Kontaktanzeigen. In Zeitungen. Gibt es das eigentlich noch? Ist das noch ein wirkungsvolles Medium zur Partnersuche? Wir haben ein zweimal wöchentlich erscheinendes Anzeigenblatt ausgewertet.

Castrop-Rauxel

, 24.04.2021, 09:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Sie sind ganz sicher die Dinos unter den Möglichkeiten, einen Partner zu finden. Aber es gibt sie noch: Die kleinen Kontaktanzeigen in Anzeigenblättern und kostenlosen Wochenzeitungen. Der Stadtanzeiger Castrop-Rauxel erscheint zweimal in der Woche. Teilweise findet sich darin bis zu eine halbe Seite mit Anzeigen, in denen „Er sucht“ oder „Sie sucht“. Aber wer sucht dort? Wir haben uns eine Ausgabe von Ende März und die darin entdeckten 26 Anzeigen genauer angesehen.

? Wer sucht?
15 Frauen und 11 Männer suchen in den 26 Anzeigen. Die Frauen sind zwischen 39 und 70 Jahre alt, die Männer zwischen 55 und 84 Jahre. Keine Überraschung: Es ist eher was für die Generation Ü50 (nur drei Frauen sind 50 Jahre oder jünger). Und selbst mit 84 Jahren ist man noch nicht zu alt. „Muss man als älterer Mensch für immer alleine bleiben?“ fragt Werner (84) in seiner Anzeige. Offensichtlich nicht. Unter den suchenden Frauen und Männern sind jeweils sechs Witwen und Witwer, die das so in der Anzeige angeben.

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? Kann man einen Bildungsstand ablesen?

Ein bisschen schon. Man findet den Unternehmer, den Bankier, den Steuerberater, den Pädagogen, den Beamten und zwei Handwerker. Die Tendenz ist also eher ein höherer Bildungsabschluss. Unter den Frauen ist eine „Akademikerin“, eine Ärztin, eine Physiotherapeutin, zwei Pflegerinnen, zwei Krankenschwestern, Vertriebsingenieurin, selbständige Kauffrau, Friseurmeisterin, eine Gymnasiallehrerin: Das ist dieselbe Tendenz. Allerdings ist auch eine „gute Hausfrau“ darunter.

? Was suchen sie?

„Jemanden, der einfach da ist, mir das Gefühl von Liebe gibt“, schreibt Heike (66), Krankenschwester im Ruhestand. Grundsätzlich geht es um Partnerschaft, auch um Zärtlichkeit, aber in keiner der Anzeigen explizit um Sexualität. Es geht um gemeinsame Unternehmungen wie Reisen, Spaziergänge und Sport, um ein gemütliches Abendessen „nicht mehr allein“, um das Gefühl von Geborgenheit.

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? Wie suchen die Frauen?

Indem sie sich selbst weitgehend positiv umschreiben. „Bildhübsch“ und „wirklich bildhübsch“ oder zumindest hübsch, schlank, „Top-Figur“, apart, sympathisch, freundlich, hilfsbereit, sensibel, warmherzig, humorvoll, gepflegt, sportlich, bei den älteren auch „jünger aussehend“: Das sind die Attribute, die sich die Damen selbst zuschreiben. Man findet unter ihnen solche, die sich als harmoniebedürftig bezeichnen, und solche, die gern etwas unternehmen möchten. Konzerte, Theater, Tanzveranstaltungen, Reisen: Das sind Dinge, die viele der Frauen als Wünsche angeben. „Ich möchte Liebe in meinem Leben spüren“, schreibt Sabine (60), eine „liebe Pflegerin“, „möchte mit dir lachen, leben, lieben, alles mit der teilen, ganz viel Glück und Liebe im Herzen spüren.“ Gisela (68) erwähnt auch ganz konkret, dass sie „bei Sympathie nicht ortsgebunden“ sei. Wobei man ihren Wohnort nicht ganz konkret zu sehen bekommt.

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? Wie suchen die Männer?

Eigentlich sehr ähnlich: „mit ganz viel Fröhlichkeit“ kommt Jan (59) daher, der sich als „wirklich netter Witwer“ bezeichnet. Treu, nicht langweilig, gut aussehend und voller Vitalität, sympathisch, sozial eingestellt, hilfsbereit, sportlich, Wärme und Ruhe ausstrahlend, aufmerksam und liebevoll, anpassungsfähig, kulturell interessiert – und motorisiert. Das schreiben zumindest zwei der suchenden Herren. Und es werden nicht nur Anzeigen von Menschen aus Castrop-Rauxel dabei sein. Kontakt gibt es in jedem Fall nur unter einer 0800er-Nummer per Chiffre-Nummer. „Wenn man wie ich Witwer ist“, schreibt Norbert (74, „fröhlicher Senior“), „und noch mal Glück im Herzen spüren will, muß man dafür etwas tun – deshalb bin ich mutig und hoffe, SIE lesen diese Zeilen.“

26 Kontaktanzeigen befanden sich in der Ausgabe von Ende März. Fast eine halbe Seite. 15 Frauen, 11 Männer. Altersdurchschnitt: etwa 65 Jahre.

26 Kontaktanzeigen befanden sich in der Ausgabe von Ende März. Fast eine halbe Seite. 15 Frauen, 11 Männer. Altersdurchschnitt: etwa 65 Jahre. © Tobias Weckenbrock

? Wie ist die Ansprache?

Das variiert: Einige schreiben die Leser direkt mit einem „Sie“ an, andere mit einem „Du“ oder „Dich“. Andere schreiben eher über sich und adressieren ihre Anzeige nicht direkt an den Leser. „Keiner von uns hat es verdient, alleine zu sein und zu bleiben“, schreibt Alexander (70), der Pharmareferent. „Wird dieser Frühling unser erster gemeinsamer Frühling?“, fragt Ursula (71), Ärztin im Ruhestand.

? Welche Rolle spielt das Coronavirus?

Eine untergeordnete. Die Pandemie kommt vor. Sie wird an einigen Stellen neben Schicksalsschlägen und „Pech in der Liebe“ als einer der Gründe für eine besonders bedrückende Einsamkeit genannt. „Durch die Corona-Situation habe ich jetzt gemerkt“, schreibt Elke (73), „wie schwer mir Einsamkeit fällt – und das Alleinsein ist nicht schön!“ Aber Corona bleibt ein Randaspekt oder kommt oft gar nicht vor. Gerade, wenn man auf die Wünsche schaut, ist der Blick auf die Zeit nach der Pandemie gerichtet: Skifahren, Ausflüge machen, Konzerte besuchen – das geht zurzeit alles ja nur sehr begrenzt.

Fazit: Wer über 40, tendenziell über 50 Jahre alt ist, der könnte in den Kontaktanzeigen im Anzeigenblatt fündig werden. Von Macken oder schlechten Eigenschaften liest man darin allerdings nichts. Die Menschen, tendenziell Bildungsbürgertum, die hier Kontakte suchen, beschreiben sich selbst in positiver Weise. Aber das ist ja nun auch keine Überraschung. Was eigentlich fehlt in einem Print-Format: Bilder. Und die Möglichkeit zu direkten Kontaktaufnahme. Vorteil Internet? Manchmal kann der Chiffre-Filter vielleicht auch von Vorteil sein...

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