Dortmunds Bierkultur blüht neu auf „Andere Ruhrgebietsstädte gucken neidisch auf Dortmund“

Bierkultur blüht neu auf: „Andere Ruhrgebietsstädte gucken neidisch auf Dortmund“
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Die Geschichte vom Niedergang der Bierstadt Dortmund ist schon oft erzählt worden. Die Kurzform geht so: Einst wurde in Dortmund so viel Bier gebraut wie nirgendwo sonst in Europa. Doch von den ehemals Dutzenden Dortmunder Brauereien war Mitte der 2000er-Jahre nur noch eine übrig, in der alle Biere der Stadt gebraut wurden, egal ob Brinkhoff‘s, Union oder Hansa.

Doch seitdem hat die Bierkultur in der Stadt eine bemerkenswerte Mini-Renaissance erlebt: In den vergangenen Jahren häuften sich die Neugründungen von Mikro-Brauereien, die wieder für mehr Vielfalt in den Biergläsern der Dortmunder sorgen – zuletzt etwa durch die Wiederbelebung der Borussia-Brauerei.

Diese selbst ausgerufene „neue Bierkultur“ will nun ein neuer Zusammenschluss fördern: „Prost Dortmund“ versteht sich als „Initiative von kleinen Brauereien, Bierprojekten, Bierhändlern und Förderern der Bierkultur“. In ihr vertreten sind unter anderem die „Borussia-Brauerei“ aus der Nordstadt, die „Kaiser-Brauerei“ aus Menglinghausen, „Hopacabana Brewing“ und die „Flaschenbierfreunde“ aus dem Kaiserviertel, „Lessig’s Brauwerkstatt“ aus Hörde/Schwerte und „Borussen Bräu“ aus dem Unionviertel.

Ferdinand Laudage (40), Markus Maurer (40) und Christian Wolf (46) gehören zu den Mitgründern der Initiative. 2014 hoben sie gemeinsam die „Bieragentur Dortmund“ aus der Taufe, die seitdem Tausenden Menschen bei zahlreichen Bierverkostungen und Brauereiseminaren bierselige Abende beschert hat. 2016 verließ Wolf zwar die Bieragentur und machte sich als „Brauwolf“ selbstständig, doch der Kontakt blieb bestehen.

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Bergmann gab Initialzündung

Die drei Bier-Experten sind bestens vernetzte Teile einer neuen Dortmunder Bier-Szene, die seit einem guten Jahrzehnt wächst. „Wir wollen alles bündeln, was sich in Dortmund kreativ mit Bier beschäftigt“, sagt Wolf über „Prost Dortmund“.

Die Initialzündung der neuen Bewegung sei die Gründung der Bergmann-Brauerei 2007 gewesen, sagt Wolf. Die Brauerei, die mittlerweile auf Phoenix-West produziert und mehrere Ausschänke und Biergärten in der Stadt betreibt, ist mit weitem Abstand der größte unter Dortmunds neuen kleinen Bieren. Bergmann tritt zwar nach außen nicht als Teil von „Prost Dortmund“ auf, ist aber Stammgast bei den Treffen der Initiative. „Wir waren bisher immer dabei“, sagt Bergmann-Geschäftsführer Thomas Raphael auf Anfrage unserer Redaktion.

Lebendige „Bier-Community“ in Dortmund

Der globale Craftbeer-Trend, der seit etwa 2010 auch nach Deutschland schwappte, half dabei, dass nach der Bergmann’schen Initialzündung langsam eine lebendige „Bier-Community“ in Dortmund entstand, wie es Wolf, Laudage und Maurer nennen.

Inzwischen, schätzen die drei, gebe es in Dortmund „ein paar Tausend“ Menschen, die sich wirklich sehr für Bierkultur interessieren, sich mit Bier in all seinen Facetten beschäftigen und sich darüber austauschen. Das sei keine Selbstverständlichkeit, meint Maurer: „Andere Ruhrgebietsstädte gucken neidisch auf Dortmund.“

Vier Biere aus dem Angebot der bei "Prost Dortmund" engagierten Biere: das Export der neuen "Borussia Brauerei", zwei Biere von "Lessig's Brauwerkstatt" und ein Pils der "Flaschenbierfreunde".
Vier Biere aus dem Angebot der bei "Prost Dortmund" engagierten Biere: das Export der neuen "Borussia Brauerei", zwei Biere von "Lessig's Brauwerkstatt" und ein Pils der "Flaschenbierfreunde". © Thomas Thiel

Doch was ist das eigentlich, diese so genannte „neue Bierkultur“? „Eigentlich eine sehr alte“, antwortet Maurer. „Da geht es um das Produkt, das weniger verwässert ist wie bei den Großen, um mehr Vielfalt bei den Rohstoffen.“ Mit den „Großen“ sind die Groß-Brauereien gemeint, in Dortmund vertreten durch die Radeberger-Gruppe, die 2004 „Brau und Brunnen“ übernommen hatte, den Dachkonzern der traditionellen Dortmunder Biere.

Die drei Prost-Mitgründer sprechen immer von „Industrie-Bier“, wenn sie von den Schwergewichten der Bier-Branche sprechen: Industriell gefertigt, immer gleichschmeckend, genormt, auf große Massen ausgelegt. „Nirgends in der Welt ist Industrie-Bier so gut wie in Deutschland, und das ist toll“, sagt Maurer. Es gebe jedoch ein großes „Aber“ dabei, ergänzt Laudage: „Es erzählt keine Geschichte.“

Vielfalt ist das Entscheidende

Das sei eben das Großartige an den Bieren von kleinen Brauereien, meint Maurer: „Es gibt ein Bier für jeden Moment, jede Situation, jeden Biertrinker.“ Die Vielfalt sei das Entscheidende bei der „neuen Bierkultur“, sagt Laudage: „Wir sind gegen die Langeweile im Glas.“

Diese Vielfalt sei gut beim Export-Bier zu besichtigen, das die meisten der neuen Dortmunder Brauereien brauen. Jedes schmecke grundverschieden, erzählt Maurer: „Borussia zum Beispiel stopft es massiv mit Hopfen voll, dadurch kriegt das Bier eine leicht fruchtige Aromatik. Lessig experimentiert mehr mit besonderer Hefe und kriegt so ein schönes Wechselspiel zwischen Süße und Herbe hin. Die Jungs von Kaiser wiederum brauen das Ur-Rezept ihrer Vorfahren von vor über 100 Jahren.“

„Prost Dortmund“ ist wie das kleine gallische Dorf

„Prost Dortmund“ will dieser neuen Bier-Szene in Dortmund weiter Schwung geben und den Austausch fördern: Auf der gemeinsamen Internetseite „prostdortmund.de“ gibt es einen Kalender mit einem Überblick über Tastings, Sonderaktionen, Festivals und Braukurse. Dazu plant die Initiative ihr eigenes Bier-Festival mit einer Vielzahl an Workshops.

Dass sie damit den Dortmunder Biermarkt nicht übernehmen werden, wissen die Bier-Experten. Das sei auch nicht das Ziel, sagt Wolf: „Es bleibt eine Nische.“ Er sieht die Mikro-Brauereien eher wie das kleine gallische Dorf bei Asterix und Obelix. Und das schafft es bekanntlich immer sehr erfolgreich, die „großen“ Römer auf Trab zu halten.

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