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Beliebte Bäckerei in Dortmunder Innenstadt-Viertel schließt bald für immer
Nahversorgung
Eine beliebte Traditionsbäckerei in der Dortmunder Innenstadt schließt - nach fast 100 Jahren. In dem Viertel, in dem sie sich befindet, wird sie eine Lücke hinterlassen.
Die östliche Innenstadt wird Ende des Jahres um ein Traditionsgeschäft ärmer sein. Aus Dortmund verschwindet eine Bäckerei, in der seit 96 Jahren von Hand gearbeitet wurde.
Thomas Dreischulte (64), Inhaber der Bäckerei Dreischulte an der Davidisstraße, bestätigt auf Anfrage dieser Redaktion eine Information, die zuletzt im Viertel rund um den Ostpark die Runde gemacht hatte.
Bäckermeister geht in Rente - es gibt keine Nachfolge
„Ich gehe in Rente und es gibt niemanden, der übernimmt“, sagt der Bäckermeister. Er sagt es ohne jede Melodramatik, denn die Entscheidung steht und sie ist nach vielen Berufsjahren konsequent.
„Der Verschleiß ist schon spürbar“, sagt Thomas Dreischulte. Seit 45 Jahren arbeitet er in seinem Beruf. Vor 29 Jahren übernahm er von seinem Vater das Geschäft an der Davidisstraße.

Thomas Dreischulte (64) führt die Bäckerei gemeinsam mit seiner Frau Margot und seiner Schwester Christiane Röber. Zum Jahresende gibt er das Geschäft auf und geht in den Ruhestand. © Christin Mols (Archivbild)
Sein „Tagesrhythmus“: um 1 Uhr aufstehen und backen, danach das Geschäft gemeinsam mit seiner Frau und Angestellten regeln. Vor 13 Uhr endet keiner seiner sechs Arbeitstage in der Woche.
„Die einzige Zeit, in der ich eine Fünf-Tage-Woche hatte, waren die 15 Monate bei der Bundeswehr“, sagt Thomas Dreischulte mit einem Lachen. Die Familie Dreischulte stammt aus Warendorf im Münsterland und betreibt ihr Handwerk dort seit 1850.
Bäckerei hat eine wichtige Funktion im Viertelleben
Um abschätzen zu können, was die Schließung von Dreischulte für das Kaiserviertel und die umliegenden Wohnquartiere bedeutet, muss man diese Szene kennen.
Es ist Samstag, es ist Davidis-Markt. Zwischen den Ständen mit Gemüse, Fleisch und Kleidung stehen Menschen in einer langen Reihe und warten darauf, in den Vorraum einer Backstube zu kommen.
Das kann manchmal eine Weile dauern, weil das Ladenlokal sehr klein ist. Was aber den meisten gar nichts ausmacht. Denn die Bäckerei-Schlange ist ein Stück Dorfleben hier in diesem urbanen Quartier, das sich eine gewisse Gemütlichkeit zu erhalten weiß.
Hier treffen sich Bekannte, hier bringt man sich auf den aktuellen Stand, hier kann man „Leute gucken“. Das wird manchen fehlen, wenn Dreischulte weg ist.
Das Viertel wächst um die Bäckerei herum
„Es ist sehr vielfältig hier, es sind viele Familien mit Kindern hinzugekommen. Das Viertel ist um uns herum gewachsen“, sagt Thomas Dreischulte. Als die Bäckerei 1926 eröffnet hat, „war das hier noch ein Dorf“, erzählt er. Die Ware wurde mit dem Pferdefuhrwerk geliefert, wo heute eine Turnhalle steht, war ein großer Stall.
Was mit dem Ladenlokal an der Straße zwischen Ostpark und Kaiserstraße passieren wird, steht noch nicht fest. Für einen Backwaren-Filialisten erscheint die Fläche auf den ersten Blick zu klein.
Die Bedeutung für die Nahversorgung ist in einem Gebiet, das bis Körne reicht, nicht zu unterschätzen.
In einem Testformat dieser Redaktion kürten Online-Nutzer die Brötchen von Dreischulte 2018 zu den besten in Dortmund. Das bleibt natürlich Geschmackssache, aber es ist eine Auszeichnung, die auch ein über 90 Jahre alte Unternehmen natürlich mit Freude annimmt. Kriterien waren damals Aussehen, Geschmack und Geruch, Optik, Struktur, Lockerung und Oberfläche.
Geschäft schließt am 11. Dezember
Am 11. Dezember, dem Wochenende nach Nikolaus, werden die Dortmunder der Bäckerei Lebewohl sagen müssen. Thomas Dreischulte denkt jetzt schon daran, wie er „das letzte Brötchen, den letzten Spekulatius, die letzte Brezel“ backen wird.
Bleibt die Frage, wo jemand, der 45 Jahre Teig mit seinen eigenen Händen verarbeitet hat und darauf Wert legte, dass ein Teig 24 Stunden ruht, als Rentner seine Brötchen herbekommt. Vom günstigen Filialisten? „Gute Frage“, sagt Dreischulte. „Ich befürchte, ich mache mir selbst eins. Wobei ich ohnehin selbst selten Brötchen esse.“
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
