Vieting schließt. Malzers eröffnet gegenüber. Auffenberg, auch nicht weit weg, macht sich Zukunfts-Sorgen. Und Kortmann? Melden sich am Wochenende via Instagram zu Wort und erklären: Wir bauen unser Café an der Ickerner Straße zu einer Wohlfühl-Oase aus und beschicken weitere Wochenmärkte. Zum Wohl der 20 Mitarbeiter.
Es wird viel geredet über die Bäckereien in Ickern, von denen es viele gibt, von denen aber zwei mit ihren Handwerksbetrieben vor Ort besondere Bedeutung genießen. Neben Familie Auffenberg, die seit über 100 Jahren Platzhirsch ist, meldet sich nun auch Christian Hötzschold zu Wort. Thomas Vieting wartet derweil weiter ab, wie es mit seiner Backstube weiter geht. Das hängt auch vom Sachverständigen-Gutachten ab, das gerade erstellt wird.
Aber zunächst zurück zu Kortmann: Hötzschold übernahm die Bäckerei und Konditorei, zuletzt auch als Ziesmann & Sürig bekannt, an der Ickerner Straße mit Verve und Ambitionen im September 2022 zusammen mit Fachverkäuferin Birgit Rovansek. Den Krisen durch Corona und Ukraine-Krieg zum Trotz wurde er Geschäftsführer einer Bäckerei mit 20 Angestellten, die Backwaren, Kuchen und Torten hier selbst herstellt. Hötzschold ist selbst Konditormeister, der Mann fürs Filigrane also, und wurde vom Mitarbeiter zum Chef.
Da wusste er noch nicht, dass in den folgenden Wochen zwei Nachrichten wie Bomben einschlagen würden: Erst gab sein Kollege Mitja Wolf von der Backstube Vieting die Schließung bekannt; dann wurde klar, dass in die ehemalige Zeeman-Filiale ein Malzers-Café einziehen wird. Die Karten im Bäckerei-Wettbewerb an der Ickerner Straße werden neu gemischt.

Hötzschold will gegenüber unserer Redaktion auf Anfrage zu alledem nichts sagen. Nur so viel: Er hält den Einzug von Malzers in den Wettbewerb der Handwerks-Betriebe vor Ort für gefährlich. Da ist er mit seinen Kollegen von der Bäckerei Auffenberg einer Meinung. Ansonsten verweist er auf ein Posting bei Instagram, das am Wochenende in den Storys veröffentlicht wurde.
Weder Malzers noch Vieting noch Auffenberg werden darin erwähnt. Es geht einzig um den eigenen Laden, um das große Vertrauen, das ihm Kunden entgegengebracht hätten, um die Ziele: erhalten, weiterführen, ausbauen. Elf Wochenmärkte befahre man, seit neuestem und auf vielfachen Kundenwunsch auch den in Mengede, „weitere werden folgen“. Am festen Standort „nehmen wir Fahrt auf“: Außenbereich neu, Wohlfühloase schaffen sei der Plan.
Mit Sicherheit auch eine Reaktion auf die Malzers-Ankündigung im einstigen Zeeman-Gebäude neben der evangelischen Kirche. In Sichtweite. „Wir glauben fest daran“, heißt es bei Instagram, „dass ihr uns an all unseren Standorten treu bleibt“, so Hötzschold und Rovansek via Instagram.
Vom Penny an der Recklinghauser Straße über Kortmann, Malzers, den dreifachen Auffenberg, Aldi und Bäckerei Hosselmann im K+K an der Uferstraße gibt es hier auf etwas über einem Kilometer Fußweg eine Fülle an Backwaren-Angeboten. Im Stadtgebiet ist das einmalig ist, nur die Castroper Altstadt bietet ähnlich viel.
Die Co-Existenz in Ickern hat bis hierher funktioniert. Zumindest bis zur Insolvenz von Vieting. Grund: Die drei Handwerksbäcker suchten sich verschiedene Reviere. Vieting belieferte Einrichtungen in der ganzen Stadt, Kortmann beschickte Wochenmärkte, Auffenberg expandierte nach Henrichenburg, Castrop und Huckarde. Doch Malzers, das befürchten die Handwerks-Betriebe, werde hier „eine Schneise in den Wald schlagen“ (Alexander Auffenberg). Ein Game-Changer in der ohnehin schon angespannten Lage durch Energiekrise und Fachkräfte-Mangel?

Thomas Vieting, der sich 2019 aus der eigenen Backstube zurückzog, aber immer noch reichlich Einfluss hatte auf die Entscheidungen seines Nachfolgers Mitja Wolf, wirkt ratlos. Er wundert sich über den Zuzug von Malzers: Vor Jahren, als er aufhören wollte, habe er ja die Bäckerei-Filialisten Brinker und Malzers angefragt. Damals, so Vieting, habe es geheißen: Wir expandieren nur dorthin, wo es 30 bis 40 Parkplätze gibt. Vor Vieting sind es vielleicht fünf. Bei Zeeman, direkt gegenüber, ist das genauso. Strategien ändern sich offenbar.
Zumal Großbäckereien kein Interesse hätten an dem, was Vieting anzubieten hat: Die Backstube mit den Öfen und Produktionsgeräten, mit der Teig-Arbeitsfläche und Co. machten im Vieting-Universum 75 Prozent des „Kuchens“ aus, wenn man die reine Flächengröße betrachtet. Dabei würde ein Ladenlokal den Großen mit ihren Back-Fabriken in Herne und Gelsenkirchen reichen.
Zwei Interessenten an Vieting
Interesse an einer Übernahme des Vieting-Standorts hätten bisher zwei Betriebe bekundet, sagt Thomas Vieting. Nach Informationen unserer Redaktion soll eine marokkanische Bäckerei darunter sein. Vieting soll sogar bereit sein, die Pacht deutlich zu senken, heißt es.
Das bestreitet der Bäckermeister nicht. Aber er sagt auch, er müsse abwarten: Die Entscheidungen trifft zurzeit eine Rechtsanwältin aus Oberhausen, bei der der Geschäftsführer Mitja Wolf Ende Januar die Zahlungsunfähigkeit beantragt haben soll.

Rechtsanwältin Tanja Bückmann ist zur Insolvenzsachverständigen durch das Insolvenzgericht (Amtsgericht Dortmund) ernannt worden, heißt es aus der zuständigen Kanzlei. Ein Insolvenzverfahren werde gegebenenfalls nach Erstattung des Sachverständigengutachtens eröffnet. Es gibt also derzeit noch keines, ist aber wohl nur noch Formsache.
In Auftrag gegeben hat es Mitja Wolf. Der verkündete das Ende der Backstube Vieting per Hauruck-Verfahren: Die Mitarbeiter wussten es erst zwei Tage vorher. Es heißt, er sei durch die schwierige Lage in den vergangenen Monaten überrumpelt und am Ende überfordert gewesen. Als ein Mitarbeiter, eine tragende Säule aus einem Team in der Backstube seit Jahrzehnten, erkrankte, stopfte er das Loch erst mit eigener Hände Arbeit. Frei hatte er kaum noch. Am Ende habe er den Kopf in den Sand gesteckt vor lauter Arbeit.
Mann das Handwerks, nicht der Zahlen
Vieting selbst steht zwar noch immer im Impressum der Website als Eigentümer. Aber ihm gehörte seit Anfang 2019 nur noch das Interieur und das Gebäude. Er vermietete all das auf zehn Jahre an seinen geschätzten jungen Bäckermeister, hochtalentiert im Handwerk, extrem engagiert im Tun. Aber wohl kein Mann der Zahlen. Darum stand er ihm als Berater zur Seite, sagt Thomas Vieting. Aber er soll zum Teil dreimal die Woche im Büro gewesen sein, habe Abrechnungen genauestens geprüft, sagen Insider.
Wie also konnte dem „Berater“ die finanzielle Schieflage entgehen? Warum hat er nicht die Notbremse gezogen? Und warum kann er einem Nachmieter nun das Gebäude für die Hälfte der Pacht anbieten, wie Insider fragen? Vieting sagt, er habe nichts entschieden, sondern beraten. Er habe Wolf auf die Finanzlage hingewiesen. Doch der habe nicht entschieden. Er habe den Kopf in den Sand gesteckt, sagen mehrere. Er sei aktuell nicht erreichbar, sagen viele. Immerhin aber für die Anwaltskanzlei, bestätigt die.
Vieting selbst soll entschieden haben, nachmittags früher zu schließen. Die einen sagen, weil nachmittags nichts los gewesen sei. Das habe aber Stammkunden vergrault, meinen andere. Vor allem das Früh-Angebot fehlt vielen: Vieting öffnete schon um 4 Uhr. Ob Malzers in diese Bresche springt? Wohl nicht. Ein Backcafé der Gelsenkirchener Kette, das so früh öffnet, ist nicht bekannt.
Haupt-Kritikpunkt ist nicht die Qualität, die Malzers anbietet. Viele meinen, die Brötchen wären top. Auch das Café an der Ickerner Straße wird sicher schön, vermutlich mit einigen Sitzplätzen vor dem Lokal und ganz neu und aktuell eingerichtet. Es geht um das Handwerk. Um Traditionen. Wie bei Kortmann, Auffenberg. Und wie es bei Vieting einmal war.
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