Die Frauenübernachtungsstelle ist seit Februar 2020 in Hörde.

© Alexandra Wachelau

Obdachlose müssen PCR-Test vorweisen: „Regelung ist fernab der Realität“

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Die Frauenübernachtungsstelle in Hörde muss wegen der Corona-Bestimmungen Frauen vor der Aufnahme in Quarantäne schicken – und zwar in Syburg. Ein Unding, sagt die Leiterin der Einrichtung.

Hörde

, 02.05.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Frauenübernachtungsstelle in Hörde ist für viele Frauen eine sichere Zuflucht – auch in Corona-Zeiten. Seit Monaten ist die Einrichtung fast voll. Wie geht das Team der Diakonie mit den neuen Corona-Maßnahmen um?

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„Das gibt es in der Wohnungslosenhilfe normalerweise nicht“

Ilda Kolenda leitet die Übernachtungsstelle für Frauen. „Was wir anbieten, ist die niederschwelligste Hilfe: ein sicheres Obdach“, sagt sie. Selbst diese – im Grundgesetz verankerte – Hilfe können Ilda Kolenda und ihr Team jedoch nicht mehr bedingungslos anbieten.

Der Grund dafür: Jede Frau, die in der Übernachtungsstelle Schutz suchen möchte, muss wegen der neusten Corona-Regelungen in NRW einen negativen PCR-Test vorweisen. Für die Frauen, die von Ilda Kolenda und ihrem Team betreut werden, ist das ein fast unmöglich zu erreichender Nachweis.

„Freitag war hier wirklich Chaos“, sagt die Leiterin der Übernachtungsstelle. Obwohl viele Mitarbeiter ihres Teams geschult wurden, um Schnelltests durchzuführen, sei es ihr noch nicht gelungen, eine Möglichkeit für PCR-Tests vor Ort anzubieten.

Das heißt: Alle Frauen, die momentan in der Einrichtung neu aufgenommen werden möchten, erhalten hier vorerst keinen Schlafplatz. Stattdessen werden sie weitergeschickt – zum Landhaus in Syburg.

Das ehemalige Hotel steht seit April 2020 für obdachlose Menschen als Quarantänestation zur Verfügung. Vor der Frauenübernachtungsstelle gibt es eine Bushaltestelle, die direkt zum Landhaus führt. Die Mitarbeiter von Ilda Kolenda begleiten die Frauen zum Bus und zahlen für sie das Ticket – oder abends auch das Taxi. Die Frauen werden im Landhaus getestet und untergebracht, bis ein negatives Ergebnis vorliegt.

Ilda Kolenda begleite bei dieser Tätigkeit jedoch „ein sehr schlechtes Gewissen“, sagt sie. „Das gibt es normalerweise gar nicht in der Wohnungslosenhilfe, dieses ‚Wegschicken‘“, sagt sie.

Ilda Kolenda ist die Leiterin des Angebotes für Nutzerinnen innerhalb der Frauenübernachtungsstelle an der Nortkirchenstraße.

Ilda Kolenda ist die Leiterin des Angebotes für Nutzerinnen innerhalb der Frauenübernachtungsstelle an der Nortkirchenstraße. © Diakonie (A)

In der Einrichtung müssen auch Kinder beaufsichtigt werden

Lieber wären ihr häufigere Schnelltests. Die führt das Team der Einrichtung sowieso jede Woche durch. „Diese Regelung mit den PCR-Tests ist fernab von der Realität“, sagt Ilda Kolenda. Dazu käme, dass ungefähr die Hälfte der Frauen, die bei ihr Hilfe suchen, noch nicht einmal ein Handy besitzen.

Damit fehlt nicht nur die Möglichkeit, den QR-Code vom Test einzuscannen: Auch allgemeine Corona-Regelungen haben die meisten obdachlosen Frauen nicht parat. „Selbst wenn eine Frau ein Handy hat, wird es nicht zum googeln von Corona-Regeln genutzt“, sagt Ilda Kolenda.

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Bei der Ausgangssperre müssten sie und ihr Team daher „beide Augen zudrücken“, wie sie sagt. Allerdings würden seit der Regelung nachts mehr Frauen einfach wegbleiben.

Die Frauenübernachtungsstelle bietet insgesamt 50 Schlafplätze. Belegt sind aktuell 45 Plätze – die Übernachtungsstelle ist fast voll. Darunter sind auch Kinder, wie Ilda Kolenda sagt. Zwei davon müssen in der Einrichtung Homeschooling betreiben. „Das funktioniert gar nicht“, sagt Ilda Kolenda.

Nicht nur, dass das Internet in der Einrichtung schlecht sei: „Die Kinder verlieren total den Anschluss, nicht nur bei den Lerninhalten. Der Austausch mit Gleichaltrigen fehlt, die Kinder werden mit Erwachsenen-Problemen belastet“, sagt sie.

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Wohnungssuche wird immer schwieriger

Dass die Einrichtung so voll ist, liegt an Corona. Die bürokratischen Vorgänge – beispielsweise zur Wohnungssuche – haben sich durch die Pandemie zusehends verkompliziert. „Man hat durch Corona scheinbar verkannt, um welche Zielgruppe es sich hier handelt“, sagt Ilda Kolenda.

Sie hofft auf Lösungen, die mehr Flexibilität zulassen – auch bei den Impfungen. Die meisten Frauen hätten Vorerkrankungen, aber selten einen Hausarzt, oft noch nicht einmal eine Krankenkasse.

„Wir haben es hier mit einer Personengruppe zu tun, die sich am stärksten bewegt und keine Möglichkeit zur Isolierung hat“, betont Ilda Kolenda. „Diese Menschen müssen geimpft werden, und zwar schnell.“ Bisher wurde ihre Anfrage hierfür jedoch nicht beantwortet, wie sie sagt.