
Kommunalpolitik ist wichtig. Das meine ich jetzt gar nicht ironisch, sondern so bierernst, wie es nur möglich ist. Viel zu wenige Menschen kümmern sich heute noch darum, wie es mit der Situation Castrop-Rauxels in Zukunft aussehen kann, was man anschieben, verhindern oder ausprobieren muss, um das Gemeinwohl vor Ort zu stärken.
Kommunalpolitik ist also wichtig. Das Problem ist nur, dass sich viele Kommunalpolitiker auch wichtig nehmen. Sogar zu wichtig, wenn man die Rolle manches Politikers/mancher Politikerin in Rat und Ausschüssen beobachtet und verfolgt. Darum hätte ich für das kommende Jahr einige Wünsche an die einzelnen Fraktionen.
Da fehlt noch Einiges
Liebe SPD, natürlich fange ich mit meiner Wunschliste bei der größten Fraktion an, die zudem mit den Grünen das Heft des kommunalpolitischen Handelns in der Hand hat: 2024 könnte die SPD so langsam einige Versprechungen aus dem Kommunalwahlprogramm 2020 einlösen, gerade für Familien. Der Hebammenkompass etwa ist seit Veröffentlichung des Programms nie mehr aufgetaucht. Und auch die Wohnraumbörse sucht man bis heute vergebens. OGS-Plätze für alle Kinder? Fehlanzeige. „Unser Herz schlägt für Castrop-Rauxel, deshalb sorgen wir dafür, dass Castrop-Rauxel die familienfreundlichste Stadt im Ruhrgebiet wird.“ So schrieb man 2020. Tja..

Liebe CDU, mit der „Regierungsverantwortung“ ist es 2020 nichts geworden. Außer gelegentlich aufflackerndem Interesse an Sicherheitsthemen ist es der CDU bis heute aber auch in der Opposition kaum einmal gelungen, eigene Themen zu setzen. Die Gänseproblematik lasse ich dabei nicht unbedingt gelten und auch die Frage, ob Menstruationsartikel nun kostenlos ausgegeben werden müssen, zahlte nicht unbedingt auf den Anspruch einer großen Fraktion im Rat ein. Also, liebe Christdemokarten: Könnt ihr 2024 weniger langweilig sein und der Koalition mal richtig einheizen? Sonst habt ihr 2025 wieder keine Chance.
Mal mehr, mal weniger
Liebe Grüne, ihr seid seit Jahren immer wieder in Koalition mit den Sozialdemokraten für die Gestaltung der Stadt verantwortlich. Leider aber bekommt quasi niemand davon in Castrop-Rauxel mit. Denn die Grünen machen sich fast unsichtbar außerhalb des Ratssaals. Sie tauchen einfach nicht auf in der öffentlichen Wahrnehmung. Bürgernähe sieht irgendwie anders aus. Kommt 2024 bitte aus euren Löchern und zeigt, wofür die Grünen in Castrop-Rauxel eigentlich stehen

Liebe FDP, oder sollte ich sagen, lieber Nils Bettinger? Denn viel mehr als dieser Einzelkämpfer ist von der FDP in der Stadt kaum zu erkennen. Der freilich gibt annähernd eine Ein-Mann-Opposition an allen Fronten, auf allen Sachgebieten, auf allen Kanälen. Das wirkt manchmal überzogen, manchmal willkürlich. Erst sollte die Stadt auf die Karte Wasserstoff setzen, jetzt neu auf Geothermie. Ob das die Menschen auf der Straße erreicht? Etwas mehr Unterstützung für den Frontmann wäre gut, liebe FDP. Und etwas mehr Fokussierung auf die Themen, mit denen man der Koalition in der Öffentlichkeit wirklich weh tun kann.
Reicht das so?
Liebe FWI, leider bekommt man von Ihrer Fraktion inzwischen viel zu wenig mit. Wehmütig erinnert man sich als Begleiter der Kommunalpolitik an den politischen Druck, den ein Manfred Postel den etablierten Parteien gemacht hat, an das stete schlechte Gewissen, das Hermann-Josef Bohle als Oppositionspolitiker den Regierenden immer wieder in Rat und Ausschüssen machte. Bitte, Anette Korte und Harald Piehl: Seid den anderen Fraktionen 2024 ein ständiger Dorn im Auge, piesackt, hinterfragt, quält Verwaltung und Koalition im Sinne der Bürger.

Verflixt wenig
Wenig erwarte ich auf jeden Fall von der Die-Partei-Fraktion. Man hatte sich frischen Wind im Rat erhofft, als die Zwei-Mann-Abteilung in die Castrop-Rauxeler Kommunalpolitik schneite. Außer vieler eher lauer Gags, außer Marcus Liedschultes penetrantem Anlegen mit der CDU ist aber leider nichts gekommen. Zumal man nie weiß, wann er und sein Kompagnon Andreas Kemna nun auf satirisch oder auf ernsthaft machen. Außer beim Thema Tier. Das ist aber verflixt wenig für einen Stadtrat.
Viel, sehr viel erwarte ich dagegen von Bürgermeister Rajko Kravanja. Vor allen Dingen totale Transparenz. Die kam bei einigen Themen der jüngeren Zeit deutlich zu kurz, und das nicht nur im Kuddelmuddel der Zuständigkeiten aus Stadtverwaltung, Stadtwerken und Stadtmarketing.
PS: Bei aller Kritik an der Politik - es geht um die Sache, nicht um den Menschen, der da Politik macht. Und mir sind alle diese Politikerinnen und Politiker sehr viel lieber als rechte Populisten und Demagogen, die nur auf die Angst-und-Katastrophen-Schiene setzen.

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