen gerettet
Anders ausgedrückt: Bis Ende 2019 einen Spaten in die Erde zu stecken, um den Baustart zu symbolisieren, hätte allemal möglich sein müssen, um 2,3 Millionen Euro zu retten. Stattdessen hat man sich darauf verlassen, dass das Land, wie sonst üblich, die Förderfrist wohl verlängern wird. Das ging ins Auge.
In den Ausschuss-Beratungen in dieser Woche hielt sich der Unmut der Politik darüber in Grenzen. Aber es tauchten neue Fragen auf. Ist die Planung von 1998 noch zeitgemäß?
Den Entwurf des Düsseldorfer Architekturbüros Fritschi und Stahl prägen ein Lichtband, ein schmaler Wasserlauf mit Wasserbecken und ein steinerner Teppich. Überhaupt ziemlich viel Stein. Für das Leben auf dem Boulevard sollen die Menschen sorgen, erklärte Architekt Niklas Fritschi seine Philosophie.
„Geht’s nicht auch ein bisschen grüner?“ wurde am Mittwoch im Umweltausschuss nachgehakt. Und auch Radfahrer fragen, ob es nicht eine klarere Wegeführung für eine schnelle Radverbindung geben müsste.
In den letzten 20 Jahren haben Aspekte wie Stadtklima und Klimawandel, Verkehrswende und Radverkehrsförderung in der Tat an Gewicht gewonnen. Die Frage, ob die alte Planung in allen Details noch zeitgemäß ist, ist berechtigt.
Die Verwaltung sollte Antworten darauf finden. Damit der Boulevard, wenn er (vielleicht) 2025 fertig ist, nicht schon wieder von gestern ist und ein Ärgernis bleibt.
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