Als René Meier (SPD) und Selim Korkutan (Grüne) den Antrag zur „kostenlosen Bereitstellung von Menstruationsartikeln“ bei der Sitzung des Sozialausschusses skizzierten, zeigten sie sich „froh und stolz, dass wir dieses immer noch oft als Tabu angesehene Thema heute hier einbringen können“ (Meier). Beide Fraktionen im Rat von Castrop-Rauxel hatten ihn gemeinsam formuliert und am Donnerstagabend vorgestellt.
Nicht nur Maria-Elisabeth Graeber (CDU) war voll des Lobes für den Einsatz der „jungen Männer“, der ja „schon mal ein riiiesen Fortschritt“ sei. Und dann sprach Michael Fritsch.
„Menstruationssozialismus?“
Der CDU-Vertreter zeigte auf, dass man sich, wie er es ausdrückte, „manchmal eben auch innerhalb einer Fraktion uneinig sein kann“. Er äußerte, „noch nie so ein Kuddelmuddel auf zwei Seiten gelesen zu haben wie in diesem Antrag“, erklärte, dass „zu keinem Zeitpunkt klargeworden ist, wen Sie denn nun genau unterstützen wollen“ – es seien alle menstruierenden Personen, wie ihm später nochmal von den Antragsstellenden erklärt wurde.
Und er stellte die Frage: „Wollen Sie einen allgemeinen Menstruationssozialismus einführen in Castrop-Rauxel?“ Dann war was los: Ein Raunen ging durch die ASG-Aula, in der der Ausschuss tagte, vereinzelt klopften Mitglieder auf die Tische, um ihren Unmut über die eben getätigten Äußerungen kundzutun.
Kein „Freibier für alle“
Aber Fritsch war noch nicht fertig. Ihm sei „das Ganze so unausgewogen“. Er sei „immer dafür, in Notlagen gezielte Lösung zukommen zu lassen“, betonte der CDU-Vertreter. Er wolle aber keinem Antrag zustimmen, der so formuliert sei, als gebe es dann „Freibier für alle“. Schließlich machten die durchschnittlich 20.000 Euro, die eine Frau in ihrem Leben laut dem Antrag insgesamt für Periodenprodukte ausgibt, bei etwa 35.000 Personen in Castrop-Rauxel eine beachtliche Summe aus: „Das wären dann 700 Millionen“, rechnete Fritsch vor.
Dass die meisten anderen Ausschussmitglieder nicht Fritschs Meinung waren, zeigte sich in der nun anschließenden, über eine halbe Stunde dauernden Diskussion. SPD-Vertreter René Meier nannte Fritschs Wortbeitrag „leider wenig konstruktiv und in weiten Teilen peinlich“. Joachim Höck, Schulleiter des Adalbert-Stifter-Gymnasiums (ASG) zeigte sich „ein bisschen verwundert, auf welchem Level wir hier gerade diskutieren“.
Und auch Ilka Degenhardt, die sich dem Gremium in ihrer Funktion als neue Schulleiterin der Martin-Luther-King-Förderschule zuvor bereits vorgestellt hatte, war „froh, dass ich noch etwas geblieben bin und gleichzeitig aber auch total entsetzt, Herr Fritsch“.
Hemmschwelle ist hoch
Nicht nur sie wies darauf hin, dass es nach wie vor wichtig sei, das Thema aus der Tabuzone zu holen. „Auch an unserer Schule haben wir natürlich Material da, aber die Mädchen müssen eben zu uns kommen und diese Hürde erstmal nehmen“, sagte Degenhardt.
Der zuvor von CDU-Frau Graeber vorgeschlagenen Idee, statt Automaten, die womöglich ja zerstört werden könnten, an jeder Schule zwei Lehrerinnen zu benennen, „die immer was dabei haben und helfen können“, erteilte sie damit indirekt eine Absage. Denn dann, lautete ihre Erklärung, sei die Hemmschwelle für manche Mädchen und Frauen zu hoch.
Die Schulleiterin nannte ein anderes Beispiel, das alle Geschlechter betreffen kann: „Wenn Sie auf der Arbeit Magen-Darm-Probleme haben, dann gehen Sie ja auch nicht zu Ihren Kollegen und sagen: Ich hab Durchfall, ich brauche feuchtes Klopapier.“
Eine Selbstverständlichkeit
Katrin Lasser-Moryson (SPD) befand, dass die kostenlose Bereitstellung von Tampons und Binden „eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein muss. Toilettenpapier diskutieren wir ja auch nicht.“ Solidarität sei gefragt, „und gut isses“.
Eigentlich, hätte die Ausschussvorsitzende wohl auch dem letzten Satz noch hinzufügen müssen. Denn Michael Fritsch war weiterhin nicht überzeugt. Eine diskrete Lösung zu finden, sei wichtig, betonte er. Dafür könne nach Sponsoren gesucht werden. „Aber alles, was darüber hinausgeht, ist nicht richtig: Warum soll ich denn der Frau Richterin, der Frau Rechtsanwältin oder wem auch immer überall die Hilfsmittel finanzieren und subventionieren? Das ist doch Idiotie so eine Sichtweise. Die haben das doch bis jetzt bezahlt und können das auch in Zukunft bezahlen“, ärgerte er sich.
Der CDU-Vertreter war am Ende der einzige, der gegen den Antrag stimmte. Einzig sein Parteikollege Achim Gärtner enthielt sich, der Rest stimmte zu. Die Mitglieder des Rates haben bei ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag (27.4.) das letzte Wort.
Die Antragssteller von SPD und Grünen wollen, dass es im Bürgerbüro, dem Jugendamt und anderen städtischen Einrichtungen zukünftig kostenlose Menstruationsartikel gibt. Und an den weiterführenden Schulen. Deshalb soll die Verwaltung „gemeinsam mit der Schulgesellschaft“ überlegen, wie und worin Tampons und Binden an den unterschiedlichen Schulen hinterlegt werden können.
Außerdem, so SPD und Grüne in dem Antrag, soll die Verwaltung sich dafür einsetzen, dass auch kommunale Arbeitgeber sich daran beteiligen und fortan kostenlose Menstruationsartikel bereitstellen.
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