2021 als Rekord-Jahr: So viele Bomben-Entschärfungen gab es noch nie

© Schaper

2021 als Rekord-Jahr: So viele Bomben-Entschärfungen gab es noch nie

rnBlindgänger-Bilanz

Tausende Anwohner mussten - teilweise mehrfach - ihre Häuser verlassen, dreimal mussten Blindgänger sogar gesprengt werden. 2021 war für die Bomben-Entschärfer in Dortmund ein Rekordjahr.

Dortmund

, 28.12.2021, 11:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Stadtdirektor Jörg Stüdemann hatte schon Mitte des Jahres „einen neuen Höchststand an Bomben-Entschärfungen“ prophezeit. Er hat recht behalten: Gleich 54 Bombenblindgänger mussten die Experten des Kampfmittelräumdienstes in diesem Jahr in Dortmund unschädlich machen. Das ist gut das Doppelte der sonst üblichen Entschärfungen.

Üblicherweise werden pro Jahr zwischen 20 und 30 Bomben-Blindgänger in Dortmund entdeckt. 25 waren es 2018, 31 im Jahr 2019. 2020 fiel die Zahl mit 19 Entschärfungen deutlich geringer aus - weil man wegen der Corona-Pandemie versucht hatte, Evakuierungen zu vermeiden.

Jetzt lesen

Zu Jahresbeginn hatte aber schon Ubbo Mansholt als Chef des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg angedeutet, dass die Zahl der Entschärfungen 2021 deutlich höher liegen wird. Denn die Auswertung von Luftbildern aus dem Zweiten Weltkrieg, mit der mögliche Blindgänger aufgespürt werden, ging nahtlos weiter. Die Blindgänger-Verdachtspunkte lagen gewissermaßen „auf Halde“.

Jetzt lesen

54 Entschärfungen bedeuten - rein rechnerisch - eine pro Woche. Tatsächlich waren sie aber sehr ungleich verteilt, mehrfach konnten gleich vier oder fünf Blindgänger gleichzeitig entschärft werden.

Westfalenpark als „Hotspot“

Das gilt vor allem für den Westfalenpark, der 2021 der unangefochtene Bomben-Hotspot war. Gleich 33 Blindgänger wurden hier im Vorfeld von geplanten Baumaßnahmen aufgespürt und entschärft. Das heutige Areal des Parks war im Zweiten Weltkrieg wohl wegen der Nähe zum Hochofenwerk Phoenix und zur B1 ein bevorzugtes Ziel der alliierten Bomber.

Jetzt lesen

Was den Experten bei der Entschärfung die Arbeit erleichterte, war hier die Tatsache, dass meist nur wenige Anwohner in der südlichen Innenstadt von Evakuierungen betroffen waren. Dafür musste aber mehrfach die B1 kurzzeitig gesperrt werden.

Sprengung am Wall

Die spektakulärste Bombenentschärfung fand dagegen in der Innenstadt statt: Am 15. August, einem Sonntag, mussten 7200 Anwohnerinnen und Anwohner in der östlichen Innenstadt nach tagelanger Vorbereitung ihre Wohnungen verlassen. Auch ein Seniorenheim und die JVA mit 300 Gefangenen waren betroffen.

Jetzt lesen

Im Vorfeld hatte es gleich mehrere Bombenverdachtspunkte gegeben, von denen sich am Ende einer bestätigte: Am Platz von Novi Sad, nahe der Kreuzung Ostentor am Schwanenwall, lag ein 250 Kilo-Blindgänger.

Spektakuläre Bilder aus der Luft

Das Problem: Weil der Zünder deformiert war, konnte der Blindgänger nicht mehr entschärft werden, sondern musste kontrolliert gesprengt werden. Und das brauchte Zeit: Tonnenweise Sand wurde herangeschafft, um die Bombe zu überdecken.

Eine fliegende Drohne der Dortmunder Polizei hielt die Blindgänger-Sprengung am Wall fest.

Eine fliegende Drohne der Dortmunder Polizei hielt die Blindgänger-Sprengung am Wall fest. © Polizei Dortmund

Drohnenaufnahmen lieferten später spektakuläre Bilder von der Sprengung, die sichtbar Spuren an den Hausfassaden in der Nachbarschaft hinterließ - und damit zeigte, wie gefährlich die Detonation eines Blindgängers sein kann.

Die Folgen der Blindgänger-Sprengung waren am Platz von Novi Sad deutlich sichtbar. Menschen kamen aber nicht zu Schaden.

Die Folgen der Blindgänger-Sprengung waren am Platz von Novi Sad deutlich sichtbar. Menschen kamen aber nicht zu Schaden. © Schaper (A)

Es war nicht die einzige Sprengung in diesem Jahr. Zuvor war bereits ein Blindgänger auf dem Gelände der früheren Hoesch-Sinteranlage am Karrenberg gesprengt worden - und damit auf einer Brachfläche weit entfernt von Wohnsiedlungen. Betroffen waren nur einige Gewerbebetriebe in der Umgebung.

Zuletzt wurde am 9. Dezember eine Panzergranate mitten auf dem Dorfplatz in Oespel gesprengt. Hier mussten allerdings wegen der vergleichsweise geringen Sprengkraft nur 150 Anwohner im unmittelbaren Umfeld ihre Häuser verlassen.

Nicht immer lief es glatt

Zurück in die Innenstadt: Hier gab es außer am Wall, wo am 9. September ein weiterer Blindgänger entschärft wurde, gleich mehrere Bombenentschärfungen im Bereich Heiliger Weg, wo fleißig gebaut wurde - in der Straße selbst oder auch auf dem benachbarten früheren Südbahnhof-Gelände, wo ein neues Wohnquartier entsteht.

Auch am 9. September musste der Wall für eine Blindgänger-Entschärfung gesperrt werden.

Auch am 9. September musste der Wall für eine Blindgänger-Entschärfung gesperrt werden. © Schaper (A)

Mehrfach mussten hier mehr als 1000 Anwohner ihre Wohnungen räumen - was nicht immer glatt lief. Am 11. August weigerten sich mehrere Anwohner hartnäckig, ihre Wohnungen zu räumen. Das Ordnungsamt musste mit Hilfe der Polizei einschreiten. Eine halbe Stunde verzögerte sich der Beginn der Entschärfung und damit die gesamte Aktion für alle Betroffenen.

Jetzt lesen

„Es dauert nur für alle länger“, schildert Ordnungsamtsleiterin Beate Siekmann die Folgen, wenn sich Anwohner gegen eine Evakuierung sperren. Insgesamt mussten in diesem Jahr dreimal Türen gewaltsam geöffnet werden, um Anwohner dazu zu bewegen, ihre Wohnung zu verlassen.

Jetzt lesen

Was umgekehrt heißt: Der überwiegende Teil der Dortmunder Bürgerinnen und Bürger spielt gut mit bei Evakuierungen. Und auch die Organisation durch das städtische Ordnungsamt läuft mit viel Routine ab.

Wird nächstes Jahr der Rekord gebrochen?

„Da ziehen alle super mit“, freut sich Beate Siekmann über den Einsatz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch aus anderen Ämtern. „Das ist ein eingespieltes Team. Jeder kennt seine Rolle“, stellt die Ordungsamtsleiterin zufrieden fest.

Neben dem Tiefbauamt sind in der Regel Polizei, Feuerwehr und Ehrenamtliche der Hilfsdienste bei Evakuierungen im Einsatz. Die Ehrenamtlichen betreuen die Anwohner in den eigens eingerichteten Evakuierungsstellen. Auch da hat man inzwischen eine Lösung gefunden, um die Menschen coronasicher unterzubringen. Wer unter Quarantäne steht, wird gesondert untergebracht.

Die Erfahrungen wird man wohl auch in Zukunft nutzen müssen. „Es gibt noch reichlich Bombenverdachtspunkte“, weiß Beate Siekmann, deren Amt in der Regel die Suche in Auftrag gibt. Sie geht davon aus, dass der Rekord von 54 Entschärfungen in diesem Jahr nicht ewig hält. „Ich glaube“, sagt Beate Siekmann, „dass das noch erheblich steigen wird.“

Lesen Sie jetzt