Anklage gegen Klinikum-Chef: „Allenfalls“ Beihilfe statt Totschlags durch Unterlassen
Todespfleger Niels Högel
Das Landgericht Oldenburg will die Anklage gegen Vorgesetzte des Todespflegers Högel, unter ihnen auch Dortmunds Klinikums-Geschäftsführer Rudolf Mintrop, „allenfalls“ teilweise zulassen.

Rudolf Mintrop (Archivbild). © Dieter Menne (A)
Im September 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage wegen Totschlags durch Unterlassen gegen fünf teilweise ehemalige Mitarbeiter des Klinikums Oldenburg in 63 Fällen erhoben. Drei der fünf Personen, allesamt Kollegen bzw. Vorgesetzte des Krankenpflegers Niels Högel, sollen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft für drei Todesfälle, verursacht durch den Krankenpfleger Niels Högel, im Klinikum Oldenburg mitverantwortlich gewesen sein.
Zwei weitere, die damalige Pflegedirektorin und der Geschäftsführer, sollen darüber hinaus auch eine Mitverantwortung für 60 Högel-Tote im Klinikum Delmenhorst tragen. Der damalige Geschäftsführer ist der heute in Dortmund tätige Rudolf Mintrop.
In einer Pressemitteilung am Freitag gab das Landgericht eine „vorläufige rechtliche Einschätzung“ ab, die man als durchaus gute Nachricht für die fünf Vorgesetzten werten kann:
Voraussichtlich wird die Anklage der Staatsanwaltschaft so nicht zugelassen, denn ein „täterschaftliches Handeln“ sieht das Gericht nicht. Deswegen fehle der „Täterwille“, womit, so die Argumentation des Landgerichts, „allenfalls“ eine Anklage wegen Beihilfe durch Unterlassen infrage.
„Bestrafen von Handlung, nicht von Untätigkeit“
Und das auch lediglich für die drei Toten in Oldenburg, denn dem Landgericht fehlt für die Taten in Delmenhorst die sogenannte „Garantenstellung.“
Dazu heißt es in der Mitteilung des Gerichtes: „Das deutsche Strafrecht ist geprägt von dem Gedanken der Bestrafung von Handeln, nicht hingegen von Untätigkeit. Untätigkeit kann nur unter der besonderen Voraussetzung strafbar sein, dass der Nichthandelnde eine bestimmte Verantwortung zur Verhinderung des Schadens trägt, die so genannte Garantenstellung.“ Die sei aber allenfalls bei den Patienten in Oldenburg gegeben gewesen.
Bis Ende Januar 2020 können jetzt noch die Verteidiger der Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft Oldenburg Stellung nehmen. Dann will die Schwurgerichtskammer final über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden.
Prozess wäre juristisch Neuland
Sollte es zu einem Prozess kommen, wäre das Neuland, gegen die Vorgesetzten eines mordenden Krankenpflegers ist in Deutschland noch nie jursitisch vorgegangen worden. Högel, seit 1999 Krankenpfleger, hatte zunächst im Klinikum Oldenburg Patienten getötet.
Nach einer Häufung von Todesfällen in seinen Dienstzeiten wurde er in Oldenburg erst versetzt, anschließend sollte er entweder patientenfern arbeiten oder kündigen, seine Bezüge würden zunächst weiter bezahlt. Högel kündigte, erhielt ein gutes Zeugnis und wechselte nach Delmenhorst, wo er bis 2005 weiter tötete. Die Mordserie Högels gilt als vermutlich größte in der deutschen Nachkriegsgeschichte.