Rechts motivierte Straftaten in NRW sind im vergangenen Jahr um rund 60 Prozent angestiegen. Das geht aus dem „Lagebild Rechtsextremismus“ hervor, das Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch (19.3.) in Düsseldorf vorgestellt hat. In dem 100 Seiten umfassenden Papier wird Dortmund im Zusammenhang mit Rechtsextremismus mehrfach erwähnt.
Der Verfassungsschutz NRW sieht in Dortmund nach wie vor das „relevanteste Gravitationszentrum“ des NS-orientierten Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen. Und widerspricht damit einer Einschätzung der Polizei Dortmund, die im November 2024 mitteilte: „Die rechte Szene in Dortmund ist zerschlagen.“
Die Polizei begründete dies damals unter anderem mit Wegzügen von Führungspersonen und einer deutlich geringeren Mobilisierungsfähigkeit zu Demonstrationen. Die Behörde betonte aber auch, dass weiter eine Gefahr von der Szene ausgehe. Wie die Polizei im Februar mitteilte, ist auch in Dortmund die Zahl rechtsextremer Straftaten angestiegen.
Auch der Verfassungsschutz thematisiert im Lagebild die Wegzüge und sieht, dass es der aufgelösten Partei „Die Rechte“ an Mitgliedern mangelte, die an Parteiarbeit Interesse haben. Einige Szenemitglieder seien aufgrund ihres Alters zudem weniger aktiv oder hätten sich zurückgezogen.
„Aggressiv und einschüchternd“
Klar wird im Bericht aber auch, dass die Szene nach wie vor gute Kontakte in Deutschland und ins europäische Ausland pflegt – nicht zuletzt wegen der von Dortmunder Kadern organisierten Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“.
Im Stadtteil Dortstfeld würden weiter bis zu 50 Neonazis wohnen, heißt es vom Verfassungsschutz. Im Umfeld der Wohngemeinschaften trete die Szene „aggressiv auf und versucht, [...] politische Gegner einzuschüchtern“. Der Immobilie in der Thusneldastraße komme eine wichtige Bedeutung für die Vernetzung und den Zusammenhalt innerhalb der Szene zu, lautet die Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes.

Dort hätten in den vergangenen Jahren immer wieder rechtsextreme Konzerte stattgefunden. Das Gebäude fungiert zudem als Verlagssitz für das rechtsextreme Magazin „N.S. Heute“ und als Sitz des Kreisverbandes der rechtsextremen Partei „Heimat Dortmund“. Deren Nachwuchsorganisation „Heimatjugend Dortmund“, veranstalte dort monatlich einen „offenen Abend“, an dem bis zu 50 Jugendliche und junge Erwachsene teilnehmen.
Rechtsextreme Szene wird jünger
Im Lagebild kommt der Verfassungsschutz ingesamt zu der Einschätzung, dass die rechtsextremistische Szene in NRW jünger und moderner geworden sei. Sozialen Netzwerken komme eine erhebliche Rolle bei der Kontaktaufnahme zu.
Diese Verjüngung der Szene ist auch in Dortmund zu beobachten. Bei Neonazi-Demonstrationen in Dortmund waren zuletzt auffallend junge Teilnehmer zu sehen – wie etwa bei einer rechtsextremen Demonstration gegen den Christopher Street Day.

Sven Skoda, der nach den Wegzügen von Szenegrößen in die erste Reihe in Dortmund gerückt ist, sprach bei einer Demonstration im Dezember gezielt die jungen Teilnehmer an, von denen manche das erste Mal mitlaufen würden und machte deutlich, dass man diese eng an die Szene binden wolle.
Der Zulauf junger und sehr junger Personen zeigt sich auch an im Lagebild veröffentlichten Zahlen: Der Anteil rechtsextremer Tatverdächtiger in der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen hat sich deutlich erhöht: 287 Jugendliche in 2024 im Vergleich zu 100 ein Jahr zuvor – fast eine Verdreifachung.
„Größte Bedrohung“
Auch Aktivitäten der mittlerweile aufgelösten AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) werden im Lagebild Rechtsextremismus beleuchtet. So sind unter anderem eine sogenannte „JA Akademie“ im September 2023 in Dortmund und der Besuch des rechtsextremen Verlegers in Dortmund im Januar 2024 aufgeführt.
Für den Vortrag hatte der rechtsextreme Dortmunder AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich, der eng mit Akteuren der „Jungen Alternative“ vernetzt ist, sein Büro zur Verfügung gestellt. Der NRW-Verfassungsschutz hat die JA als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.
Bei der „Jungen Alternative“ sieht der Verfassungsschutz das Ziel, durch medienwirksame Inszenierungen den politischen Diskurs hin zu rassistischen Narrativen zu verschieben und weniger die offene Feindschaft gegenüber der liberalen Demokratie wie bei NS-orientierten Rechtsextremen. Der Rechtsextremismus habe verschiedene Facetten, heißt es im Lagebild.
Für NRW-Innenminister Herbert Reul war am Mittwoch unabhängig von der Ausprägung klar: „Der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere Demokratie.“
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