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Corona-Soforthilfe: Soloselbständige müssen die Hosen herunterlassen
Coronavirus
Soloselbstständige sollen sich nackig machen. Bis zum 31. Oktober will das Land NRW von ihnen eine Rückmeldung zur Corona-Soforthilfe. Wer nicht fristgerecht reagiert, hat ein Problem.
Jonas Engelmeier aus Dorsten ist einer von etwa 350.000 Soloselbstständigen in NRW, die 2020 Corona-Soforthilfe vom Land bekommen haben - zur Milderung ihrer finanziellen Notlage durch die Lockdowns. „Bei mir waren das 9000 Euro“, sagt Engelmeier.
Von diesen 9000 Euro will das Land aber einen erheblichen Batzen zurückhaben, vermutlich 7000 Euro. „Weil das Land nachträglich 16-mal die Bedingungen für den Bezug der Soforthilfe per Email an die Betroffenen der eigenen Rechtsauffassung angepasst hat“, sagt Rainer Herrmann, Sprecher der Interessengemeinschaft IG NRW-Soforthilfe. Sie setzt sich für die Kleinunternehmer ein.

Einer von tausenden Soloselbstständigen im Land, die betroffen sind: der Dorstener Jonas Engelmeier. © Claudia Engel
Hunderte Soloselbstständige halten das für unberechtigt und haben Klage an sieben Verwaltungsgerichten in NRW eingereicht, um eine Rückzahlung von mehreren tausend Euro pro Person abzuwenden. Rund zwei Milliarden Euro will das Land schätzungsweise von allen Soforthilfeempfängern zurückhaben, sagt uns Rainer Herrmann auf unsere Anfrage.
Strittig zwischen Land und Soforthilfeempfängern sind einige Details. „In den Online-Rückmeldeformularen des Landes tauchen Kriterien plötzlich gar nicht mehr auf, die 2020 noch zu einem Leistungsbezug berechtigt haben“, sagt Rainer Herrmann. Zum Beispiel Lebenshaltungskosten oder aber auch Betriebskosten. „Das Ganze ist ein Riesensumpf für kleine Antragsteller“, kommentiert Rainer Herrmann. Die meisten Betroffenen seien „kleine Krauter“ wie er selbst und gingen ganz sicher pleite, wenn sie zahlen müssten.
Fehler für das entstandene Chaos gesucht
Rainer Herrmann führt das „entstandene Chaos“ darauf zurück, dass das Land bei der ursprünglich als „schnelle und unbürokratische Hilfe gedachten und ausgezahlten Soforthilfe grobe handwerkliche Fehler gemacht hat“. Für die habe der Bund nicht eintreten wollen.
Das Land sieht das völlig anders. In seiner Begründung zu der verpflichtenden Rückmeldung heißt es unter anderem: „Alle Empfängerinnen und Empfänger der NRW-Soforthilfe 2020 wurden im Bewilligungsbescheid darüber informiert, dass die Soforthilfe zweckgebunden ist. In Nordrhein-Westfalen wurde zu jedem bewilligten Antrag zunächst die maximale Fördersumme ausgezahlt, um schnell und unbürokratisch zu unterstützen. Mit der Rückmeldung erinnert das Land daran, dass der Anteil der Soforthilfe, der im Förderzeitraum nicht für betriebliche Ausgaben verwendet wurde, zurückerstattet werden muss.“
Kostspielige Rechtsstreits stehen bevor
Das Land scheut deshalb vor kostspieligen Rechtsstreits mit den Hilfeempfängern nicht zurück. Ein Landtagsbeschluss zur Verfahrensweise wäre möglich gewesen, sagt uns Rainer Herrmann. Bevorzugt worden sei indes der Gang vor die Gerichte. „Das Land hat Verwaltungsrechtsexperten auf die Fälle angesetzt“, so Herrmann.
Seine Initiative habe das auch getan. Als ersten Teilerfolg wertet Herrmann einen Hinweis des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. September 2021 an einen Anwalt eines Klägers, wonach dieses zu erkennen gegeben habe, dass sich die E-Mails des Landes an die Soforthilfeempfänger „sowohl nach ihrer formalen Gestaltung als auch nach ihrem Inhalt nicht als (den ursprünglichen Bewilligungsbescheid verändernde) Verwaltungsakte darstellen“.
Rainer Herrmann schätzt, dass etwa 350.000 von insgesamt 428.000 Antragstellern noch keine Rückmeldung abgegeben haben. „Hoffentlich wird der Server des Landes am Monatsende nicht in die Knie gehen“, sagt er. Denn antworten müssen die Soloselbstständigen. Tun sie es nicht, bekommen sie einen Widerrufsbescheid, der die Soforthilfe rückwirkend aufhebt. „Die Betroffenen müssten dann umgehend das Geld zurückzahlen. Eine Klage hätte keine aufschiebende Wirkung“, warnt Herrmann.
Seit 20 Jahren als Lokalredakteurin in Dorsten tätig. Immer ein offenes Ohr für die Menschen in dieser Stadt, die nicht meine Geburtsstadt ist. Das ist Essen. Ehefrau, dreifache Mutter, zweifache Oma. Konfliktfähig und meinungsfreudig. Wichtige Kriterien für meine Arbeit als Lokalreporterin. Das kommt nicht immer gut an. Muss es auch nicht. Die Leser und ihre Anliegen sind mir wichtig.
