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Lehrerin und Mutter: Alexandra Tobüren (50) startet Corona-Appell an Ministerin
Infizierte Kinder
Die Kinder krank mit Corona zu Hause, aber sie soll weiter in die Schule, weil sie geboostert ist? Lehrerin Alexandra Tobüren aus Dortmund versteht es nicht – und schrieb der Ministerin einen Brief.
Bestimmt war's die Booster-Impfung und ihre Nebenwirkungen – das dachte Alexandra Tobüren zumindest erst. Ihre zwölfjährige Tochter fühlte sich schlapp, und eine Corona-Infektion, das könnte doch eigentlich nicht sein, oder?
„Sie wird von mir jeden Tag in die Schule gefahren und wieder abgeholt, weil sie nicht in den überfüllten Bus steigen soll. Sie trägt in der Schule immer eine FFP2-Maske und ist da auch sehr gewissenhaft. Sie hat letzte Woche eine Mathearbeit geschrieben, bei der nur getestete Schüler anwesend waren. Jetzt ist sie positiv und kann die Erkrankung nur aus der Schule haben, da sie sonst nur zu Hause war.“
Welche Folgen hat eine Corona-Infektion für Kinder?
So steht es im Brief, den die 50-jährige Dortmunderin an Schulministerin Yvonne Gebauer geschrieben hat, an ihre Chefin also. Tobüren ist nicht nur zweifache Mutter, sondern auch Lehrerin an einer Realschule und muss deshalb täglich dorthin – denn Tobüren ist zwar Kontaktperson, aber auch geimpft und geboostert.
Deshalb appelliert sie an die Ministerin: „Ich verstehe Ihre Gründe, weshalb Sie am Schulunterricht in Präsenz festhalten. Haben Sie sich aber auch mal überlegt, was für Folgen daraus entstehen, wenn Kinder aufgrund einer Corona-Infektion in die Isolation gehen müssen?“
„Es tut mir in der Seele weh, sie so leiden zu sehen.“
Ihre Tochter habe tagelang alleine im Zimmer gesessen. Sie leide „sehr stark darunter, von ihrer Familie getrennt zu sein, nicht mehr in den Arm genommen zu werden oder am normalen Familienleben teilnehmen zu können. Es tut mir als Mutter in der Seele weh, sie so leiden zu sehen.“
Vor allem, so Tobüren weiter: „Das wäre nicht passiert, wenn ich die Wahl gehabt hätte, sie zu Hause zu lassen.“ Sprich: wenn es in NRW keine Präsenzpflicht geben würde, sondern wenn Eltern selbst entscheiden dürften, ob sie ihre Kinder einem Corona-Infektionsrisiko in der Schule aussetzen wollen.
Distanzunterricht „hätte ihr weniger geschadet als diese Hölle“
Die Inzidenz bei manchen Schülern liege in Dortmund mittlerweile über 2000, erinnert Tobüren. „Wie hoch muss sie noch sein, damit Eltern selbst entscheiden, ob ihre Kinder in die Schule gehen oder nicht?“
Ihre Tochter sei eine „super Schülerin und kann sehr gut selbstständig lernen. Der Distanzunterricht hätte ihr viel weniger geschadet, als diese Hölle, die sie jetzt durchmachen muss.“ Noch dazu komme bei ihr die Angst, das Virus zu Hause zu verbreiten. „Ihr Vater hat MS und keiner kann sagen, wie gefährlich eine Infektion für ihn wäre.“
Auch ohne Präsenzunterricht viel vermittelt und gelernt
Mittlerweile seien vier weitere Kinder der Klasse erkrankt. Sie „werden genau wie meine Tochter unter den Folgen zu leiden haben“, unterstreicht Tobüren.
Sie kenne das Argument: Im Distanzunterricht könne Kindern nur wenig Wissen vermittelt werden. Doch nicht nur von zu Hause hat sie Gegenargumente: Sie selbst habe eine 10. Klasse gehabt, zuletzt im Distanzunterricht. Und bis auf fünf Schüler hätten alle den Q-Vermerk geschafft, also die Qualifikation, anschließend eine gymnasiale Oberstufe besuchen zu dürfen.
Tobüren schreibt an die Ministerin: „Als Lehrerin kann ich nicht bestätigen, dass die Kinder bei gut durchgeführtem Distanzunterricht inhaltlich Nachteile durch diese Form des Unterrichts haben. Natürlich sind im Bereich der sozialen Entwicklung Defizite vorprogrammiert. Aber im Vergleich zu den Schäden, die durch eine Isolation während einer Corona-Erkrankung entstehen, sind diese gering.“
Auch der neunjährige Sohn hat sich angesteckt
Immerhin – soll sich Tobüren nun darüber freuen oder ärgern? – ihr neunjähriger Sohn habe sich mittlerweile auch angesteckt. Er kann also der Zwölfjährigen Gesellschaft leisten. „Jetzt haben die Kinder die obere Etage und wir die andere.“ Wobei: Eine Party im Kinderzimmer werde das trotzdem nicht. „Es ist nicht so, dass beide symptomfrei sind.“
Aber Tobüren ist sich sicher: Mit Distanzunterricht oder der Möglichkeit dazu wäre es zu solch einer Situation nicht gekommen.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
