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Kriegsflüchtlinge in Dortmund verzweifelt: Was kommt nach der Nothilfe?
Ukraine-Krieg
Marina und Irina aus Kiew gehören zu den ersten Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die es nach Dortmund geschafft haben. Doch auch hier warten Probleme auf sie. Wie geht es weiter? Was ist zu tun?
Sie gucken nonstop und mit bangem Blick auf ihr Handy. Können die Nachrichten aus der Heimat Ukraine noch schlimmer, die Zerstörungen noch verheerender werden, die Zahl der Toten weiter steigen? Die Schwestern Irina und Marina kommen aus der Hauptstadt Kiew, mussten ihre Mutter, die zu einer militärischen Zivileinheit gehört, und Irinas Mann zurücklassen, der in einer Spezialeinheit kämpft.
Immer wieder fließen Tränen bei Irina. Ihren Mann konnte sie in der Nacht zu Donnerstag um 1 Uhr nicht erreichen. „Seinetwegen hat sie immer Angst“, erklärt Svetlar Vynokur, die selbst aus der Ukraine stammt und mit ihrem Mann Yakiv seit 20 Jahren in Deutschland lebt – und hilft.
Irina und Marina, ihr 17-jähriger Bruder Alexander und drei Kinder gehörten zu den ersten Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die in Dortmund gestrandet sind. Sie haben das Glück, dass ihre Mutter Svetar Vynokur zur Bekannten hat. Die Pharmezeutin kümmert sich jetzt gemeinsam mit ihrem Mann Yakiv, einem Lehrer, um die sechsköpfige Familie in Dortmund.
Die letzten 30 Kilometer zu Fuß gelaufen
Seit dem 24. Februar tobt der Krieg. Die Familie ist seit dem 27. Februar in Dortmund. Die letzten 30 Kilometer zur polnischen Grenze sind sie bei eisigen Temperaturen bis 5 Uhr morgens zu Fuß gelaufen, weil die Autoschlange so lang war.
Die humanitäre Hilfe in Polen sei gut gewesen, berichten sie. Sie wurden mit einem Bus zu einer nahen Unterkunft gebracht, von Freiwilligen versorgt, bekamen sofort zu essen, konnten auf neuen Feldbetten und Decken erst einmal ausruhen, bevor es mit einem privat organisierten Kleinbus weiter nach Dortmund ging.
Doch im Gegensatz zu Polen sei Deutschland absolut unvorbereitet auf die Flüchtlinge, sagt ihr Helfer Yakiv Vynokur. Er und seine Frau haben die beiden Jungen aufgenommen. Die zwei Frauen sind mit den beiden Töchtern zunächst in einer Wohnung untergekommen, die Daniel Johrde, ein befreundeter Kollege von Yakiv, vermittelt hat.
Wie geht es nach der Nothilfe weiter?
Die Wohnung gehört der Freundin von Johrde, die gerade zu ihm zieht. Doch die Ukrainer können dort nicht bleiben; denn der Mietvertrag läuft aus, und Anfang Mai muss die Wohnung geräumt sein.

Banger Blick auf die neuesten Bilder aus der Ukraine. © Kolle
Wie geht es also nach dieser Nothilfe weiter? Alle Nachfragen von Daniel Johrde bei der Stadt führten in eine Sackgasse. Die Ausländerbehörde verwies an das Sozialamt und umgekehrt.
Svetlar und Yakiv Vynokur bekamen schließlich mit den Ukrainern am Donnerstag (3.3.) einen Termin bei der Ausländerbehörde. Dort wurden Formulare zur Anmeldung ausgefüllt, berichten sie, aber niemand habe ihnen erklärt, wofür. „Das wissen die selbst nicht“, vermutet Yakiv Vynokur: „Die Stadt steht unvorbereitet da.“
Was muss man als Helfer beachten?
Immerhin haben sie für nächsten Donnerstag einen Termin beim Sozialamt bekommen. „Die Menschen wollen von uns nicht abhängig sein“, sagt Yakiv Yynokur, doch sie seien verzweifelt, fühlten Trauer, Wut und Entsetzen. Zu Hause seien die Wohnung und die Arbeitsstelle weg, Verwandte und Bekannte noch vor Ort.
Inzwischen ist die Massenzustrom-Richtlinie der EU in Kraft. Danach können die Flüchtlinge aus der Ukraine ohne individuelle Asylverfahren aufgenommen werden und bekommen vorübergehenden Schutz – zunächst für ein Jahr – gewährt, sind krankenversichert, haben Zugang zum Arbeitsmarkt, müssen nicht in Flüchtlingsunterkünften wohnen und können nebenher einen Asylantrag stellen.
Was muss man alles beachten, wenn man diese Menschen aufnehmen und ihnen unbürokratisch helfen will? „Als Mieter darf ich Gäste beherbergen“, erläutert auf Anfrage Rechtsanwalt Martin Grebe, Leiter Miet- und Wohnungsrecht beim Mieterverein Dortmund, „dies gehört zum normalen Mietgebrauch der Wohnung.“ Ein Gast könne bis zu drei Monate bleiben. „Hierüber muss der Vermieter nicht informiert werden“, so Grebe. „Wer spontan und schnell helfen möchte, hat daher erst einmal nichts zu befürchten. Sinnvoll ist es allerdings, den Vermieter zu informieren.“
Mieter haftet für Schäden
Wer einen Flüchtling dauerhaft in seiner Wohnung aufnehmen will oder sie ganz oder teilweise untervermieten möchte, benötige dagegen die Genehmigung des Vermieters, sagt der Mietexperte: „Grundsätzlich ist Flüchtlingshilfe aus humanitären Gründen als berechtigtes Interesse für eine Untervermietung ausreichend. Hierzu gibt es allerdings noch keine veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen.“
Sofern keine Besorgnis besteht, dass der Hausfriede bedroht oder die Wohnung mit zu vielen Menschen belegt sei, bestehe ein Anspruch auf Zustimmung. Grebe: „Geflüchteten helfen zu wollen, muss in der Regel akzeptiert werden.“
Aber eines gibt der Rechtsanwalt zu bedenken: „Als Mieter haftet man für alle möglichen Schäden, die aufgenommene Personen verursachen, egal wie lange sie bei einem wohnen und ob sie Miete zahlen. Bei einem Untermietvertrag muss zudem auf die Kündigungsfristen geachtet werden.“
Familie hat Wohnung in Aussicht
Die ukrainische Familie aus Kiew hat eine Wohnung bei der Großpfarrei St. Clara in Hörde in Aussicht. Daniel Johrde hat sie über seine Kontakte vermittelt.
„In einem Dreifamilien-Haus steht im Moment eine Wohnung leer“, berichtet Markus Stock vom Vermögensverwaltungsrat der Gemeinde (früher Kirchenvorstand), „wir wollen ganz unbürokratisch helfen, den Menschen eine Perspektive geben.“ Ein entsprechendes schriftliches Angebot haben sie an die Stadt geschickt.
Für die Familie von Irina und Marina heißt es jetzt: warten. Auch für ihre Helfer.
Wohnungsangebote
- Allein bis einschließlich 2. März haben sich 32 Wohnungseigentümer und 2 soziale Einrichtungen bei der Stadt gemeldet.
- Sie haben insgesamt 12 Wohnungen und 28 Zimmer angeboten.
- Wer eine Wohnung für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen will, kann sich an das Sozialamt unter der E-Mail-Adresse sozialamt-ukrainehilfe@stadtdo.de wenden.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
