Riesiges Ufo-Einkaufszentrum über dem Hauptbahnhof? Welche Dortmunder Großprojekte scheiterten

Ufos und andere geplatzte Träume: Diese Dortmunder Großprojekte sind gescheitert
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Nach den Plänen für einen Umzug der Fachhochschule (FH) auf das ehemalige HSP-Gelände ist jetzt auch eine Neuansiedlung der FH am Hafen gescheitert. Der Wunsch, für die auf mehrere Standorte verteilte Fachhochschule Dortmund einen zentralen Campus zu schaffen, ist keinesfalls neu:

Vor gut 30 Jahren war eine Variante, die Hochschule auf das frühere Kasernengelände an der B1 umzusiedeln. Das war Anfang der 1990er-Jahre nach dem Abzug der britischen Rheinarmee aus Dortmund freigeworden und setzte Fantasien frei.

Das Campus-Projekt

Zu diesen Fantasien gehörte das Campus-Projekt, vorangetrieben vom früheren VW-Manager Daniel Goeudevert. Er wollte gemeinsam mit dem Pädagogik-Professor Andreas Gruschka eine private „Grand École“ für Management, Zukunftslabore, Institute für Grundlagen-Forschung und Weiterbildung ansiedeln. Sie holten dafür sogar ein EU-Gutachten ein, das die Machbarkeit des Projekts bestätigte. Goeudevert gewann sogar Jacques Delors, den damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, für seine Idee.

Trotzdem scheiterte das Projekt, denn eine Bedingung war, dass es je zur Hälfte aus öffentlichen und privaten Geldmitteln finanziert werden sollte. Die Unterstützung der Wirtschaft blieb allerdings aus. Und so wurde die Idee des Campus-Projekts zu den Akten gelegt.

Private Hochschulen entstanden später an anderer Stelle, wenn auch in kleinerer Form. Und das alte Kasernengelände wurde als Stadtkrone-Ost zum gefragten Büro- und Wohnstandort.

Die Stadtkrone-Ost ist fast vollendet. Da, wo einst ein Campus-Projekt entstehen sollte.
Die Stadtkrone-Ost ist fast vollendet. Da, wo einst ein Campus-Projekt entstehen sollte. © Hans Blossey

Aktuell entstehen gleich mehrere große Bürobauten direkt an der B1, die das Großprojekt vollenden, darunter die neue Zentrale der Continentale Versicherungen. Ein geplatztes Großprojekt wurde so durch ein erfolgreiches Großprojekt ersetzt.

Ufo und 3do über den Gleisen

Vollends geplatzt ist allerdings die ehrgeizige bis verrückte Idee, den Dortmunder Hauptbahnhof zu überbauen. 1996/97 wurde die Vision eines Ufos über den Gleisen propagiert, ein vom Hamburger Architekturbüro BRT erdachter gläserner Rundbau, der ein riesiges Einkaufszentrum beherbergen sollte. Anfang 1997 stellte der Rat der Stadt die Weichen für die Umsetzung der Idee.

So sollte das Einkaufszentrum Ufo über den Gleisen des Hauptbahnhofs aussehen. Die Pläne beschäftigten die Stadt über viele Jahre.
So sollte das Einkaufszentrum Ufo über den Gleisen des Hauptbahnhofs aussehen. Die Pläne beschäftigten die Stadt über viele Jahre. © BRT

Doch die Zweifel an der Realisierbarkeit wurden immer größer – bis schließlich der Hauptinvestor ausstieg. Doch schon bald fand sich mit dem portugiesischen Einkaufcenter-Betreiber Sonae Sierra ein neuer Investor.

So sollte das 3do über dem Hauptbahnhof aussehen.
So sollte das 3do über dem Hauptbahnhof aussehen. © Sonae Sierra

Sonae veränderte mit dem eigenen Hausarchitekten die Pläne, hielt aber an der Überbauung der Gleise fest. Statt eines Ufos sollte unter dem Titel 3do ein gigantischer Bau über dem Hauptbahnhof entstehen. Die Architektur des unförmigen Baukörpers mit einem segelartigen Hochhaus sorgte allerdings für wenig Begeisterung. Nach mehreren Jahren Planung zog schließlich die Deutsche Bahn die Notbremse, die sich nicht an dem Abenteuer beteiligen wollte.

Übrig blieb nur die Renovierung des alten Bahnhofsgebäudes, das in den 1950er-Jahren eigentlich als Provisorium entstanden war. Mit Fördermitteln für das Kulturhauptstadt-Jahr 2010 wurde es ein wenig herausgeputzt. Seit 2018 läuft der Umbau der eigentlichen Bahnstation. Es geht in erster Linie um die Barrierefreiheit der Bahnsteige, die nun per Aufzug erreichbar sind und eine Verschönerung der Anlagen.

Auch im Vergleich zur Bahnhofserneuerung in anderen Städten fällt dieses Projekt eher bescheiden aus. Immerhin soll es 2025 vollendet werden. Was aus den großen Plänen für die Nordseite des Bahnhofs mit einer grünen Spange und einer zweiten Bahnhofshalle wird, steht noch in den Sternen.

Dortmunder U

Wie am Bahnhof sind auch nebenan am U-Turm gleich mehrfach Träume geplatzt. Nach der Schließung der Union-Brauerei 1994 gab es zunächst einen Entwurf des weltberühmten Architekten Richard Rogers für ein Einkaufszentrum zwischen U-Turm und Wall. Dafür gab es mit Einkaufcenter-Betreiber ECE aus Hamburg auch schon einen Investor.

Doch ECE sprang ab, als die Stadt dem UFO-Plan am Hauptbahnhof den Vorzug gab. Zwei riesige Einkaufszentren in unmittelbarer Nähe, das passte nicht zusammen.

2004 lief der Abriss der alten Gebäude der Union-Brauerei an. Zuvor hatte es mehrere Pläne für eine neue Nutzung gegeben.
2004 lief der Abriss der alten Gebäude der Union-Brauerei an. Zuvor hatte es mehrere Pläne für eine neue Nutzung gegeben. © Menne (Archiv)

Es gab allerdings eine neue Idee: Der damalige Eigentümer des Dortmunder U, der Getränkekonzern Brau und Brunnen, setzte auf ein riesiges Sport- und Freizeitzentrum, das nach US-Vorbild rund um den U-Turm entstehen sollte. Doch auch dieser Plan platzte – nicht zuletzt, weil Brau und Brunnen von der Radeberger-Gruppe geschluckt wurde.

Statt am Dortmunder U ist ein ECE-Einkaufszentrum auf dem Gelände der früheren Thier-Brauerei entstanden - die Thier-Galerie.
Statt am Dortmunder U ist ein ECE-Einkaufszentrum auf dem Gelände der früheren Thier-Brauerei entstanden - die Thier-Galerie. © Hans Blossey

Am Ende blieben zwei neue Großprojekte, die realisiert wurden. Aus dem U-Turm wurde mit viel Geld von EU, Land und Stadt ein Zentrum für Kunst und Kultur. Und das Einkaufszentrum baute ECE auf dem früheren Gelände der Thier-Brauerei am Hohen Wall. Dort, mitten in der City, ist es für den übrigen City-Handel mit Sicherheit auch deutlich verträglicher als außerhalb des Wallrings.

Zuvor hatte es für das Thier-Gelände übrigens auch noch geplatzte Pläne gegeben. Ein Investor wollte dort ein großes 3D-Kino bauen.

Hochhäuser als City-Krone

Nicht vorangekommen ist bislang auch eine fixe Idee aus dem City-Konzept der Stadt, an den Einfallsstraßen zum Wall Hochhäuser zu bauen, die eine Art City-Krone bilden. Gleich mehrfach gab es so Anläufe für ein Hochhaus am Platz von Rostow am Don, anfangs als Bürogebäude, später als Wohnhaus. Doch auch diese Pläne scheiterten immer wieder.

So sah einer der letzten Entwürfe für ein Wohn-Hochhaus am Platz von Rostow am Don aus.
So sah einer der letzten Entwürfe für ein Wohn-Hochhaus am Platz von Rostow am Don aus. © RN-Archiv

Boulevard Kampstraße

Ein Großprojekt im Herzen der City ist der Boulevard Kampstraße – Ende der 1990er-Jahre entstanden übrigens als Reaktion auf die Ufo-Pläne am Hauptbahnhof. Denn man wollte die City aufwerten, um gegen das riesige Einkaufszentrum nördlich des Walls konkurrieren zu können.

Das Ufo hat längst abgehoben, die Boulevard-Pläne sind geblieben. 1998 gewann das Düsseldorfer Architekturbüro mit der Idee eines Lichtboulevards den von der Stadt ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb.

Nach dem Verschwinden der Stadtbahn unter die Erde konnte 2008 mit dem ersten Bauabschnitt ganz im Westen begonnen werden. Es entstand die Westentorallee mit vielen Bäumen und breiten Bürgersteigen. Danach wurde nach gleichem Muster der Brüderweg an der Ostseite des Boulevards umgestaltet.

Ein breites Pflasterband, ein Lichtband und ein Wasserlauf – das sind oder besser waren die Hauptelemente des Entwurfs für den Boulevard Kampstraße.
Ein breites Pflasterband, ein Lichtband und ein Wasserlauf – das sind oder besser waren die Hauptelemente des Entwurfs für den Boulevard Kampstraße. © Fritschi und Baum

Doch dabei blieb es bislang. Das zentrale Element des Boulevards mit einem Lichtband und einem Wasserlauf, die Petri- und Reinoldikirche verbinden, fehlt bis heute. Nach dem aktuellen Zeitplan soll frühestens 2025 mit Arbeiten dazu begonnen werden.

Schon mehrfach wurde allerdings in Verwaltung und Politik die Frage aufgeworfen, ob die Pläne inzwischen 25 Jahre alten Pläne überhaupt noch zeitgemäß sind. Ein mehrere Meter breites Band aus dunklem Natursteinpflaster passt nicht mehr zum Anspruch, die Stadt grüner und klimagerechter zu machen.

Obendrein ist ein zentrales Element des Fritschi-Entwurfs, der Wasserlauf, längst zu den Akten gelegt wurde. Viel zu spät stellte man fest, dass die Überdeckung über dem Stadtbahntunnel, der unter der Kampstraße verläuft, viel zu gering ist, um einen Wasserlauf anlegen zu können.

Allein deshalb kann man den Boulevard Kampstraße zumindest in seiner ursprünglichen Form wohl inzwischen ebenfalls zu den geplatzten Großprojekt-Träumen in Dortmund zählen.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 6. Juli 2023 und wurde mit Blick auf den FH-Umzug aktualisiert.

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