
© Didi Stahlschmidt
Ende nach 116 Jahren: Was von der Bäckerei Dahlmann bleiben wird
Dortmunder Traditionsbäckerei schließt
Fast 120 Jahre war die Bäckerei Dahlmann ein fester Bestandteil der Nordstadt. Die Traditionsbäckerei brachte so manchen Trend nach Dortmund - ein wichtiges soziales Engagement wird sie überdauern.
Am 31. März ist die letzte Schicht für Bernd Dahlmann und seine vier verbliebenen Bäckerkollegen in der Backstube der Bäckerei Dahlmann in der Mallinckrodtstraße. Damit endet eine Ära im Bäckereihandwerk der Dortmunder Innenstadt.
Die beiden Filialen in der Nordstadt und im Kaiserstraßenviertel werden dann an die Großbäckerei Beckmann übergeben, die als Familienbetrieb seit 1951 besteht. Die Gründe für die Aufgabe sind einfach: es gibt keinen Nachwuchs in dem Handwerk und nach 60 Jahren in der Backstube möchte das Ehepaar Dahlmann in den Ruhestand.
Die Geschichte begann im Jahre 1906
Dabei ist die Geschichte der Bäckerei und Konditorei eine ganz besondere, die zur Hochzeit mit fünf Filialen und neuen Innovationen neue Maßstäbe setzte. Alles begann im Jahre 1906, als Firmengründer Bernhard Dahlmann im Alter von 27 Jahren den Betrieb von Heinrich Hornberg übernahm und 1911 das heutige Stammhaus in der Mallinckrodtstraße baute.
Seit 1978 betreiben Bernd Dahlmann und seine Frau Annemarie die gleichnamige Bäckerei und Konditorei, mit klarer Aufgabenteilung. "Bernd stand in der Backstube und ich vorne im Verkauf. Das war schon immer so", erzählt Annemarie Dahlmann. Der Arbeitstag der beiden dauerte mindestens zwölf Stunden, teils sogar von vier Uhr morgens bis 22 Uhr abends – sieben Tage die Woche.
Neue Ideen und Innovationen für die Branche
Dabei wurde nicht nur größter Wert auf die Handwerkskunst und die Zutaten gelegt, sondern man war oftmals seiner Zeit voraus. So kam Annemarie Dahlmann 1981 bei einer großen Bäckereimesse in Hamburg die Idee, einen Brötchenbackofen für den Laden zu beschaffen.
Damals ein Novum, da der Laden dem Verkauf galt und nur in der Backstube gebacken wurde. "Ich wurde damals für die Idee belächelt", schmunzelt Dahlmann. Doch sie setzte sich durch und der Hersteller Miwe baute ihr einen Ladenbackofen für Brötchen, erst mit zwei Backetagen, dann mit sechs Etagen, die heute zum Standard gehören.

Ein Blick in die Vergangenheit der Familie und der Bäckerei und Konditorei. © Didi Stahlschmidt
Eine weitere Idee war Anfang der 80er-Jahre die Einführung von Körnerbrot, das zu der Zeit noch nicht üblich war und großen Anklang fand. Selbiges gilt auch für eine Idee, die 1988 im Zuge des Ladenumbaus in der Mallinckrodtstraße umgesetzt wurde: eine Wurst- und Käsetheke, da es einen Mangel an Metzgereien gab.
"Und die Wursttheke lief sehr, sehr gut", erinnert sich Frau Dahlmann. Letzteres änderte sich aber mit der Zeit und noch heute kritisiert sie die Einstellung vieler Verbraucher, die lieber zu industriell hergestellten Wurstwaren greifen, und dass zugleich das Bewusstsein für Qualität und Handwerk schwindet.

Es gibt hier keine Maschinen, sondern auch die Brötchen sind zu 100 Prozent Handwerksarbeit. © Didi Stahlschmidt
Die Bäckerei selbst expandierte 2003 und die erste Filiale wurde gegründet, gefolgt von drei weiteren im Westfälischen Einkaufszentrum an der Bornstraße sowie in zwei Vorkassenzonen von Netto-Filialen. Bis zu acht Bäcker waren es, die zusammen mit der Familie Dahlmann, weiteren Verkaufskräften und Auszubildenden für frische, handgemachte Backwaren sorgten.
Bis heute wird nichts maschinell hergestellt und Rezepte wie die Stollen und das Weihnachtsgebäck oder Brotsorten wie das Landbrot, das Paderborner oder das Doppelback stammen aus den 1920er-Jahren.
Ein besonderes "Rezept" wurde 1990 eingeführt. Im Griechenlandurlaub sahen sie Fotomotive auf amerikanischen Cakes und entwickelten selbst eine Methode, die es dann ermöglichte, Motive und Fotos auf Sahnetorten zu bringen. Ebenfalls ein Novum für Dortmund.
Der Hilfe für Bedürftige war immer wichtig
Wenn am 31. März um 18 Uhr die Türen im Stammhaus geschlossen werden, endet aber auch eine Geschichte, die mehr als Back- und Konditoreiwaren hervorbrachte.
Mit Blick auf das soziale Engagement der Dahlmanns wird es ebenfalls Veränderungen geben. Seit 2017 gibt es ein besonderes Angebot für Obdachlose. Anfänglich mit Kaufgutscheinen von Kunden, werden seit einigen Jahren nun jeden Morgen jedem Obdachlosen ein Kaffee und belegtes Brötchen gereicht. "Das war vor allem in der der Pandemie ganz wichtig", so Annemarie Dahlmann.
Zudem gehen die Produkte, die am Ende des Tages übrigbleiben, an die Franziskaner-Gemeinde, die Kana-Suppenküche oder andere soziale Träger. Die Bäckerei Beckmann habe zugesagt, diesen sozialen Dienst beizubehalten, sagt Dahlmann.

Die Kuchen werden per Hand in den Ofen geschoben - hier vom Meister Bernd Dahlmann selber. © Didi Stahlschmidt
Zudem ist auch der Nachfolger, die Bäckerei Beckmann, ein Handwerksbetrieb. Zwar werde die Backstube aufgegeben, doch die beiden Ladenlokale werden nach einer Teilrenovierung voraussichtlich Mitte April wieder geöffnet.
Beruhigend ist für die Dahlmanns, dass alle Verkäuferinnen übernommen werden und die Bäcker bereits neue Jobs haben.
Seit Februar 2007 bin ich als freier Redakteur mit der Kolumne "quer gehört" für die Bereiche Musik/ Nightlife/ Kultur/ Creativ Industries bei den Ruhr Nachrichten aktiv. Parallel arbeite ich als freier Journalist für verschiedene Magazine, Gastronomie-Führer, als freier Fotograf und als Autor und Werbe-Texter.