Wilma Wünsch steht immer noch gerne hinter dem Tresen, weil sie das Gespräch mit ihren Gästen schätzt.

© Stephan Schütze

Mehr als 50 Jahre hinterm Tresen: Dortmunder Kneipen-Wirtin macht immer weiter

rnTraditions-Gaststätte

Hier passt das Wort Traditions-Gaststätte: Die Kneipe „Alt-Bövinghausen“ wird 100 Jahre alt. Und die Wirtin steht schon seit mehr als einem halben Jahrhundert hinterm Tresen.

Bövinghausen

, 10.10.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Kolonie Landwehr ist nicht nur traumhaft schön und ein wichtiger Bestandteil des Industriemuseums Zeche Zollern. Sie war auch mal eine klassische Malocher-Siedlung.

Und die heutige Gaststätte „Alt-Bövinghausen“ war der soziale Mittelpunkt der Siedlung. Hier hin kamen die Bergleute in ihrer Freizeit. Jeden Abend. Diese Hoch-Zeit der Kneipenkultur in Bövinghausen hat Wilma Wünsch miterlebt.

Während ihre Gaststätte seit 100 Jahren besteht, hat die Wirtin ihr rundes Jubiläum vor zwei Jahren gefeiert: Die 77-Jährige ist seit 52 Jahren Wirtin in der kleinen, urgemütlichen Kneipe.

Kurzentschlossen zugegriffen

Sie war Verkäuferin in einer Bäckerei und wohnte mit ihrem Mann in einer Wohnung über der Kneipe, als Inhaber Karl Heinz Kowalke eines Tages einen neuen Wirt suchte.

Seit 52 Jahren ist Wilma Wünsch die Wirtin in der Kneipe „Alt Bövinghausen“.

Seit 52 Jahren ist Wilma Wünsch die Wirtin in der Kneipe „Alt Bövinghausen“. © Stephan Schütze

Kurzentschlossen griffen die beiden zu. Eine Entscheidung fürs Leben, die Wilma Wünsch niemals bereute. Damals sowieso nicht, Kneipen hatten noch eine ganz andere Bedeutung.

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Das Alt-Bövinghausen öffnete täglich und war abends auch immer gut besucht. Laut wurde es, wenn sich die Bövinghauser Kerle zum Bier trafen. Nicht selten wurde es zu laut.

„Manni“ griff durch

Bei offenbar unvermeidlichen Schlägereien sorgte ihr Ehemann dafür, dass die Streithähne auf der Straße landeten. Manfred Wünsch kannten die Gäste nur als „Manni“. Wilma Wünsch hat die 52 Jahre dagegen ohne Spitznamen „überstanden“. „Ich war immer die Wilma“, sagt sie.

Sie hat ihren Beruf immer genossen: „Mit Menschen zu tun zu haben, Gesellschaft zu haben, das liebe ich.“ Sogar das frühe Aufstehen am Sonntagmorgen habe ihr nie etwas ausgemacht.

Die Gaststätte Alt Bövinghausen an der Bockenfelder Straße ist 100 Jahre alt.

Die Gaststätte Alt Bövinghausen an der Bockenfelder Straße ist 100 Jahre alt. © Stephan Schütze

Dann kamen die Gäste auf einen Frühschoppen rein und die Knobelrunde traf sich zu einem Zeitpunkt, an dem viele Bövinghauser in der Kirche den Gottesdienst besuchten.

Geflügel, Tauben und Kaninchen

Und weil die Bergleute auch in Bövinghausen ganz klassisch Tauben, Hühner oder Kaninchen züchteten, gab es im großen Saal mehrmals im Jahr die großen Zuchtschauen. Ereignisse fürs ganze Dorf.

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„Und Karneval“, sagt Wilma Wünsch, „an Karneval war immer was los“. In der Siedlung gab es immer Karnevalverrückte, die große Sitzungen organisierten. „Wir haben nur den Saal zur Verfügung gestellt, den Rest haben die Nachbarn gemacht“.

In den vielen Jahren als Wirtin erlebte Wilma Wünsch aber auch den Verfall dieser Kneipenkultur. Karnevalsfeiern wollte irgendwann niemand mehr organisieren, Taubenzüchter gebe es in Bövinghausen noch drei, sagt Wilma Wünsch. „Die brauchen keine Kneipe mehr, um sich zu treffen.“

Nicht mehr jeden Tag geöffnet

Regelmäßig kommen nur noch die Mitglieder des SPD-Ortsvereins und des Stammtisches der CDU-Frauen. An Dienstagen und mittwochs öffnet Wilma Wunsch gar nicht mehr. Es lohnt sich nicht.

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„Vielleicht hätte ich schließen sollen, als mein Mann 2015 starb“, sagt sie.

Das hört sich melancholisch an, doch Wilma Wünsch wirkt zufrieden. „So treffe ich immer noch viele Menschen.“

Und deshalb will sie weitermachen, solange sie noch ihre Unkosten decken kann. Aber auch nicht länger als bis zu ihrem 80. Geburtstag. Das wären dann noch etwas mehr als zwei Jahre. Sie wird schon bald 78.

Was wird dann aus dem Alt-Bövinghausen? Wilma Wünsch kann sich nicht vorstellen, dass es dann von einem neuen Wirt als Kneipe weitergeführt wird. Das mache heute keiner mehr. „Vielleicht wird‘s ne Pizzeria.“