Boomender Onlinehandel schon vor der Corona-Pandemie, dann die Corona-Krise mit den Lockdowns und immer neuen Geschäftsschließungen in der Thier-Galerie. Der stationäre Einzelhandel war in sehr kurzer Zeit extrem unter Druck geraten - und damit auch die Shoppingcenter, die zu veröden drohten. In dieser Situation einen damals gerade 31-Jährigen zum Chef der Thier-Galerie zu machen, sorgte vor genau einem Jahr bei manchen Geschäftsleuten in der City durchaus für Skepsis.
Mitte Oktober 2022 nahm Torben Seifert als Nachfolger von Markus Haas in Dortmunds kriselndem Einkaufszentrum am Westenhellweg die Arbeit auf. Zu der Zeit hatten sich die Nachrichten über Auszüge aus der Thier-Galerie aufgetürmt: Die Parfümeriekette Douglas, der Modeanbieter Orsay, ein Tabak- und Zeitschriftenladen, Fossil, S.Oliver, Hallhuber und My Müsli sind beispielsweise schnell aufgezählt - und das waren längst nicht alle.
Unterm Strich waren 37 der insgesamt 160 Ladenlokale verwaist. Trotzdem hatte sich Torben Seifert bei seinem Arbeitgeber ECE, der bundesweit etliche Einkaufszentren betreibt, aktiv um einen Wechsel nach NRW und nach Dortmund bemüht. Damals war der gebürtige Neubrandenburger in Erlangen tätig und wollte unbedingt ins Ruhrgebiet. „Die direkte Art der Menschen hier passt sehr gut zu mir, so bin ich auch“, sagt er.
Sofort Kontakte geknüpft
Und so handelte er auch. Er war bereit, sich beim Cityring sofort in den Vorstand wählen zu lassen, ging auf die benachbarten Händler am oberen Westenhellweg zu, stellte sich bei der Stadtspitze vor, suchte auch den Kontakt zu den Kulturschaffenden in der Stadt und platzierte die Aktivitäten der Thier-Galerie umgehend in den Medien - vor allem in den so genannten Sozialen Medien.

„Es ist uns gelungen, in den 12 Monaten auch unter dem Eindruck weiterer Auszüge viel zu bewegen. Es stehen jetzt noch etwas mehr als 10 Prozent der vorhandenen Verkaufsflächen leer. Auch dafür haben wir aber noch Ideen in Bezug auf neue Mietpartner“, sagt Torben Seifert und verweist darauf, dass die erfolgreiche Arbeit für die Thier-Galerie keine One-Man-Show, sondern Teamwork sei. 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat er vor Ort, hinzu kommt die Unterstützung von regional und deutschlandweit tätigen Vertriebskollegen der ECE.
Mit dem Spiele- und Konsole-Laden Gamestop, dem Schuhgeschäft Tamaris oder demnächst auch mit dem Deichmann-Ableger Onygo gab und gibt es auch unter Seiferts Regie weitere Abgänge in der Thier-Galerie. „Das zeigt die nach wie vor vorhandenen Herausforderungen. Der Handel ist weiter im Wandel“, sagt Torben Seifert und ergänzt: „Gleichzeitig gibt es aber auch einen Aufbruch und Marken haben teilweise wieder Lust auf Expansion. Daran war während Corona nicht zu denken. Da wäre es mir genauso gegangen wie meinem Vorgänger und ich hätte auch mit immer mehr leeren Flächen zu tun gehabt.“
Modegeschäft Only wird größer
Für den gegenwärtigen Aufbruch, den Torben Seifert anspricht, stehen vor allem die Modernisierungen und Erweiterungen bei den namhaften Bestandsmietern Marc O’Polo, Only, New Yorker oder auch Viktoria Wiens. Marc O‘Polo hat bereits vor etwa einem Jahr seinen Store komplett modernisiert und New Yorker tut das jetzt auch. Zum Black Friday am 24. November will sich der Textilanbieter auf den beiden Etagen in neuem, zeitlosen Design präsentieren.
Der Damenmodeanbieter Only plant für den 9. November die Eröffnung seines um 300 Quadratmeter erweiterten Geschäfts. Und der Friseursalon Viktoria Wiens beginnt mit den Umbauarbeiten im Zuge einer Erweiterung am 6. November und will damit zwei Wochen später fertig sein.

Parallel zu dieser positiven Entwicklung bei den Bestandsmietern wurden aber auch Veränderungen eingeleitet, die dem generell im stationären Handel spürbaren Umsatzrückgang durch Online-Konkurrenz und Inflation Rechnung tragen.
„Die Zeiten zehnjähriger Mietbindungsfristen sind vorbei. Wir haben bei ECE insgesamt mit Kurzzeitverträgen und Pop-Up-Stores in unseren Einkaufszentren Erfolg“, sagt Torben Seifert. Beispiele dafür sind in der Thier-Galerie der wiederkehrende Christmas-Shop und der Schauraum zur Kunstausstellung „Phoenix des Lumières“ auf Phoenix-West. Auch neue, junge Marken wie Sixth June aus Paris oder der bis dato nur in Frankfurt zu findende Streetwear-Store OFT konnten so gewonnen werden.
Außerdem macht es immer mehr die Mischung. Vor allem der Shop zu „Phoenix des Lumières“ zeigt an, dass die Thier-Galerie nicht mehr nur ein Shopping-Center sein will. „Sie soll auch ein Ort des Erlebens, des Entertainments, des Genießens und auch von Dienstleistungen werden. Es braucht mehr als nur Shopping, der Mix ist wichtig“, sagt Torben Seifert.
Für diesen Mix stehen Angebote jenseits des Handels wie der Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes, der Handy-Reparaturdienst iRiparo oder auch das mittlerweile dritte und gerade eingezogene Reisebüro Stoffregen.
Rollerdisco ein Renner
Dafür, das Einkaufen mit einem Erlebnis zu verbinden und es so attraktiver zu machen als eine Online-Bestellung vom heimischen Sofa aus, steht Seiferts im März auf die Beine gestellte Rollerdisco. Die 80er-Jahre-Retro-Veranstaltung auf der sich für so etwas anbietenden, verwaisten Dreiecksfläche unterm Dach der Thier-Galerie entpuppte sich als Publikumsrenner - und wird jetzt vom 1. bis 3. Dezember wiederholt.
„Von solchen Veranstaltungen brauchen wir mehr“, sagte Torben Seifert schon im Frühjahr - und er sorgt jetzt für mehr. Dies auch mit einer Eiskunstbahn, die im Januar kommen wird, und einer Beach Lounge mit Cocktails und Palmen, die es im Sommer geben soll. Alles getreu seinem Motto: „Einfach mal machen, es könnte ja gut werden.“

Das Entertainment, die modernen Stores, die Kurzzeitvermietungen an junge Marken, der Mix aus hochwertigen und preissensiblen Marken, die Abkehr vom Nur-Shoppingcenter und vielleicht auch die digitale Wegeführung mittels QR-Codes dürften dazu beitragen, dass die Thier-Galerie zunehmend mehr Menschen lockt. „Wir sehen eine gute Entwicklung. Die Frequenz liegt zwar immer noch etwas unter der von 2019, aber die Umsätze sind höher als 2019“, stellt Torben Seifert fest.
KFC kommt in die Food Lounge
Das dürfte es ihm ermöglicht haben, ein Versprechen einzulösen, das er kurz nach seinem Start in Dortmund machte. Damals war er überzeugt, die von Leerständen durch die Corona-Krise besonders geplagte Food Lounge bis zum Ende dieses Jahres wieder füllen zu können. Die Essens-Etage ganz oben in der Thier-Galerie ist darauf angewiesen, dass es viel Publikum gibt, von dem sie auch gefunden wird. Das klappt, die Tische sind wieder gut besetzt - und jetzt kommt auch noch der US-Fastfood-Riese Kentucky Fried Chicken.
Wenn KFC demnächst zusammen mit den bereits seit Längerem angekündigten Anbietern „French Tacos“ und „The Pide“ öffnet, sind 12 der 13 Gastro-Shops besetzt. „Auch für die letzte freie Fläche“, sagt Torben Seifert, „laufen die Mietergespräche auf Hochtouren.“
Nach einem Jahr hat sich die Skepsis, die mancher bezüglich des vermeintlich zu jungen Thier-Galerie-Chefs anfangs hatte, in Luft aufgelöst. Er hat gezeigt, dass man die Veränderungsdynamik, der nicht nur das Shoppingcenter, sondern die ganze City unterliegt, managen kann - und auch muss.
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