
© Felix Guth
Das nächste Chaos-Jahr: So haben Dortmunder Musiker 2021 erlebt
Kultur
Hinter professionellen Musikern liegt das zweite chaotische Jahr in Folge. Das Beispiel der Dortmunder Band Daily Thompson zeigt: Die Dauerkrise nervt. Aber sie kann auch Gutes hervorbringen.
Der Blick in den Band-Kalender der Dortmunder Rock-Gruppe Daily Thompson sagt alles, was man über das Jahr 2021 aus Musiker-Sicht wissen muss.
Leere Felder von Januar bis Mai. Dann Einträge für die ersten Shows. Im Sommer Open-Airs, schließlich sogar eine ganze Woche Tour. Dann beginnt es wieder zu zerfasern. Die roten Striche kommen wieder. Die Release-Tour für 2022: von Januar/Februar auf April/Mai verlegt.
Die drei „Thompsons“ Mephi Lalakakis, Danny Zaremba und Matthias Glass sitzen am Ende des Jahres dort, wo sie die meiste Zeit verbracht haben: in ihrem Proberaum im „MuK“ (Musik- und Kulturzentrum) an der Güntherstraße.
Die meiste Zeit in der Musik-Höhle
Der Raum ist eine gemütliche Höhle mit Verstärkerwänden, zwei Drumsets, etlichen Regalen, Kaffeemaschine, Plattenspieler und unzähligen Konzertpostern als Tapete. Der perfekte Rückzugsraum, wenn es draußen nur um Impfungen und G-Regeln geht.
Hier ist das aktuelle Album „God Of Spinoza“ entstanden, das der Band gerade so viele gute Kritiken einbringt, wie noch keine Veröffentlichung zuvor.
War es ein gutes Jahr? Für Daily Thompson hat die Antwort auf diese Frage zwei Seiten. Da ist das große Ganze, die Absagen, der Einbruch im Merchandising-Geschäft, der Frust.
„Man ist es leid zu diskutieren“, sagt Mephi Lalakakis. Sie berichtet von positiven Erfahrungen mit 2G-Konzerten, auf denen sich alle sicher gefühlt hätten. „Jeder war happy und alle hatten Bock“, sagt die Band über den Sommer.
Ein Sommer fast wie vor der Pandemie
Für einige Monate herrschte die Illusion von Normalität. Daily Thompson, schon immer eine reisefreudige Band mit vielen Kontakten in Europa, spielte unter anderem auf dem „Desert Fest“ in Belgien. Im September war sogar eine einwöchige Tour durch Spanien möglich. „Hach, das war herrlich“, sagt Matthias Glass.

Ein Hauch von Normalität im Sommer: Daily Thompson bei einem Festival in Belgien. © Daily Thompson
Aber eben nicht von Dauer. „Wenn man jetzt sieht, dass in Amerika oder England die Bands wieder touren, denkt man sich schon: Ja, wir haben es in Deutschland irgendwie verkackt“, sagt die Bassistin und Sängerin.
Musik werde als selbstverständlich hingenommen, aber nicht mit derselben Energie unterstützt wie etwa der Profi-Fußball.
Der Proberaum wurde zum Aufnahmestudio
Daily Thompson verwandelten den psychischen Stress in neue Musik. „God Of Spinoza“ erschien im November. Entstanden ist ein außergewöhnlich gut ausgearbeitetes Album, voller gekonnter Verweise auf Grunge- und Rock-Größen der 90er-Jahre. Alice in Chains, The Smashing Pumpkins oder Sonic Youth werden in vielen Albumkritiken als Verweise genannt. Die Band wehrt sich nicht dagegen.
Vor allem aber ist hörbar, dass Daily Thompson mit jedem Album musikalisch noch näher zusammenfindet.
„Man freut sich, wenn es so verstanden wird, wie man es rüberbringen wollte. Das ist ein gutes Gefühl“, sagt Mephi Lalakakis. Gitarrist und Sänger Danny Zaremba erinnert aber auch an den „härtesten Verriss“ bei einem früheren Album. Den schrieb ausgerechnet das renommierte Rolling Stone Magazin. „Wir haben das gefeiert“, sagt er.
Band brechen viele Einnahmen weg
Daily Thompson sind keine junge Band mehr, sie haben Hunderte Konzerte hinter sich und Lebenserfahrung genug, um auch dieses weitere komplizierte Jahr locker zu nehmen. „Man sieht vieles entspannter als mit Anfang 20. Und man lernt nie aus. Musikmachen ist immer noch geil“, sagt Mephi Lalakakis.
Die Bandmitglieder von Daily Thompson betreiben auch einen Merch-Verkauf für andere Künstler. Hier sind zuletzt geplante Einnahmen durch Absagen weggebrochen. „Irgendwann wird es dann auch schwierig“, sagt Mephi Lalakakis.
Große Sorgen macht zudem die Situation vieler Live-Locations. „Läden werden schließen, wenn sie nicht wieder dauerhaft und verlässlich ein Programm machen können“, sagt die Dortmunder Musikerin.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
