Betroffene schildert ihre Silvesternacht in Dortmund
Sexueller Übergriff
Als Reaktion auf die beiden angezeigten sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht hat die Dortmunder Polizei eine bereits bestehende Sonderkommission personell aufgestockt. Die Polizei geht davon aus, dass es weitere Opfer gegeben hat. Eine der betroffenen Frauen hat uns ihre Geschichte erzählt.

Auf der Kampstraße in der Dortmunder City sind zwei Frauen in der Silvesternacht sexuell belästigt worden.
Die Frau ist 24 Jahre alt, sie will ihren Namen nicht nennen, um nicht mit dieser Silvesterfeier dauerhaft in Verbindung gebracht zu werden. Sie wohnt seit anderthalb Jahren in Dortmund, bisher war sie mit der Stadt zufrieden. Im Moment, sagt sie, kann sie sich nicht vorstellen, alleine oder nur in Begleitung einer Freundin abends oder nachts durch die Stadt zu ziehen. Zu sehr beschäftigen sie die Ereignisse der Silvesternacht' tag='. Heute ärgert sie sich, dass sie erst fünf Tage nach den Taten Anzeige erstattet hat. Aber man denke bei so etwas nicht rational.
Silvester-Party war gelaufen
Der Abend war schon insgesamt nicht so gelaufen, wie man sich einen Jahreswechsel vorstellt. Sie war mit einer Freundin in einer Diskothek in der Innenstadt, einer der anderen Gäste hatte offenbar zu viel getrunken, ihm war schlecht geworden und das Ergebnis hing jetzt teilweise in ihren Klamotten. Die Party war in dem Moment gelaufen, sie machten sich auf den Heimweg. Heim und duschen, so sollte es weitergehen.
Die beiden jungen Frauen liefen über die Kampstraße in Richtung Reinoldikirche, um von da aus einen Nachtbus zu nehmen. Ungefähr in Höhe der Diskothek iRoom sahen sie dann eine Gruppe von rund 20 Männern, für sie sahen sie arabischstämmig aus. Sie wollten die Männer umrunden, da fragte der Erste in gebrochenem Englisch, was sie kosten würden. Es war 0.45 Uhr.
Umzingelt, angefasst, angegangen
Mehrere Stunden zuvor, gegen 21 Uhr, waren wenige hundert Meter entfernt zwei Frauen aus Hamm ebenfalls von einer rund 20-köpfigen Gruppe angegangen worden. Die Männer hatten sich aus einer rund 300 Mann großen Menschengruppe gelöst, die Frauen umzingelt, sie angefasst und angegangen. Auch hier sprachen die Täter kein Deutsch, sondern unterhielten sich in einer den Frauen fremden Sprache. Das wussten die anderen Mädchen nicht – woher auch?
Was man kosten würde? Die 24-Jährige hatte schon so manchen Spruch gehört, diesen noch nicht. Der erste Mann bewegte sich auf die jungen Frauen zu, ein zweiter folgte, sagte, ebenfalls in schlechtem Englisch, dass sie „wunderschön“ sei, irgendsoetwas in der Art. Dann machte sich die ganze Gruppe auf in Richtung der Frauen. Schnell waren sie umzingelt. Wobei sich die Tätergruppe auf die 24-Jährige konzentrierte. Sie ist blond, ihre Freundin dunkelhaarig.
"Ich schreie die ganze Stadt zusammen"
„Dann wurde ich am Hintern angefasst, erst einmal, dann nochmal, dann waren da überall Hände und ich kam da nicht mehr raus. Immer wieder habe ich wen weggestoßen, aber sie waren um mich herum, ich habe mich gefühlt wie ein Stück Vieh, das durch eine Gasse getrieben wurde. Wir wollten weiter, Richtung Fußgängerzone, die Männer hingen wie Kletten an uns, mehr an mir als an meiner Freundin. Aber egal, was wir machten, die folgten uns. Sie waren so zwischen 17 und 24, hatten dunkle Haare und dunklere Haut und wir verstanden nicht, was die geredet haben. Ich habe angefangen zu weinen, ich hatte das Gefühl, ich schreie hier die ganze Stadt zusammen und keiner hört mich. Andere Gruppen kamen vorbei, die kümmerten sich aber gar nicht, sondern schauten nur zu.
Dann kam doch jemand, der war unsere Rettung, er war größer als die anderen, wohl auch etwas älter, er brüllte auf die Gruppe ein, auch in einer Sprache, die ich nicht verstand. Das hatten die nicht erwartet, plötzlich waren sie nicht mehr an uns interessiert. Dann kam noch ein zweiter dazu, er lief als eine Art Eskorte mit, gemeinsam versuchten wir, uns von der Gruppe zu entfernen. Der, der uns zuerst geholfen hatte, wurde dann plötzlich von hinten umgestoßen. Der zweite Mann, der dazugekommen war, brüllte nur, wir sollten laufen und abhauen und da stand dann ein Taxi, in das sind wir eingestiegen. Wir haben noch geschaut, wie es dem gegangen ist, der uns geholfen hatte, der hat uns ja gerettet. Wir hatten den Eindruck, der ist dann auch noch weggekommen. Ich hoffe das.“
Sie war nicht alleine
Am nächsten Tag fährt sie in ihre Geburtsstadt, das war eh geplant. Was ihr widerfahren war, hat sie erst an den nächsten Tagen verstanden. „Ich bin der Typ, der über so etwas länger nachdenkt.“ Dann kamen die ersten Berichte aus Köln, dann aus anderen Städten und sie verstand, dass sie nicht alleine war.
Die Dortmunder Polizei kennt bisher nur die beiden geschilderten Fälle, aber sie geht davon aus, dass noch mehr geschehen ist. Eine Sonderkommission, die im September 2015 gebildet worden war, um die sogenannten „Antanzdelikte“ zu bekämpfen, ist am Donnerstag aufgestockt worden. Laut Polizeipressesprecher Oliver Peiler ist diese Antanzmasche in Dortmund kein unbekanntes Phänomen. Der Fokus habe bisher aber auf dem „Beutemachen“ gelegen.
Eine neue Dimension hätten diese Taten in der Silvesternacht durch die sexuelle Komponente bekommen. Auch sei es ein seltsamer Zufall, dass es in so vielen Städten in einer Nacht zu ähnlichen Delikten gekommen sei. Die aufgestockte Soko soll unter anderem sämtliche Delikte, die sich in der Silvesternacht in Dortmund ereigneten, auf einen möglichen Zusammenhang überprüfen.
Weitere Opfer dringend gesucht
Zeugen und weitere Opfer werden dringend gebeten, sich bei der Polizei in Dortmund unter Tel. (0231) 1 32 74 41 zu melden. Als Reaktion auf die Vorfälle in der Silvesternacht hat die Polizei eine Sonderkommission aufgestockt, die im September 2015 gebildet wurde. Mit ihr sollen mehr Fälle der sogenannten „Antanzmasche“ aufgeklärt werden. Der Fokus habe bei den Täter bislang auf dem „Beutemachen“ gelegen, sagt Polizeipressesprecher Oliver Peiler. Eine neue Dimension hätten diese Taten in der Silvesternacht durch die sexuelle Komponente bekommen.
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