
Tempo 30 auf der Bahnhofstraße: An den Schulen (hier WBG, aber auch EBG und MLKS) gilt werktags von 7 bis 17 Uhr Tempo 30. Auch in den Ferien. Für die FDP ist das ein No-Go, für die Koalition aus SPD und Grünen soll es künftig 24 Stunden am Tag an sieben Tage in der Woche gelten. © Thomas Schroeter
Riesen-Debatte um Tempo 30: Viele Kommentatoren wettern dagegen
Verkehrswende
Es ist des Deutschen liebstes Thema: Autofahren. Und wenn es den Autofahrern an die freie Fahrt geht, gibt es Ärger. So geschehen nun in Castrop-Rauxel. Der Zankapfel hier: Tempo 30 in der Stadt.
Die Politik hat sich in der Mehrheit für Tempo 30 im Stadtgebiet ausgesprochen: Die Koalition aus Rot und Grün, aber auch kleine Oppositionsfraktionen haben am Donnerstag im Castrop-Rauxeler Stadtrat zugestimmt, der „Initiative lebenswerte Städte“ beizutreten. Die 206 Mitglieds-Kommunen verbindet: Sie wollen den Individualverkehr mit Autos weiter beschränken.
Aus diesem Beschluss ist nun eine große Debatte im Internet entstanden: Unsere Berichte werden bei Facebook diskutiert und kommentiert. Der Haupt-Tenor derer, die sich da einbringen: die falsche Entscheidung!
„Ich halte es für Schwachsinn“, kommentiert ein Leser. „Zuerst einmal sollte es vernünftige Radwege geben und nicht so gefährliche Schlaglochpisten wie auf der Recklinghauser Straße. (...) Im übrigen halten sich weder die Busse, Lkw noch Motorradfahrer an die Begrenzungen, zum Beispiel auf dem Altstadtring. Wer 30 fährt, wird angeblinkt und angehupt.“ Eine Berufspendlerin in die Altstadt ergänzt: „Jeder Bus fährt so dicht auf, dass ich alle Details im Rückspiegel erkennen kann, oder er überholt. Selbst die Polizei fährt hier 45 km/h.“
„Werden bald von E-Scootern überholt“
Ein anderer Facebook-Nutzer meint: „Dann werden wir wohl demnächst von Radfahrern oder E-Scooter-Fahrern überholt.“ Eine Nutzerin meint: „Gut, dass wir in Ickern nah an Mengede wohnen. Dann kaufe ich halt da ein…“ Eine andere schreibt, dass Castrop-Rauxel immer unattraktiver werde. Und Mario Rommel, einst selbst Bürgermeisterkandidat, kommentiert: „Tja, die Castroper haben ja Grün und vor allen Dingen die SPD gewählt. Jetzt bekommt ihr die Rechnung dafür. Die SPD knickt vor den Grünen ein!“
Es gibt aber auch die andere Sicht. „Je weniger Ausnahmen, umso weniger Missverständnisse und umso eindeutiger die Regeln“, meint ein User, der als Fahrschullehrer in der Stadt arbeitet. Er bezieht sich auf die bisherige Regelung von Tempo 30 vor Schulen tagsüber. Würde grundsätzlich Tempo 30 gelten, könnte man viele Schilder einfach abbauen.
Aber was bedeutet der Beitritt zur Initiative lebenswerte Städte überhaupt? Castrop-Rauxel würde sich als Mitglied diesen Positionen anschließen:
- 1. Wir bekennen uns zur Notwendigkeit der Mobilitäts- und Verkehrswende mit dem Ziel, die Lebensqualität in unseren Städten zu erhöhen.
- 2. Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.
- 3. Wir fordern den Bund auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kommunen im Sinne der Resolution des Deutschen Bundestags vom 17.01.2020 ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten.
- 4. Wir begrüßen ein vom Bund gefördertes begleitendes Modellvorhaben, das Einzelaspekte im Zusammenhang mit dieser Neuregelung untersuchen soll (u.a. zu den Auswirkungen auf den ÖPNV, zur Radverkehrssicherheit und zu den Auswirkungen auf das nachgeordnete Netz), um ggf. (...) nachsteuern zu können.
Seine Bedenken für den Busverkehr teilt ein Nutzer bei Facebook. Er warf ein, dass damit wohl auch die Fahrpläne für Linienbusse umgeschrieben werden müssten. Darauf wies auch Carsten Papp (CDU) in der 20-minütigen Ratsdebatte hin.
Bürgermeister Rajko Kravanja unterstrich dort, dass mit einem Positiv-Beschluss nicht alle Straßen automatisch auf Tempo 30 beschränkt würden, sondern dass lediglich das Grundprinzip umgekehrt werde: Innerorts gelte könne die Stadt grundsätzlich Tempo 30 einführen außer auf Ausnahme-Strecken. Tempo 50 oder sogar 70 wie auf der B235 zwischen Stadtmittelpunkt und Habinghorst sei auch in Zukunft sinnvoll.
Dafür stimmten SPD, Grüne, Linke, Die Partei und Notburga Henke (fraktionslos), dagegen CDU, FDP und UBP.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
