Andreas Sonnek hat sich ein Pedelec-Tandem zugelegt. Sicher zu fahren, will er beim vhs-Kurs trainieren.

Andreas Sonnek hat sich ein Pedelec-Tandem zugelegt. Sicher zu fahren, will er beim vhs-Kurs trainieren. © Lydia Heuser

Zu viele Unfälle: Andreas Sonnek und Co. trainieren das Pedelec-Fahren

rnRadfahren

Immer mehr Radunfälle passieren mit Pedelecs. Die Polizei bietet deshalb Kurse an. In Castrop-Rauxel kommen einige Kursteilnehmer an ihre Grenzen. Oft hat das einen simplen Grund.

Castrop-Rauxel

, 24.07.2022, 08:55 Uhr

Die roten Hütchen stehen im gleichmäßigen Abstand zueinander auf dem Asphalt aufgereiht. Andreas Sonnek macht sich bereit, tritt in die Pedale seines Tandem-Pedelecs und fährt das erste Hindernis an. Links, rechts, links, rechts, links, rechts – er kommt sicher durch. Die Schlangenlinien hat er geschafft.

Dann die nächste Schwierigkeit: eine enge Passage, markiert durch gelbe Hütchen. Gleich danach eine enge Linkskurve. Andreas Sonnek manövriert sein Gefährt sicher durch die Engstelle.

Auf dem Schulhof des Berufsbildungszentrums in Dingen trainieren an diesem Tag 17 Teilnehmer das sichere Fahren auf ihren Pedelecs. Martin Weinhold und Bianka Jendreiko von der Verkehrsunfallprävention der Polizei geben wertvolle Tipps. „Na sehen Sie, es geht doch“, ruft Martin Weinhold einer Teilnehmerin hinterher, die gerade den Slalom gemeistert hat. „Wir müssen gleich einmal wegen der Höhe gucken.“ Der Polizist meint den Sattel.

Probleme mit dem Rad? Ein simpler Grund kann die Ursache sein

Die richtige Höhe ist wichtig. Das Rad lässt sich dann sicher beherrschen und man schont die Gelenke. Maria Gräske ist mit ihrem neuen Pedelec zum Kurs gekommen. Die Sattelstütze steckt bis ultimo im Sattelrohr – tiefer kann die zierliche Frau nicht sitzen.

Trotzdem fühlt sie sich unsicher. „Ein kleinerer Rahmen wäre besser“, sagt Maria Gräske. Das hat sie im Kurs gelernt. Die Kaufberatung war nicht die beste, das weiß sie jetzt.

„Man hat mir zwar zu einem Pedelec geraten, das den Motor in der Mitte (Anmerkung d. Red.: am Tretlager) hat, aber das reicht nicht“, sagt die Dortmunderin. Das zusätzliche Gewicht in der Mitte des Rads anstatt am Laufrad sollte den Schwerpunkt so verlagern, dass er weniger Einfluss auf das Fahrverhalten hat.

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Trotzdem: Das Rad von Maria Gräske wiegt gute 25 Kilo. Sie selbst 55 Kilo – klar, dass sie da Probleme bekommt, wenn der Rahmen eigentlich eine Nummer zu groß für sie ist.

„Das Rad werde ich jetzt abgeben“, hat Gräske beschlossen. Die Entscheidung hat sie während des Trainings gefällt.

Das Pedelec ist Maria Gräske viel zu groß. Das ist ihr beim Kurs klargeworden.

Das Pedelec ist Maria Gräske viel zu groß. Das ist ihr beim Kurs klargeworden. © Lydia Heuser

Besonders die zweite Aufgabe hat es in sich. Die Teilnehmer sollen einen kleinen, aber steilen Hügel hinauffahren. Vorher gibt es aber eine Rechts-vor-links-Situation. Einfach durchfahren geht also nicht. Die Radfahrer müssen vorher bremsen, nach rechts schauen, sich vergewissern, dass niemand kommt. Erst dann können sie den Hügel rauffahren.

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Nicht einfach. Obwohl ein Pedelec ordentlich Power hat, ungefähr 0,7 PS bei einem Motor mit 500 Watt laut Polizist Weinhold. Genau hier liegt auch die Gefahr und Schwierigkeit. „Wir sehen, dass sie Unfallzahlen leider in den letzten Jahren immer wieder nach oben gegangen sind“, sagt Martin Weinhold. „Viele Senioren unterschätzen einfach die Kraft dieser Fahrräder.“

Um die Kurve, dann Vorfahrt beachten und den Hügel hochfahren - gar nicht so einfach.

Um die Kurve, dann Vorfahrt beachten und den Hügel hochfahren - gar nicht so einfach. © Lydia Heuser

Tandemfahrer Andreas Sonnek stellt sich dem Hügel-Hindernis. Anfahren, Linkskurve nehmen, stoppen, nach rechts schauen, wieder antreten und den Hügel hochfahren.

Eigentlich sitzen zwei Menschen auf dem langen Tandem. Nun muss Andreas Sonnek alleine die Steigung meistern. Er geht aus dem Sattel, setzt sein ganzes Körpergewicht ein, um die Pedalachse herumzukriegen. Fast bleibt er am Hügel stehen. Martin Weinhold und Bianka Jendreiko schieben ein bisschen mit an. Es klappt. Andreas Sonnek ist oben. Keines der Hütchen in der schmalen Kurve hat er touchiert.

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Das Tandem haben er und seine Frau sich gekauft, weil sie nicht mehr alleine fahren wolle. „Ein paar Touren Richtung Kanal haben wir schon gemacht“, sagt Andreas Sonnek. Aber er wollte „noch ein bisschen üben“, deshalb hat er sich zum VHS-Kurs in Dingen angemeldet. Vor allem die Engstellen und der Slalom seien schwierig gewesen, schließlich ist sein Tandem sehr viel länger als ein gewöhnliches Fahrrad.

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Die Schaltung war nicht richtig eingestellt

Erika Bertrahm hat ebenfalls viel mitgenommen vom Training. „Ich habe gelernt, mit den Gängen umzugehen.“ Vorher sei sie immer im sechsten Gang gefahren, runterzuschalten war kaum möglich. Den Grund für das Problem habe sie erst durch die aufmerksamen Radexperten des Kurses herausgefunden. „Meine Nabenschaltung war falsch eingestellt“, sagt sie.

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Nun kann sie endlich auch leichtere Gänge fahren und damit besser auf Situationen reagieren. „Bergauf muss ich zum Beispiel schnell runterschalten“, sagt Erika Bertrahm. Im sechsten Gang hätte sie die Hügel-Aufgabe nicht meistern können, trotz Motorunterstützung.

Die schmalen Passagen meistern die Teilnehmenden nach mehrmaligen Üben schon sehr sicher.

Die schmalen Passagen meistern die Teilnehmenden nach mehrmaligen Üben schon sehr sicher. © Lydia Heuser

Denn im Gegensatz zum E-Bike schaltet sich der Motor eines Pedelecs nur ein, wenn der Radfahrer selbst in die Pedale tritt. Im sechsten Gang am Berg anzufahren, ganz ohne Schwung, das ist kaum machbar.

Im Straßenverkehr gibt es solche Situationen aber. Deshalb ist es so wichtig, dass Pedelec-Fahrer trainieren, ein auf ihre Größe eingestelltes Rad haben. Andreas Sonneke, Erika Bertrahm und Maria Gräske jedenfalls fühlen sich jetzt sicherer auf ihren Rädern.