
© Claudia Engel (A)
Dorstener klagt wegen Soforthilfe: „Unwürdiges Ausmaß an Tücke“
Coronavirus
Ein Dorstener hat das Land Nordrhein-Westfalen verklagt. Wegen der Soforthilfe für Solo-Selbstständige. Er spricht von einem „unwürdigen Ausmaß an Tücke“ und nennt Gründe.
7000 Solo-Selbstständige verklagen die NRW-Landesregierung. Jonas Engelmeier ist einer von ihnen. Sie alle haben sich in der Interessengemeinschaft NRW Soforthilfe zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie juristisch gegen die mehrfach im Nachhinein geänderten Bedingungen durch das Finanzministerium vorgehen. Viele der Soforthilfe-Empfänger kommt das womöglich teuer zu stehen. Sie müssen, je nach Fall, einige tausend Euro wieder zurückzahlen.
Engelmeier hat nicht erst seit gestern die Nase voll. „16-mal wurden die FAQ (häufig gestellte Fragen) für die Soforthilfe abgeändert. Anfang Juli 2020 und Oktober 2020 erhielten circa 100.000 der insgesamt 426.000 Soforthilfeempfänger in NRW eine E-Mail“, sagt Engelmeier.
Engelmeier: „Das, was ich zunächst für viele von uns als „harmlose“ NRW-E-Mail mit der Aufforderung zur Rückmeldung darstellte, war nicht harmlos. Dank unserer Anwälte wissen wir es jetzt besser.“ Engelmeier und seine 7000 Mitstreiter in der IG haben die fünfstelligen Honorare für Verwaltungsrechtsexperten gemeinsam gestemmt, um gegen das Finanzministerium vorzugehen. Engelmeiers Klage liegt nach dem E-Mail-Affront der Landesregierung nun beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vor. „Um die Jahresfrist zu wahren, die mit dem E-Mail-Schreiben des Landes verbunden ist.“
Massive Änderungen beiläufig übermittelt
„Im Bescheid, der nicht als solcher betitelt worden ist und auch so nicht betitelt werden muss, wie uns die Anwälte gesagt haben, wurden uns wahrscheinlich massive und zuvor nicht geltende Änderungen an den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden übermittelt“, empört sich der Dorstener. Zusammen mit der Interessengemeinschaft habe er versucht, eine verbindliche Stellungnahme aus dem Finanzministerium zu bekommen. „Ohne Ergebnis, also haben wir keine Wahl.“
Dabei habe die Interessenvertretung der Hotel- und Gastgewerbebranche DEHOGA Schützenhilfe geleistet und ebenfalls um eine verbindliche Stellungnahme aus dem Wirtschaftsministerium gebeten, dass es sich bei den E-Mail-Informationen „nicht um Änderungen an den Bewilligungsbescheiden handelt“. Auch dieser Einsatz zeigte keine Wirkung. Das Ministerium lehnte eine Stellungnahme ab.
Bund hat Vorschlag der Länder abgelehnt
Auf unsere Anfrage verwies die Pressestelle des Hauses auf eine offizielle Stellungnahme des Finanzministeriums. Demnach seien die FAQ von Beginn an gebündelt beantwortet worden. „Hier sind mit der Zeit Fragen hinzugekommen und Antworten konkretisiert worden. Allein bei der Frage, ob die Soforthilfe auch für Lebenshaltungskosten genutzt werden kann, gab es eine Anpassung an die Vorgaben des Bundes“, heißt es aus dem Ministerbüro. Der Bund habe den Vorschlag der Länder abgelehnt, dass „insbesondere Kleinunternehmer und Soloselbstständige mit wenig betrieblichen Kosten so entlastet werden“.
Das Land sei der festen Überzeugung, dass den Betroffenen kein Nachteil entstehen darf, weshalb es „unter bestimmten Voraussetzungen möglich war, mit einer Vertrauensschutzlösung aus dem Landeshaushalt einmalig einen Pauschbetrag von 2000 Euro für die Corona-Monate März und April 2020 von insgesamt 2000 Euro als Lebenshaltungskosten anzusetzen“.
Mit dem Kopf durch die Wand
Warum es keine vorgerichtliche Einigung mit den Klägern gegeben hat oder was aus Sicht des Landes zu der Vielzahl der Klagen zu sagen ist, ließ die Pressestelle unbeantwortet. Jonas Engelmeier meint zu wissen, wie der Hase läuft: „Das NRW-Wirtschaftsministerium hat Hilfe versprochen, die der Bund am Ende so nicht mittragen wollte. Jetzt will Minister Pinkwart mit dem Kopf durch die Wand.“
Seit 20 Jahren als Lokalredakteurin in Dorsten tätig. Immer ein offenes Ohr für die Menschen in dieser Stadt, die nicht meine Geburtsstadt ist. Das ist Essen. Ehefrau, dreifache Mutter, zweifache Oma. Konfliktfähig und meinungsfreudig. Wichtige Kriterien für meine Arbeit als Lokalreporterin. Das kommt nicht immer gut an. Muss es auch nicht. Die Leser und ihre Anliegen sind mir wichtig.
