
© Oliver Volmerich
Ukrainische Pflegekräfte in Dortmund bangten tagelang um ihre Kinder daheim
Ukraine-Krieg
Sie kamen nach Dortmund, um eine Ausbildung als Pflegekräfte zu machen. Dann begann der Krieg in ihrer Heimat. Wie drei Ukrainerinnen es schafften, ihre Kinder zu sich zu holen.
Es war ein aufregender Tag für Julia Voroniuk und ihre Tochter Maria. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar hatte Julia um ihre Familie in der Heimat gebangt. Ihr größter Wunsch war, zumindest ihre zehnjährige Tochter zu sich nach Dortmund und damit in Sicherheit zu holen. „Mein Mann sagte, ich schick Maria zu dir“, berichtet Julia Voroniuk.
Am 7. März sollte der Wunsch in Erfüllung gehen. Mit einem privaten Transport kam Maria nach Deutschland. In Hannover sollte sie von ihrer Mutter in Empfang genommen werden. „Es war sehr nervenaufreibend, weil sich alles um Stunden verzögert hat“, berichtet Sonja Michalczyk, die als freigestellte Praxisanleiterin des St. Johannes-Hospitals Julia Voroniuk begleitete. Erst am späten Abend konnte Julia ihre Tochter Maria in die Arme schließen. „Um 2 Uhr nachts waren wir dann wieder in Dortmund“, berichtet Sonja Michalczyk.
Es ist das neue Zuhause für Julia und Maria Voroniuk. Mutter Julia absolviert hier seit Mitte Dezember die Anerkennung als Krankenschwester in Deutschland – gemeinsam mit neun anderen Frauen aus der Ukraine. In der Heimat gab es für sie keine berufliche Perspektive, berichtet Christiane Steffens, Integrationskoordinatorin in der Pflegedirektion des St. Johannes-Hospitals. Hier in Deutschland werden Pflegekräfte dagegen dringend gebraucht.
Geplant war, dass die Frauen aus der Ukraine nach absolvierter Ausbildung auch ihre Familien nach Deutschland holen. „Das wurde jetzt durch den Krieg rasant beschleunigt“, berichtet Christiane Steffens. Das Johannes-Hospital startete ein Hilfsprogramm, um nach dem Ausbruch des Krieges zumindest die Kinder der Frauen schnell nach Deutschland zu holen. Die Männer müssen in der Heimat bleiben.
Gemeinsame Wohnung eingerichtet
Den Kriegsbeginn haben die Ukrainerinnen hier als sehr traumatisch erlebt. „Meine Familie lebt in einem Ort nahe der russischen Grenze. Schon vor dem Krieg hat meine Mutter von russischen Soldaten berichtet“, erzählt Olga Hurovska.
Sie bewohnt mit Julia Voroniuk und Iryna Zastavniuk eine gemeinsame Wohnung gleich neben dem Johannes-Hospital. Inzwischen mit ihren Kindern: Olga Hurovska mit ihren siebenjährigen Zwillingen Olga und Yaroslava, Iryna Zastavniuk mit ihrem 15-jährigen Sohn Maksym und der siebenjährigen Tochter Kateryna und Julia Voroniuk mit Maria.
„Die Bedrohung ihrer Heimat hatten die Frauen immer im Kopf“, berichtet Christiane Steffens. „Dass sich die Befürchtungen dann bewahrheitet hatten, war für sie ein großer Schock.“ Doch am Johannes-Hospital sind die Unterstützung und das Mitgefühl für die neuen Kolleginnen aus der Ukraine groß.
„Am Tag als der Krieg ausgebrochen ist, haben wir uns alle in die Arme genommen und geweint“, sagt Sonja Michalczyk, die mit ihrem Kollegen Dirk Olschewski und dem gesamten Praxisanleiter-Team die drei Frauen und ihre Kinder betreut.

Mit vereinten Kräften wurden die neuen Möbel in der gemeinsamen Wohnung aufgebaut. © Privat
„Die Klinik hat uns sehr geholfen“, bestätigt Julia Voroniuk. Die Geschäftsführung des Johannes-Hospitals bewilligte Geld und viele Mitarbeitende leisten aktive Hilfe - weit über das Dienstliche hinaus. „In der Wohnung hier haben wir an einem Tag gemeinsam alle Möbel aufgebaut“, erzählt Dirk Olschewski. „Und wenn etwas fehlt, reicht eine Whatsapp im Kollegenkreis. Innerhalb von zehn Minuten haben wir dann, was wir brauchen.“
Inzwischen haben sich die drei Familien in der vom Johannes-Hospital zur Verfügung gestellten Wohnung gut eingerichtet. Die Kinder besuchen die Schule oder werden über die Jugendhilfe St. Elisabeth betreut. In den Osterferien verbringen sie die Zeit, in der ihre Mütter ihre Ausbildung absolvieren, im Sport-Feriencamp des TSC Eintracht – und sie lernen fleißig Deutsch.
„Wir haben großes Glück: Alles, was wir brauchen, bekommen wir hier“, sagt Olga Hurovska dankbar. Wenn da nur nicht täglich die schlimmen Nachrichten aus der Heimat wären.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
