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Dortmunder Familie macht schon 6. Quarantäne durch – trotz Negativ-Tests
Corona-Pandemie
Ein PCR-Test gilt als Goldstandard. Doch in seltenen Fällen könnte er auch falsch-positiv sein. Für das Dortmunder Gesundheitsamt ist das aber kein Grund, eine Quarantäne aufzuheben.
Manche Familien sind während der Corona-Pandemie besonders von der Quarantäne gebeutelt. Wie Familie Kwiatkowski aus Kirchlinde. Für sie ist es die mittlerweile sechste Quarantäne in der Pandemie.
Bislang musste immer der dreijährige Sohn Roman als möglicher Kontakt einer erkrankten Person im Kindergarten in Quarantäne – im Sommer 2020 musste sich die gesamte Familie isolieren, im Herbst nur noch ein Elternteil als Bezugsperson und danach nur noch Roman. Aus der Familie hatte sich nie jemand angesteckt.
Dieses Mal sind die Kwiatkowskis direkt betroffen. Sohn Simon (7 Jahre) wurde in der Hangeney-Grundschule per Lolli-Test am 28. Mai getestet. Allerdings war das Testergebnis nur schwach-positiv und an der Nachweis-Grenze. Deshalb wies das Labor bei der Mitteilung ausdrücklich daraufhin, dass die klinische Relevanz nicht abschließend zu beurteilen sei. Das weitere Vorgehen beziehungsweise weitere Kontrollen seien mit dem Gesundheitsamt und dem Hausarzt abzustimmen, empfahl das Labor.
Amtsinterne Beratung
Zunächst ordnete das Gesundheitsamt am Samstag (29.5.) telefonisch für die gesamte Familie eine Quarantäne an. Dabei wiesen Kwiatkowskis darauf hin, dass alle in den letzten Wochen mehrfach negativ getestet worden seien und sich durchgehend an die Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht gehalten hätten. Roman war noch am Tag zuvor negativ mit dem PCR-Lolli-Test im Kindergarten getestet worden.
„Aufgrund einer Anregung eines Mitarbeiters des Gesundheitsamtes haben wir noch am Samstag PCR-Tests in der Bornstraße durchführen lassen“, berichtet Karl-Markus Kwiatkowski. „Diese PCR-Testergebnisse von Samstag waren sämtlich negativ, auch für den tags zuvor angeblich noch infizierten Simon.“ Im Gegensatz zu dem Lolli-Test in der Schule hatte jetzt medizinisches Fachpersonal die Tests durchgeführt.
Die Familie ging deshalb von einem falsch-positiven Testergebnis aus. Und auch ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes teilte ihr am Telefon mit, die Quarantäne sei aufgehoben. Doch als Kwiatkowskis tags darauf – nach zusätzlichen negativen Antigen-Schnelltest für alle vier Familienmitglieder – auf eine schriftliche Bestätigung der Quarantäne-Aufhebung für Kindergarten und Schule drängten, wurde ihnen mitgeteilt, man habe nach interner Beratung beschlossen, dass eine Quarantäne doch erforderlich sei.
Keine Auswirkung auf die Quarantänedauer
Am Mittwoch (2.6.) wurde die Familie vom Gesundheitsamt per Mail informiert, dass die Anordnung der Quarantäne aufgrund des positiven Lolli-Test-Ergebnisses von Sohn Roman vom 28. Mai erfolgt sei, und zwar auf der Grundlage der Corona-Test- und Quarantäneverordnung NRW. Eine zwischenzeitlich erfolgte negative Testung habe keine Auswirkung auf die Quarantänedauer beziehungsweise führe nicht zu deren Aufhebung.
So hatte das Amt auch im Fall von Susanne Appel argumentiert, die ebenfalls bei einem ersten PCR-Test nahe an der Nachweisgrenze positiv und ohne jegliche Symptome war, drei weitere negative PCR-Tests vorweisen konnte, aber in Quarantäne bleiben musste.
Familie hält sich an Anordnung
Für Karl-Markus Kwiatkowski ist die Vorgehensweise des Gesundheitsamts mit Blick auf die grundgesetzlich garantierte Freiheit juristisch zweifelhaft. Doch gegen die Quarantäneanordnung kann man sich nur mit einer Klage beim Verwaltungsgericht wehren. Aber das ist aufwändig, langwierig und teuer.
Offensichtlich könne man sich auf fernmündliche Aussagen des Gesundheitsamts nicht verlassen, sagt Kwiatkowski, doch gleichzeitig würden die Bürger im Rahmen der Pandemie hauptsächlich telefonisch kontaktiert. „In zukünftigen Fällen werden wir uns gut überlegen, ob wir ans Telefon gehen, wenn sich die Stadt bei uns meldet.“
Auch wenn die Quarantäne nicht kontrolliert und die Familie dafür von anderen ein wenig belächelt werde, halte sie sich an die Anordnungen, sagt Kwiatkowski.
Mehrere Beurteilungsprobleme
Der Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, Dr. Frank Renken, sieht das Ergebnis von PCR-Tests, die als Goldstandard der Testung gelten, auf Nachfrage „grundsätzlich als sehr sicher an“. Es handle sich um ein sehr empfindliches Testsystem, „das verlässlichste, das wir haben.“
Bei positiven PCR-Tests an der Grenze der Nachweisbarkeit gebe es mehrere Beurteilungsprobleme, die das Thema komplexer machten, als es scheine, so Renken. Zum Beispiel: Selbst wenn zweite oder dritte Tests mit Probenentnahme aus dem Nasen-Rachen-Raum negativ seien, lasse sich nicht sicher ausschließen, dass in der Lunge, also in den tiefen Atemwegen, noch ausreichend Virusmaterial vorhanden sei, um andere anzustecken.
Das sei eine ärztliche Entscheidung, und jede dieser Entscheidungen müsse individuell getroffen werden. Renken: „Im Zweifelsfall entscheiden wir uns für die vorsichtige Lösung.“
Doch warum dann das Hin und Her am Telefon? Dazu Renken: „Diese Entscheidungen werden in Zukunft weder am Telefon getroffen noch am Telefon kommentiert. Das sind ausschließlich ärztliche Entscheidungen, die ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin zu treffen hat nach genauer Würdigung des Einzelfalls, und so gehen wir jetzt auch weiter vor.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
