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Drama um Hund Benny: Ukraine-Flüchtlinge sollten Liebling ins Tierheim stecken
Ukraine-Krieg
Manche Flüchtlinge aus der Ukraine nehmen ihre Haustiere mit. Doch die sind in öffentlichen Unterkünften nicht erlaubt – und Dramen sind damit programmiert. Ein Beispiel.
Wer die Bilder von Flüchtlingen aus der Ukraine sieht, sieht auch immer wieder Hunde und Katzen, die die Menschen an der Leine, unterm Arm oder in Körben auf ihren Weg in eine ungewisse Zukunft mitnehmen. Sie wollen ihre Haustiere – auch sie sind Familienmitglieder – nicht einfach zurücklassen.
Zu diesen Tierfreunden gehört Oksana, die mit ihren beiden Kindern Michael (14) und Sofia (18) und ihrem Cockerspaniel Benny am 4. März aus der Ukraine geflohen ist. Hinter der Grenze in Rumänien war sie mit Benny am Samstag noch beim Tierarzt, um für den Hund einen europäischen Pass ausstellen zu lassen. Doch in Deutschland angekommen, wurde der Hund zum Problem.
Über einen Bekannten aus Dortmund, den sie im Urlaub kennengelernt hatte und jetzt auf der Flucht um Hilfe bat, kam sie in Kontakt zu Andrej Mynash. Der Geschäftsstellenleiter einer Versicherung ist selbst 1999 aus der Ukraine gekommen und erklärte sich sofort bereit zu helfen und mit Oksana über WhatsApp in Verbindung zu treten.
Von Erstaufnahmeeinrichtung in Bochum abgewiesen
Mynash hatte in Erfahrung gebracht, dass Flüchtlinge ohne private Unterkunft von Dortmund zur Erstaufnahmeeinrichtung des Landes nach Bochum gebracht werden. Deshalb empfahl er Oksana, sich gleich dorthin bringen zu lassen.
Doch am Sonntagabend in Bochum angekommen, wartete eine böse Überraschung auf die Familie: Sie durfte Benny nicht mit in die Einrichtung nehmen. Hunde seien nicht erlaubt, sagte der Sicherheitsdienst: „Hier kommt kein Tier rein.“ Entweder sie gäben den Hund zwischenzeitlich ins Tierheim oder sie müssten draußen bleiben.
Auch der Hinweis von Oksana, dass der Hund die einzige Stütze auf der tagelangen Flucht für die Familie gewesen sei, fruchtete nichts. Oksana konnte es nicht fassen: „Mein Sohn ist gerade vor Bomben geflohen und jetzt muss er seinen Hund abgeben?“
Bei minus zwei Grad auf dem Bordstein
Dazu war sie nicht bereit und rief weinend Andrej Mynash an. Der versuchte zunächst telefonisch zu vermitteln. Ohne Erfolg. Dann stieg er ins Auto und fuhr selbst nach Bochum. Um 22.30 Uhr kam er dort an. Da saß Oksana schon anderthalb Stunden bei minus zwei Grad mit dem Hund neben dem Koffer auf dem Bordstein. Ihre Kinder hatten sich zwischendurch in der Einrichtung aufgewärmt. Auch gegenüber Mynash verwies der Sicherheitsdienst auf geltende Regeln.
Mynash hatte bereits ein Hotelzimmer organisiert, in dem Hunde erlaubt sind, als sich über Kontakte seiner Frau eine andere Lösung auftat. Das Deutsche Rote Kreuz in Dortmund erklärte sich bereit, die Familie mit Hund in ihrem ehemaligen Ausbildungszentrum an der Niergartenstraße in Schüren aufzunehmen. Mitten in der Nacht kümmerten sich vier Menschen darum, dass sie einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen bekamen, berichtet Mynash.
„Wir haben nachts noch Betten hingefahren“, bestätigt der Rote-Kreuz-Pressesprecher Klaas Püttschneider auf Anfrage. Die Flüchtlingsunterkunft in dem leer stehenden Gebäude sei erst seit Freitagnacht im Aufbau gewesen. Man habe Benny aufgenommen, weil das Haus noch nicht so belegt sei und die Familie über einen eigenen Raum verfügen könne. Püttschneider: „Tiere sind Familienmitglieder, und zurzeit funktioniert das bei uns ganz gut.“ Sollten aber mehr Menschen kommen, sei das nicht mehr möglich.
Zwei Hunde und drei Katzen im Dortmunder Tierheim
Noch seien nicht viele Tiere aus der Ukraine in Dortmund eingetroffen, sagt Stadtsprecher Michael Meinders. Die Stadt habe am Wochenende mit drei ukrainischen Familien Kontakt gehabt, die zwei Hunde und drei Katzen im Tierheim untergebracht hätten. Derzeit richte das Tierschutzzentrum weitere Plätze zur Unterbringung in Quarantäne ein.
Flüchtlinge aus der Ukraine, die ihre Tiere nach Deutschland mitgebracht hätten, sollten sich sofort beim Veterinäramt melden unter Telefon 0231 50-23970 oder 0231 50-16221 oder per E-Mail ans veterinaeramt@dortmund.de, so Meinders.
Vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) erfuhr Beate Siekmann, Leiterin des Dortmunder Ordnungsamtes, dass die Thematik der EU-Kommission bereits bewusst sei und an einer Lösung gearbeitet werde. „Dies ist nicht so einfach, da ja das genehmigungsfreie Verbringen von Reisetieren an enge Bedingungen, die im Voraus erfüllt sein müssen, geknüpft ist“, so Siekmann.
Anfragen auch beim Tierschutzverein
Eine mit dem zuständigen Bundesministerium abgestimmte Vorgehensweise werde frühestens Ende dieser Woche erwartet. Bis dahin bleibe nur das gesetzlich geregelte Vorgehen – mit einer Quarantäne von maximal sechs Monaten.
Auch beim Dortmunder Tierschutzverein in der Berswordthalle des Stadthauses seien seit Donnerstag entsprechende Anfragen eingegangen, berichtet die Vorsitzende Erika Scheffer: „Erst gerade war eine junge Frau mit ihrer Tochter und einer französischen Bulldogge hier.“ Man verweise alle an das Veterinäramt im dritten Stock.
Oksana und ihre Kinder sind froh, dass ihr Hund bei ihnen bleiben kann.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
