Reisebüros kämpfen um Existenz: „Wir haben immer noch keine Einnahmen“

© Reisebüro Stoffregen

Reisebüros kämpfen um Existenz: „Wir haben immer noch keine Einnahmen“

rnEU-Reisen wieder möglich

Viele Reisebüros in Dortmund müssen weiter um ihre Existenz kämpfen, obwohl die Reisewarnung für 27 Länder aufgehoben wurde. Manche Betreiber fordern einen eigenen Reisebüro-Rettungsschirm.

Dortmund

, 22.06.2020, 12:27 Uhr / Lesedauer: 3 min

Michael Draeger hat gerade keinen Grund zur Freude. „Unsere Zahlen gehen nicht hoch, wir haben immer noch keine Einnahmen“, sagt der Filialleiter des Reisebüro Stoffregen in der Dortmunder Kampstraße. Doch warum gehen die Reisebüros weiter leer aus, wo doch seit Montag (15.6.) die Reisewarnung für 27 Länder in Europa aufgehoben wurde? Unsere Redaktion hat sich bei Dortmunder Reisebüros umgehört.

Für 27 europäische Länder hat das Auswärtige Amt die Reisewarnung zurückgenommen. Das gilt seit Montag (15.6.). Großbritannien, Irland und Malta gehören zwar auch dazu, jedoch besteht nach der Rückkehr aus diesen Ländern eine 14-tägige Quarantänepflicht. Die Reisewarnung wurde für über 160 Länder außerhalb Europas bis zum 31. August verlängert.

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Bei einer Reisewarnung gilt, dass bereits gebuchte Reisen in diese Länder kostenlos storniert werden können. Zwar darf trotzdem in diese Länder gereist werden, jedoch nur mit eingeschränktem Versicherungsschutz. Ersteres wird den Reisebüros zum Verhängnis.

Große Verunsicherung bei Kunden spürbar

„Die Öffnung der Grenzen war ein unsinniger Punkt, wenn die Regierung am nächsten Tag verkündet, dass die Reisenden bei einem Corona-Ausbruch nicht zurückgeholt werden“, sagt Michael Draeger vom Reisebüro Stoffregen. Eines seiner großen Probleme: die Verunsicherung der Kunden.

„Viele Kunden sind verunsichert, weil sie im Falle eines Ausbruchs nicht zurückgeholt werden. Deswegen stornieren viele ihre Reisen“, ergänzt er. Die meisten Deutschen würden sich daher für einen Inland-Urlaub an Nord- und Ostsee oder in Bayern entscheiden. „Dann tritt aber das Problem auf, dass nicht genug Kapazitäten da sind, um 17 Millionen unterzubringen, wenn die Hotels nur zu 50 Prozent ausgelastet sein dürfen“, so Draeger.

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Reisen innerhalb Deutschlands seien in diesem Jahr recht teuer. Gerade die Menschen in Kurzarbeit könnten sich das in diesem Jahr nicht erlauben, sagt er. Daher würden seine Buchungszahlen auch trotz aufgehobener Reisewarnung in vielen Ländern nicht nach oben gehen. Im Gegenteil: „Unsere Buchungszahlen sind noch immer unter 10 Prozent im Vergleich zu sonst.“

Michael Draeger erklärt, dass die Reisebüros noch viel Geld rückwirkend für die Buchungen aus dem Vorjahr zurückzuzahlen hätten. „Das Geld der Reisen, die im Oktober, November und Dezember gebucht und jetzt storniert wurden, müssen wir komplett zurückzahlen. Deshalb haben wir noch immer keine Einnahmen“, sagt er.

Betreiber hoffen auf Hilfe vom Staat

Aufgeben wollen Draeger und sein Team trotzdem nicht: „Wir sind für unsere Kunden da und helfen, wo wir können, obwohl wir nichts verdienen.“ Ohne weitere Hilfe von der Regierung würde es aber finanziell sehr knapp werden.

„Ich weiß nicht, wie lange wir uns noch über Wasser halten können, aber wir werden kämpfen“, sagt er. Gleichzeitig ist er der Meinung: „Die Reisebüros brauchen einen eigenen Rettungsschirm, denn keine andere Branche muss so viel zurückzahlen wie wir.“

Auch bei Demonstrationen setzt sich Michael Draeger für die Tourismusbranche ein.

Auch bei Demonstrationen setzt sich Michael Draeger für die Tourismusbranche ein. © Reisebüro Stoffregen

Ähnlicher Ansicht ist auch Thorsten Eustrup, Inhaber des Reisebüros Köhler in der Limbecker Straße: „Wir brauchen eine Rettungslösung. Das verabschiedete Konjunkturpaket war ein erster Ansatz und der Reiserettungsfond lässt uns hoffen.“ Doch auch Eustrup spürt noch keinen großen Aufschwung in den Buchungszahlen.

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„Wir haben ungefähr zwei Anfragen pro Tag. Größtenteils wollen die Kunden mit dem Pkw reisen, meist an die Nord- und Ostsee, nach Österreich, Kroatien oder die Niederlande“, ergänzt er. Letztendlich seien diese Anfragen jedoch „nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein“. Aufgrund der hohen Rückzahlungen würden auch bei seinem Reisebüro die Einnahmen weitgehend ausbleiben.

Seit März habe Eustrups Reisebüro einen Neubuchungs-Rückgang von 100 Prozent verzeichnet. „Die Öffnung der Grenzen zieht wieder ein paar Kunden an, aber der richtige Ertrag wird bestimmt erst wieder im nächsten Jahr kommen – wenn alles gut geht.“ Trotzdem schöpft Thorsten Eustrup Hoffnung: „Wieder ein paar Reisen für Kunden zu buchen, ist wirklich was für die Seele.“

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Schütz Reisedienst plant Auslandsfahrten

Einen zumindest leichten Anstieg an neuen Buchungen merkt Stefan Schütz von Schütz Reisedienst: „Wir bewerben seit letzter Woche Mittwoch wieder Reisen und wir merken schon, dass wieder mehr Kunden eine Reise buchen.“ Die meisten seiner Kunden würden Kurzfahrten von drei bis fünf Tagen innerhalb Deutschlands buchen. Der Reisedienst plane auch bereits Auslandsfahrten für Anfang Juli – vor allem nach Österreich.

Schütz will die Hoffnung auf die Sommer-Saison nicht komplett abschreiben, aber trotzdem sagt er: „Die Vorjahresstände werden wir niemals erreichen. Im Vergleich zum Vorjahr werden wir vielleicht ab August wieder 20 bis 30 Prozent der Reisen anbieten können. Dafür hatten wir seit März aber einen 100-Prozent-Ausfall.“

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Mareen Schink von Lensing Reisen in der Silberstraße bemerkt vor allem den Ansturm auf Inlands-Reisen: „Wir sind für innerdeutsche Reisen, vor allem für Tagesfahrten, schon recht gut gebucht.“ Die Schiffsreisen hätten bis zum August jedoch alle abgesagt werden müssen. In dem Reisebüro würden normalerweise überwiegend Gruppenfahrten gebucht, zum Beispiel nach Italien – wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischen kommt.

Viele Reisebüros in Dortmund werden also weiter um ihre Existenz kämpfen müssen. Eins stach bei unserer Umfrage jedoch heraus: Kein Betrieb gibt kampflos auf.