
© Dieter Düwel
Wie drei Castroper Läden von Billigmieten in der Altstadt profitieren
Geschäftswelt
96 Euro Monatsmiete für ein Ladenlokal in der besten Lage, die Castrop-Rauxel zu bieten hat. Ein Traum-Preis. Drei Geschäfte sind auf Basis dieser Billigmiete inzwischen neu in der Altstadt.
Für Isabell Auffenberg ist es der Clou, für Immobilienbesitzer Dr. Magnus Heier die Lösung seines promintenten Leerstands am Münstertor: Die Ickerner Bäckerei und Konditorei ist einer von drei Profiteuren eines Programms, das der Castroper Altstadt auf die Beine helfen soll. Isabell Auffenberg eröffnete in Top-City-Lage ihr sechstes Lokal mit dem größten Café. Und seit Auffenbergs am 1. November vor Ort sind, brummt das Geschäft, als hätte die Altstadt nur so auf diesen Betrieb gewartet.
96 Euro Monatsmiete: Da liegt die Bäckerei natürlich deutlich drüber. Auf diesen Betrag kommt Louis Burmann mit seinem Geschäft „Gelb Solar“: Es ist eines der kleinen Ladenlokale an der Münsterstraße, genau dort also, wo früher mal der Forum-Ticketshop war. Der 25-Jährige berät dort in Photovoltaik-Fragen. Kürzlich erst ist ein Einfamilienhaus in Frohlinde mit neuen Solarmodulen ausgestattet worden. Gelb Solar war dort aktiv.

Vor dem Ladenlokal von Gelb Solar: Über die Ansiedlung der Firma in der Münsterstraße freuen sich (v.l.n.r.): Bürgermeister Rajko Kravanja, Verena Reuter, Leiterin der Stadtentwicklung, Vermieter Ulrich Wolf und Louis Burmann, Vertreter und Vertriebler von Gelb Solar. © Natascha Jaschinski
350.000 Euro hat die Stadt Castrop-Rauxel von der Bezirksregierung Münster im Dezember 2020 bewilligt bekommen, um die Innenstadt wiederzubeleben. 275.000 Euro davon sind für das besondere Miet-Modell vorgesehen, von dem alle profitieren sollen: die Ladenbetreiber, die zwei Jahre lang nur ein Fünftel des eigentlichen Mietzinses selbst zahlen müssen; die Vermieter, die wieder Miete bekommen und dabei auf 30 Prozent der letzten Kaltmiete verzichten; die Stadt an sich, die attraktiver wird, wenn Leerstände verschwinden.
Auch die JVA Meisenhof nutzte das Modell: Im vergangenen Jahr hatte sie im Advent für ein paar Wochen am Biesenkamp einen Knastladen eröffnet. Ihr eigener Winter-Basar konnte damals wegen Corona nicht stattfinden, aber die Produkte aus den Werkstätten, in denen die Gefangenen produzieren, sind als Geschenke sehr beliebt. Holz- und Metallarbeiten zum Beispiel in guter Qualität, individuell und handgefertigt.

Die JVA-Leiter Beate und Julius Wandelt waren erfreut über den riesigen Zuspruch am Eröffnungstag des Knastladens. © Dieter Düwel
Jetzt griffen Anstaltsleiter Julius Wandelt mit Beate Wandelt, Leiterin der JVA Essen, über das Programm auf eine feste Bleibe zu: Deren gemeinsam betriebener NRW-weit einmaliger Knastladen ist nun an der Lönsstraße 16 zu Hause. Nicht nur für ein paar Wochen, sondern mindestens für zwei geförderte Jahre. Häftlinge und Justiz-Mitarbeiter verkaufen dort ihre Produkte.
Günstiger kann man nicht ran kommen
„Das Programm versetzt uns endlich konkret in die Lage, Mietern zu helfen“, findet Bürgermeister Rajko Kravanja. Auch Immobilienmaklern kann das zugute kommen: Michael Dschaak von Blase Immobilien bietet das Lokal Biesenkamp 23 unter dem Dach dieses Sofortprogrammes an. 88 Quadratmeter, der Vermieter willigte in den Drittel-Verzicht ein. Günstiger kann man nicht ran kommen. Allein: Noch fehlt ein Mieter.
Ulrich Wolf ist so ein Immobilien-Besitzer. Ihm gehört das Haus mit dem Ladenlokal von Gelb Solar. Er ist froh, dass nun wieder jemand das Geschäft ausfüllt. Er selbst, sagte er, habe früher zwei Einzelhandelsgeschäfte besessen – und einen „entgegenkommenden Vermieter“. Hier gibt es noch das Geld vom Staat – auch wenn die Mieteinkünfte geringer sind als bei einer Regel-Vermietung.
Eisdiele läuft nicht übers Sofortprogramm
Die Option offerierte Dschaak nach eigener Aussage auch den Betreibern der neuen Eisdiele Floridia. Die italienischstämmigen Berliner ziehen 2022 da ein, wo jahzehntelang Fiore zu Hause war: direkt am Busbahnhof. Ein Deal über das Sofortprogramm NRW kam aber nicht zustande. Weil es auf zwei Jahre befristet ist, soll das Modell den neuen Betreibern wohl zu vage gewesen sein – sie wollten langfristig etwas aufbauen.

Noch stehen die Räume des Eiscafés am Busbahnhof leer. © Tobias Weckenbrock
Ob aus Auffenbergs neuem Backlokal langfristig etwas wird, ist offen. Es läuft aber bisher seit sechs Wochen offensichtlich sehr gut. Ob Louis Burmann mit Gelb Solar genug Kunden findet, um ab Herbst 2023 eine höhere Miete zahlen zu können, liegt wohl auch an bundespolitischen Entwicklungen in der Klimaschutz-Frage: Förderprogramme für Solarstrom oder die Solarpflicht könnten für einen Run auf solche Angebote sorgen. Ob der Knastladen sich hält, wird auch daran liegen, ob der Kunde das Angebot annimmt.

Das Kaffeehaus am Münstertor in der Castroper Altstadt wird seit November 2021 von der Bäckerei und Konditorei Auffenberg betrieben. © Tobias Weckenbrock
Genug Leerstand gibt es in der Castroper Altstadt noch immer. Durch die Schließung der Banken am Marktplatz kommen gerade sogar wieder neue leere Ladenlokale hinzu, Schuhhaus Schlatholt, der ehemalige Handyladen ein paar Meter weiter Richtung Biesenkamp, das ehemalige Lichthaus am Zugang zum Markt, der einstige Zeeman am Münsterplatz – das sind nur ein paar prominente Beispiele für weitere Potenziale, wie es Stadtplaner ausdrücken würden.
Die aufgerufenen Mieten für leere Ladenlokale in der Altstadt sind unterschiedlich. Es gibt kleine Geschäfte, die für annähernd 20 Euro/Quadratmeter inseriert haben, aber auch größere, die für 12, 10 oder 6 Euro/Quadratmeter zu mieten sind. Der Laden von Gelb Solar ist nicht allzu groß. Aber 96 Euro sind unschlagbar wenig Geld...
Stadt: Es gibt weitere Anfragen
Stadtsprecherin Uta Stevens sagte jetzt unserer Redaktion: „Weitere Anfragen gibt es, diese werden aktuell geprüft. Im Fördertopf stehen noch Gelder für weitere Anmietungen zur Verfügung.“
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
