Dieser Dortmunder war bei #wirsindmehr in Chemnitz dabei

Musikalische Demonstration

Die Band Kraftklub hat mit #wirsindmehr am Montag in Chemnitz eine musikalische Demonstration gegen Rechtsextremismus organisiert. Der Dortmunder Florian Knapp war dabei.

DORTMUND

, 04.09.2018, 17:07 Uhr / Lesedauer: 2 min
Florian Knapp und seine Schwester Charlotte bei dem #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz.

Florian Knapp und seine Schwester Charlotte bei dem #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz. © Florian Knapp

Es war ein Gefühl von Stärke und von Rückhalt, das die 65.000 Menschen am Montagabend in Chemnitz getragen haben dürfte. Dass so viele gekommen waren, bestätigte ihre Hoffnung, mit einer liberalen Weltanschauung in Deutschland und auch in Sachsen keiner Minderheit anzugehören.

Denn die Gruppe, die wenige Tage zuvor andere Menschen gejagt hatte, deren Mitglieder Deutschlandfahnen schwenkten und rechte Parolen skandierten, sie war zwar laut und sehr präsent. Aber sie war kleiner. Viel kleiner.

Am frühen Morgen in den Zug nach Chemnitz gesetzt

Der Hashtag, den die Organisatoren ausgesucht hatten, pointierte genau diese Bestätigung: #wirsindmehr war das Konzert überschrieben. Und: Wir sind lauter – im Sinne einer Welt, „in der alle vernünftig miteinander umgehen“. So zumindest formuliert es Florian Knapp, der sich zusammen mit seiner jüngeren Schwester schon am frühen Morgen in den Zug nach Chemnitz setzte, um bei der musikalischen Demonstration dabei zu sein.

Um die Bands ging es ihm dabei nicht. Er mag sie zwar und hört ihre Musik, „was auch in gewisser Weise beflügelt hat. Aber hätten andere dazu aufgerufen, wäre ich genau so gekommen“, sagt er.

Bei Demonstrationen in Dortmund dabei

Eigentlich kommt der 23-Jährige aus Minden und zog 2014 für sein Raumplanungs-Studium nach Dortmund. Am Telefon klingt er besonnen, sehr erwachsen. Seiner eigenen Angabe zufolge ist er schon länger politisch aktiv: „In den letzten Jahren war ich in Dortmund bei den Gegendemonstrationen zu den Naziaufmärschen dabei und habe mich laut gemacht“, sagt er.

Freunde von ihm engagieten sich zudem beim „Projekt Ankommen“, und zusammen gründten sie eine Fußballgruppe mit Geflüchteten und spielen jeden Montag auf dem Platz des BSV Fortuna Dortmund. „Zu Spitzenzeiten sind wir gut und gerne 30 Leute auf dem Platz“, sagt er. Wenn nicht gerade Ramadan sei – denn dann fielen einige Mitspieler aus.

Zum Konzert kamen am Montag 65.000 Menschen.

Zum Konzert kamen am Montag 65.000 Menschen. © picture alliance/dpa

Er gehört zu denen, die immer wieder ihre Stimme erheben für eine tolerante Gesellschaft. Trotzdem war die Reise zu dem Konzert in Chemnitz seine erste, die ihn zu diesem Zweck raus aus NRW führte. „Am Wochenende habe ich die Berichterstattung über die Vorkommnisse verfolgt und mir verschiedene journalistische Aufarbeitungen davon angesehen“, sagt er.

„Was da vor sich ging, war echt übel.“ Vor allem auch deshalb stieg er „mit einer gewissen Anspannung“ in den Zug, „weil wir ja nicht wussten, was uns da erwartet, ob es Gegendemonstrationen geben wird.“

„Ein netter und lockerer Austausch“

Als dann unterwegs aber immer mehr Menschen zustiegen und der Regionalexpress zwischen Leipzig und Chemnitz am Ende „ordentlich voll“ war, seien die Zweifel nach und nach geschwunden: „Es hat sich einfach gut angefühlt, nicht der einzige zu sein, der aufsteht, weil er nicht unbeobachtet lassen will, wenn andere Menschen angefeindet werden.“

Eine Partystimmung oder „Festivalatmosphäre“, wie beispielsweise die FAZ schreibt, habe jedoch nicht geherrscht: „Es war vor allem ein netter und lockerer Austausch“, sagt Knapp.

Vor Ort schauten sie sich die Trauerstelle für den ermordeten 35-Jährigen an und besuchten das Karl-Marx-Denkmal, bevor sie zum Konzert gingen. „Die Stimmung war schon ausgelassen aber sehr friedlich dabei“, erzählt Knapp. „Man spürte die ganze Zeit den ernsten Hintergrund.“ Es gab Ansprachen, Reden und eine Schweigeminute, außerdem sprachen die einzelnen Künstler kurze Appelle.

Von der Berichterstattung ernüchtert

Wenn auch die Stimmung bei ihm und seiner Schwester unmittelbar nach dem Konzert „sehr positiv“ gewesen sei, ernüchterte ihn die anschließende Berichterstattung: „Da gibt es schon ziemlich verhärtete Fronten“, sagt er, „einige schreiben von einer empathielosen Party auf den Schultern des Verstorbenen.“

Dabei sei es anders gewesen: „eine breite Zivilgesellschaft, die gezeigt hat: Wir setzen uns ein. Und ich denke, genau das ist wichtig. Wir müssen wachsam bleiben und sehen, dass wir weiterhin in einer freiheitlichen Gesellschaft leben können.“

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