Partygänger dürfen wieder in Clubs und Diskotheken. Das freut die Dortmunder Clubbetreiber - doch es gibt auch weiterhin viele offene Fragen. © picture alliance/dpa
Lockerungen
Dortmunder Nachtleben: Endlich wieder tanzen - aber es bleiben Zweifel
Das Dortmunder Nachtleben hat in der Pandemie gelitten. Über Monate waren keine Veranstaltungen möglich. Das hat das Leben vieler in der Branche stark beeinflusst.
Der Begriff „Glück“ war in den zurückliegenden zwei Jahren für die Betreiberinnen und Betreiber von Dortmunder Clubs und Diskotheken sowie für deren Angestellte sehr weit weg. Viele litten in den Lockdowns, die für sie noch etwas strenger waren als für viele andere Branchen.
Am ersten März-Wochenende ist das Glücksgefühl in kleinen Dosen wieder zurückgekehrt: Partys sind wieder möglich, das Nachtleben erwacht wieder.
Doch die lange Zeit, in der alles auf Pause stand, hat Spuren hinterlassen. „Neben wirtschaftlichen Aspekten gibt es die psychologische Seite. Es kratzt am Selbstwertgefühl, wenn du immer existenzielle Angst hast“, sagt Yves Gredecki von IG Dortmunder Club- und Konzertkultur.
Trotz langer Party-Pause: Die meisten haben bisher durchgehalten
Der Betreiber des Alten Weinkellers sitzt Anfang März 2022 mit Jennifer Dore (Musiktheater Piano), Sinischa Wichmann (Großmarktschänke) und Norbert Smuda (Tresor.West) in einer Video-Schalte. Anlass ist die Umfrage dieser Redaktion zur Frage „Mensch wie glücklich bist du?“, in der es auch um den Bereich Freizeit ging.
Gespräche über den Zustand des Nachtlebens in ähnlicher Zusammensetzung hatte es schon nach dem ersten Lockdown und immer wieder zu bestimmten Phasen der Pandemie gegeben.
Deshalb lautet die gute Nachricht: Alle, die 2020 da waren, sind auch jetzt noch da. „Dafür, dass wir alle ein Höchstmaß an Flexibilität leisten, können wir uns auch mal auf die Schulter klopfen“, findet Jennifer Dore, Geschäftsführerin im Musiktheater Piano.
Seit Anfang März ist Tanzen wieder erlaubt. Trotz der bedrohlichen Weltlage gibt es Freude darüber, dass Aktivität in die Clubs zurückkehrt. Aber eben auch Unsicherheit darüber, was die Zukunft bringt.
Wie wird sich das Ausgehverhalten entwickeln?
„Es wird zu beobachten sein, wie sich generelles Ausgehverhalten entwickeln wird“, sagt Sinischa Wichmann, Betreiber der Großmarktschänke.
Die Erfahrungen in der kurzen Phase der Öffnung im Spätsommer/Herbst waren unterschiedlich. Einige Formate, vor allem in der jüngeren Zielgruppe, waren gut besucht. Aber es sei auch eine große Zurückhaltung bei vielen ehemals treuen Ticketkäufern zu beobachten gewesen, berichten einige.
„Ich war teilweise erschrocken“, sagt Jennifer Dore über die Erfahrungen mit Konzerten im vergangenen Jahr. Viele seien trotz Kartenkauf nicht erschienen. Als wegen 2G+ die Maskenpflicht aufgehoben war, sei sie von Gästen gefragt worden, ob sie auch die Maske aufbehalten dürften.
Es bleiben ganz grundlegende Probleme: Wer wieder eröffnen will, braucht Personal. Und das ist durch zwei Jahre Pandemie rar geworden, weil sich viele vorher im Nachtleben beschäftigte Personen umorientiert haben.
Dringender Wunsch: Bitte kein weiteres Hin und Her
Was feststeht: Durchlöcherte Terminkalender, durch die das Betreiben eines Tanzclubs zum Saisongeschäft wird, werden sich viele nicht dauerhaft leisten können. Gerade im Tour-Geschäft mit Bands und DJs gilt: Es könnte bis zu drei Jahre dauern, bis alles wieder so läuft, wie man es vorher gewohnt war.
Yves Gredecki sagt: „In der Branche gibt es Leute, die für eine Familie zu sorgen haben. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem aus Verantwortung sagen musst: Ich schließe ab, weil es mir zu holprig ist.“
Ein erneutes Hin und Her aus Schließen und Öffnen ist für viele ein Horrorszenario. Philipp Bückle, freier Party-Veranstalter aus Dortmund: „Das hat bisher nur geklappt, weil man Hilfen bekommen hat. Aber die Verantwortung des Bundes scheint ja endlich zu sein. Ab dem Punkt, wo zugemacht wird, und nichts mehr kommt, wird es schwierig.“
Tresor.West-Leiter: „Das Raumgefühl muss auch passen“
Wie geht es weiter im Dortmunder Nachtleben? Norbert Smuda, Betriebsleiter des Tresor.West, sagt: „Ich glaube, dass die Leute Lust haben und es ihnen fehlt rauszugehen.“
Doch es gehe auch darum, jetzt einen richtigen Weg zu finden, an dem es „inhaltlich und wirtschaftlich“ Sinn ergebe. „Das Raumgefühl muss auch passen“, sagt Smuda. Der Tresor.West wird voraussichtlich um Ostern herum, also Mitte/Ende April, wieder öffnen.
Viele vermissen Konzerte und Tanzveranstaltungen
Die Ergebnisse der Glücksumfrage dieser Redaktion liefern etwas Hoffnung, dass es ein Bedürfnis nach Ablenkung gibt. Auf die Einzelfrage: „Was vermissen Sie in ihrer Freizeit coronabedingt?“ standen auch Konzerte und andere Veranstaltungen zur Auswahl.
Deutlich über die Hälfte der Abstimmenden (rund 65 Prozent) entschied sich für die Antwortoptionen „sehr deutlich“ (38 Prozent) bzw. deutlich (28 Prozent). Weiteren knapp 20 Prozent fehlen solche Ereignisse „etwas“.
Die ersten Erfahrungen des Neustarts im März 2022 zeigen: Eine gewisse Energie vor allem junger Menschen, sich wieder in enge Bars, Clubs oder Konzerthallen zu quetschen, scheint vorhanden zu sein.
Philipp Bückle hat einen Tipp für alle, die vor dem ersten postpandemischen Clubbesuch noch Zweifel haben „Wichtig ist, das einfach wieder zu testen. Das erste Mal wieder im vollen Club zu stehen war seltsam. Aber nach 15 Minuten denkt man nicht mehr darüber nach.“
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