Ukraine-Krise
„Der Baum brennt“: Hunderte Ukrainer können in Dortmund nicht zur Schule gehen
Unter den Geflüchteten aus der Ukraine in Dortmund sind fast 1300 schulpflichtige Kinder. Viele von ihnen haben noch keinen Platz in einer Schule - und sie werden weiter warten müssen.
Rund ein Fünftel aller in Dortmund angekommenen Ukrainerinnen und Ukrainer ist im schulpflichtigen Alter. Nach Kriegsausbruch verließen vor allem Frauen und Kinder. Ein großer Teil der Minderjährigen hat nach mehr als drei Monaten immer noch keinen Schulplatz gefunden.
T. ist 15 Jahre alt und einer der Wartenden. Vor zwei Monaten ist er mit seiner Mutter und jüngeren Schwester aus der Ukraine geflüchtet.
Seine Schwester hat nach kurzer Zeit einen Grundschulplatz bekommen. T. muss bisher zuhause bleiben. Die Antwort aus dem Dienstleistungszentrum Bildung bei der Stadt Dortmund lautete bisher immer gleich: „Leider haben wir bisher keinen Schulplatz gefunden.“
Die Familie selbst möchte nicht in die Öffentlichkeit treten, weil sie sich nicht in der Position sehe, als Gäste Forderungen stellen zu können, wie die Mutter mitteilt.
Motivierte Jugendliche - aber kein Platz in der Schule
Helmut Brinkmann ist Dortmunder Lehrer im Ruhestand und mit dem Jugendlichen in Kontakt. Er kommt zu einer klaren Einschätzung. „Das ist unverständlich“, sagt er.
Er bezeichnet den 15-Jährigen als „sehr kompetent, weit über seine Altersgruppe hinaus, im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich“. Zudem spreche er sehr gut Englisch und sei sportlich. „Ein weiterer, schneller Sprachzuwachs in Deutsch ist erwartbar. Seine Lern- und Leistungsmotivation ist hoch entwickelt“, sagt Brinkmann.
Doch für T. gibt es gerade keinen Platz in einer Dortmunder Schule. So wie ihm geht es Hunderten anderen.
Fast 500 Schulpflichtige hängen noch in der Luft
489 Kinder mit ukrainischer Staatsbürgerschaft stehen laut Interims-Schuldezernent Christian Uhr derzeit noch auf der Warteliste. 754 Schülerinnen und Schüler seien bisher vermittelt worden.
Die aktuelle Situation bereitet den Verantwortlichen bei der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung Arnsberg durchaus Kopfzerbrechen. Denn auch Kinder aus anderen Fluchtgebieten sowie durch andere Ursachen bedingte Schulwechsel müssen parallel bewältigt werden.
„Im kommenden Schuljahr werden die meisten noch da sein. Ziel ist es, nach den Sommerferien gemeinsam mit der Bezirksregierung ein Konzept erarbeitet zu haben“, sagt Christian Uhr.
Aktuell liefen Gespräche mit Schulen und Sprechern der verschiedenen Schulformen. Es werde geprüft, ob gängige Integrationsmodelle wie Willkommensklassen oder internationale Förderklassen auch in der aktuellen Lage Sinn ergeben.
Stadt denkt über Bereitstellung von Gebäuden nach
„Es ist möglich, dass wir als Schulträger Gebäude für zusätzliche Standorte zur Verfügung stellen werden müssen“, sagt Uhr. Das Land NRW sieht er in der Pflicht, für den zusätzlichen Aufwand Personal zur Verfügung zu stellen.
An Grundschulen sei es derzeit am noch am einfachsten, Kinder in Klassenverbände zu integrieren. „In der Sekundarstufe 2 ist es zumindest für Gymnasium und Gesamtschule fast ausgeschlossen, weil Deutschkenntnisse fehlen“, sagt Uhr. Eine große Rolle bei der Integration von ukrainischen Geflüchteten in das Schulsystem spielen deshalb aktuell die Berufskollegs.
Das Schuljahr läuft noch bis zum 24. Juni. Die sechswöchigen Sommerferien enden am 9. August.
Helmut Brinkmann, der ehemalige Lehrer, der mit dem 15-Jährigen T. im Kontakt ist, hält die unsichere Situation für nicht hinnehmbar. „Der Baum brennt, ohne viele gutmütige Menschen, die privat helfen, sähe es noch anders aus. Aber darauf sollte man sich nicht immer verlassen“, meint der Dortmunder.
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