
© dpa/A
Folgen des Krieges in Dortmund angekommen: Stadt richtet Krisenstab ein
Ukraine-Krieg
Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine haben Dortmund erreicht. Die Stadt reagiert mit der Einrichtung eines Krisenstabs, der neben den Flüchtlingen weitere Herausforderungen im Blick hat.
Die Folgen des Krieges in der Ukraine haben auch für Dortmund eine neue Stufe erreicht. Die Stadt hatte vor einer Woche einen Koordinierungsstab eingerichtet, um sich auf die erwarteten Herausforderungen einzustellen. Am Dienstag (8.3.) wurde aus dem Koordinierungsstab ein Krisenstab, teilte Oberbürgermeister Thomas Westphal mit.
„Wir sehen mit ganz großer Sorge, wie sich der Krieg dort entwickelt und sich zunehmend gegen die Zivilbevölkerung richtet“, sagte der OB. Die große Fluchtbewegung und die humanitäre Hilfe sind eines von fünf Themen, die der beim OB angesiedelte Krisenstab unter Führung von Feuerwehrchef Dirk Aschenbrenner im Blick hat – neben möglichen Cyberangriffen, der Verknappung von Öl und Gas, der Destabilisierung von Finanzmärkten und der möglichen Ausbreitung von Radioaktivität durch Raketenangriffe auf Atomkraftwerke.
Über 700 Flüchtlinge haben sich (Stand 7.3., 18 Uhr) bislang an die Stadt Dortmund mit der Bitte um Hilfe gewandt. Davon wurden für 400 Menschen bereits 321 Termine beim Sozialamt ausgemacht, die in den nächsten zwei Wochen abgearbeitet würden, so Aschenbrenner. Die Lage sei dynamisch, unterstrich der Krisenstabsleiter, allein am 7. März. seien 121 Termine für 300 Menschen vereinbart worden.
Von 489 Plätzen 188 belegt
Von den 489 bislang zur Verfügung stehenden Plätzen in Unterkünften waren bis Montagabend 188 belegt. „Weitere Plätze werden Zug um Zug geschaffen“, kündigte Aschenbrenner an. Sollten zeitweise mehr Flüchtlinge in Dortmund Unterkunft suchen als Plätze zur Verfügung stehen, würden diese in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes unterkommen.
Flüchtlinge, die medizinische Hilfe brauchen, können sich von der Stadt einen Behandlungsschein geben lassen. Davon, so Aschenbrenner, hätten bisher 721 Personen aus 368 Familien Gebrauch gemacht, allein am Montag 295 Personen aus 158 Familien.
Neben sozialer und medizinischer Hilfe hätten die Flüchtlinge – auch die privat untergebrachten – Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sagt Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Anlaufstelle ist ein Infopoint in der Berswordthalle des Stadthauses (8 bis 12 Uhr) und das Sozialamt in der Leopoldstraße 16-20.
600 Kontakte am Infopoint
600 Kontakte beziehungsweise Beratungen hat die Stadt bis Montagabend am Infopoint und 426 in der Leopoldstraße abgewickelt. Bei der humanitären Hilfe arbeite die Stadt eng mit den Wohlfahrtsverbänden und privaten Initiativen zusammen, berichtete Aschenbrenner.
Die in Dortmund gemeldeten Flüchtlingskinder seien schulpflichtig, erläuterte Schuldezernentin Daniela Schneckenburger: „Im Moment ist noch nicht absehbar, wie viele Kinder aus der Ukraine ins Schulsystem integriert werden müssen.“ Notfalls müsse das Land NRW zusätzliche Plätze schaffen. „Das ist im Fluss.“
Aufenthaltsrechtlich wurde die EU-Massenzustrom-Richtlinie am 3. März ratifiziert. Das Bundesinnenministerium gehe davon aus, sagte Aschenbrenner, dass nach etwa zehn Tagen, am 13.3., eine entsprechende Umsetzung in deutsches Recht vorliegt. Damit können die Flüchtlinge mindestens ein Jahr in Deutschland bleiben und hier arbeiten, ohne Asyl beantragen zu müssen. Bis Montagabend hat die Stadt 100 Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
E-Mail-Attacken auf öffentliche Adressen
In seiner ersten Lageeinschätzung sagte der Krisenstabsleiter zu möglichen Cyberangriffen, das Bundesamt für IT-Sicherheit und Informationstechnik gehe derzeit von einer Bedrohungslage für Deutschland aus, sieht aber im Moment keine akute Gefährdung. Laut Prognose könnten sich Cyberangriffe vor allem auf sogenannte Hochwertziele wie die Energiebranche richten.
Aschenbrenner: „Im Moment gibt es anscheinend E-Mail-Attacken auch gegen öffentliche Adressen, die in die aktuelle Flüchtlingsbetreuung involviert sind.“ Diese Probleme könne die Stadtverwaltung aber mithilfe des eigenen Systemhauses lösen.
Die Energieversorgung in Dortmund sei „uneingeschränkt sichergestellt“, betonte der Leiter des Krisenstabs. DSW21 und Donetz hätten eine Notfallplanung, die permanent fortgeschrieben und mit anderen Akteuren der Energiebranche abgestimmt werde. Aschenbrenner: „Dort werden wir auch noch mal in den nächsten Tagen mögliche Auswirkungen dieser Notfallplanung auf Dortmund untersuchen.“ Die Energielieferanten planten eine Reservenbildung für den Winter 2022/23, die aber wiederum von der Bundesregierung abhänge.
Keine Hinweise auf erhöhte Radioaktivität
In seiner ersten Lageeinschätzung zur allgemeinen Sicherheit und mit Blick auf Atomkraftwerke in der Ukraine als mögliche Angriffsziele sagte Aschenbrenner, laut Bundesamt für Strahlenschutz gebe es derzeit keine relevanten Störfälle und keine erhöhte Radioaktivität in der Ukraine.
Im Gegensatz zur Börse gebe es zurzeit keine Auswirkungen der Sanktionen auf dem Geldmittelmarkt, auf dem sich die Stadt Dortmund ihre Liquidität besorgt. „Die kann im Moment noch zu den üblichen Konditionen sichergestellt werden“, sagte Aschenbrenner. Doch die Entwicklung der Zinsen sei nicht absehbar.
Die Stadt ist geübt in Krisenstab-Arbeit, nicht zuletzt dank Corona. Aschenbrenner: „Wir sind gut vorbereitet, uns sehr schnell zu formieren“. Krisenstabs-Strukturen dienten dazu, sich für eine Handlungsfähigkeit in der ganzen Breite mit anderen Behörden und Organisationen optimal zu vernetzen, um alle städtische Ressourcen zu bündeln und ein ordentliches Melde- und Berichtswesen aufzubauen. Man bereits sich darauf vor, so Aschenbrenner, Veränderungen schnell zu kommunizieren.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
