Das Adventszelt hat in Castrop Geschichte. Und die ist mehr als 20 Jahre alt. Es war Sommer 2002, als die Pläne reiften, in der Castroper Altstadt vor Weihnachten ein Festzelt aufzubauen, um darin über Wochen vor allem die Vorweihnachtszeit zu genießen. Mit Gastro und Musik, Comedy und Show. Peter Breuer, damals „Citymanager“ und Franz-Josef „Bubi“ Leuthold stellten das gemeinsam mit dem Dortmunder Liedermacher Fred Ape auf die Beine. Sie gelten bis heute als die drei Väter von „Ab ins Zelt“ und prägten damit eine Veranstaltungs-Ära in der Altstadt, die 2022 wohl zu Ende gegangen ist.
Denn seit dem Herbst 2023 steht fest: Die Zeit vom satirisch-kulinarischen Adventszelt auf dem Marktplatz ist vorbei. Zumindest 2023 wird das Zelt, das „Bubi“ Leuthold Jahr für Jahr am Reiterbrunnen aufbauen ließ, nicht errichtet. Leuthold ziehtsich nach einem wirtschaftlich schwachen Vorjahr, als die Energiekrise große Veränderungen mit sich brachte, aus dem Castroper Advent zurück.
In den Anfangsjahren und auch den 20 Jahren danach war der Wirt und Inhaber von „Tante Amanda“ in Westerfilde mittendrin: Schon 2002 ging es erfolgreich los. Im ersten Jahr hatte das Zelt 375 Quadratmeter. Im Folgejahr wuchs es auf 13 mal 30 Meter, also 450 Quadratmeter. Und es wurde luxuriöser: 2003 ließ Leuthold erstmals einen Teppichboden verlegen. Das „Zelt“ erhielt feste Wände und eine 60 Meter große Glaskonstruktion zum Markt hin und eine richtige Heizung statt einfacher Heizstrahler wie noch 2002.
Täglich von 12 bis 24 Uhr war es in der Anfangszeit offen. Live-Programm gab es fast jeden Abend. Der „satirische Adventskalender“, bei dem ab dem 1.12. jeden Abend ein Überraschungs-Künstler auf der Bühne stand, war 2003 erfunden. 23 Künstler waren es 2003, darunter Leute wie Isabel Varell, Johann Köhnich und Hennes Bender, die jeweils eine Stunde lang „Kleinkunst“ ins Zelt brachten.
Gerichts-Sorgen und glorreiche Zeiten
Live-Musik gab es in den ersten Jahren nicht. Das hatte auch Gründe: Schon 2003 sah man sich einer Klage gegenüber und musste auf das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hoffen. Wie bei „Castrop kocht über“ klagten Anwohner gegen die Betreiber um Bubi Leuthold, Pina und Enzo Scolaro („Bei Michele“) und Volker „Kasi“ Castrup (damals Wirt in der „Klapsmühle“) wegen der abendlichen Lautstärke. Als unsere Redaktion am 13. Oktober 2004 berichtete, stand das „Adventszelt in den Sternen“, obwohl das Ordnungsamt es vom 26.11. bis 3.1.2005 schon genehmigt hatte.
Am 29.10.2004 schrieb unsere Redaktion dann: „Nach einer langen Erörterungsrunde am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nahm das Ehepaar gestern Mittag seinen Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Genehmigung des Adventszelts zurück.“ Für Stoppok, Obel, Ape, Lioba Albus und Co. war damit die Bühne frei. Ein Lärmgutachten, vom Gericht auferlegt, ergab anschließend: Es war nicht zu laut. Und Ende 2006 schrieb unsere Redaktion: „Das Kulinarische Zelt läuft wie geschmiert, der Satirische Adventskalender hat sich in den letzten Jahren beinahe zum Selbstläufer entwickelt.“ Menschen nicht nur aus Castrop-Rauxel, auch von außerhalb kamen zu Hunderten. Jeden Abend. Mit Onkel Fisch, Satchmo, Ausbilder Schmidt, Bernd Gieseking, Helmut Sanftenschneider und Co.

Herbert Knebel, Klaus Hoffmann, Bruno „Günna“ Knust: Es gäbe noch Dutzende Künstler, die über die Jahre im Zelt auftraten. Seven Cent, die Florians und manch andere Band sind auch zu nennen, die zum Teil „unplugged“ ihre Musik darbrachten und die Zelthalle „ausverkauften“.
Pina Scolaro und Volker Castrup waren die Ideengeber für den Weihnachtsfrühschoppen, der an Heiligabend ab 2006 zu einer Art „Klassentreffen“ wurde, ehe die Gäste das Hochfest danach daheim verbrachten. 10.000 Besucher zählten die Veranstalter im zehnten Jahr, der Saison 2012. 2017 wurde noch aufgestockt: Eine Schlittschuhbahn wurde in einem Zelt neben dem Adventszelt errichtet. Das Eisstockschießen ist von damals noch erhalten geblieben.
Der Anfang vom Ende des Zelts
Die Corona-Pandemie wirkte 2020 wie ein Anfang vom Ende für die Erfolgsveranstaltung. Am 12.11.2020, kurz nach dem Tod des Initiators und Strippenziehers im Hintergrund, Fred Ape, verkündete Bubi Leuthold die Absage. „Ab ins Zelt!“ fiel erstmals seit 2002 aus und kam nie wieder so stark zurück.
Auch 2021 holperten die Veranstaltungen durch die Pandemie-Einschränkungen: Mit Maske und 2G-Nachweis (geimpft / genesen) kam man rein ins Zelt. An einigen Tagen konnte man sich dort sogar impfen lassen. Beim Seven-Cent-Konzert galt sogar die 2G-Plus-Regel: Man brauchte zusätzlich einen frischen Corona-Schnelltest. 300 Menschen hätten damals reingedurft. 250 kamen. Es war einer der wenigen erfolgreichen Abende: Die Saison im Adventszelt war für Leuthold „eine einzige Katastrophe“. Kurz vor Weihnachten musste er wegen neuer Pandemie-Regeln die Silvesterparty absagen.
Am 27.12.2021 kamen 200 Menschen zu Seven Cent ins Zelt. Man wusste damals nicht, dass es der letzte echte Adventszelt-Abend würde. Leuthold ließ es danach direkt abbauen.
2022 brach im Frühjahr der Krieg in der Ukraine aus. Die Gaspreise stiegen ins zuvor Unermessliche. Sparen war spätestens ab dem Herbst angesagt. Es war schnell klar, dass man im Winter nicht guten Gewissens ein Zelt beheizen könnte. Im Oktober verkündete „Bubi“ Leuthold einen Alternativ-Plan: die Bühne vor dem halbgeöffneten Zelt. Daneben stand die Weihnachtsscheune mit den Open-Air-Sitzgelegenheiten. Es war dort oft voller als bei „Bubi“ im und am Zelt. Einige Tage war es im Dezember eiskalt. Der Platz vor der Bühne blieb zu oft zu leer.

Bis 2023 hat sich die Energiekrise nicht ganz aufgelöst. „Bubi“ Leuthold, hieß es im September 2023, habe sich aus dem Adventstreiben auf eigenen Wunsch zurückgezogen. Das Stadtmarketing und Frank Philipp übernahmen. Sie suchen nun Sponsoren, die finanzielle Risiken mittragen und abfedern. Das Adventszelt hatte diese Partner stets an seiner Seite. Ob es auch ohne ein Erfolg wird?
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